Wie sicher ist Morphin für STEMI-Patienten?

Morphin zur Schmerzlinderung kann das klinische Behandlungsergebnis nach STEMI beeinflussen – vor allem in den ersten 30 Tagen. Die Mortalität scheint davon nicht berührt zu sein. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Mit Morphin können außer Schmerzen auch Angst und Atemnot beim STEMI wirksam gelindert werden. Das Opioid hat in dieser Situation diverse vorteilhafte Effekte, dazu gehören die Senkung der Sympathikusaktivität, des myokardialen Sauerstoffbedarfs und der Vorlast. Allerdings kann Morphin auch Hypotonie und Atemdepression verursachen und die Wirkung von P2Y12-Antagonisten verzögern oder vermindern. Beim akuten Koronarsyndrom ohne STEMI ist nach Morphingabe sogar eine Zunahme der Mortalität beschrieben. Für STEMI-Patienten kann in dieser Hinsicht wahrscheinlich Entwarnung gegeben werden. Laut einer vorab geplanten Analyse der TREAT-Studie haben STEMI-Patienten mit initialer Lysetherapie und dualer Plättchenhemmung (mit oder ohne PCI) kein erhöhtes Sterberisiko, wenn sie Morphin bekommen. Hinsichtlich nichttödlicher Komplikationen unterscheiden sie sich jedoch von Patienten ohne Morphin. Nicht randomisierter Vergleich Die TREAT-Studie diente eigentlich dem randomisierten Vergleich von Ticagrelor mit Clopidogrel nach medikamentöser Lyse. Die Morphinbehandlung war daher nicht randomisiert, sondern oblag dem Ermessen der behandelnden Ärzte; sie hatten 1663 Studienteilnehmern Morphin gegeben und bei 1468 darauf verzichtet. Morphin war im Median gut zwei Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome und überwiegend noch vor oder gleichzeitig mit den P2Y12-Antagonisten verabreicht worden, und zwar in einer Gesamtdosis von median 10 mg. Die Morphinpatienten unterschieden sich erwartungsgemäß in zahlreichen Parametern von denen ohne Morphin, z. B. hatten sie häufiger ausgedehnte und Vorderwandinfarkte und erhielten dementsprechend eher eine PCI als eine rein medikamentöse Therapie. Für all diese Unterschiede wurde mittels IPTW-Schätzung adjustiert. Mehr Reinfarkte, weniger Blutungen Unter dieser Voraussetzung ergaben sich in zwei klinischen Endpunkten signifikante Differenzen zwischen den beiden Gruppen: Die Morphinpatienten hatten ein erhöhtes Risiko für erneute Infarkte noch während des Krankenhausaufenthalts bzw. bis zum Tag 7 (+390%) sowie in den ersten 30 Tagen (+72%), aber nicht mehr nach einem Jahr. Das Risiko für TIMI-Major-Blutungen war in der Morphingruppe zu allen Zeitpunkten geringer, am größten war der Unterschied in den ersten sieben Tagen (–63%). Die morphinabhängigen Unterschiede bei Reinfarkten und Blutungen fielen mit Clopidogrel größer aus als mit Ticagrelor – möglicherweise, weil Letzteres dank seiner potenteren thrombozytenhemmenden Wirkung den Morphineffekt überwinden kann. Die Interaktionen waren allerdings nicht signifikant, das Studienteam um Warren Cantor von der Universität von Toronto rät daher zu Vorsicht bei der Interpretation. Ob die Patienten anschließend noch einer PCI unterzogen wurden oder nicht, spielte im Hinblick auf potenzielle Morphineffekte keine Rolle. Der Zeitpunkt der Morphingabe könnte dagegen von Bedeutung gewesen sein: Patienten, die Morphin erst nach dem P2Y12-Antagonisten bekamen, hatten nach 30 Tagen und sechs Monaten ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Diese Ergebnisse beruhen jedoch auf einem nicht adjustierten Vergleich und waren nach zwölf Monaten auch nicht mehr statistisch signifikant. Weitere Studien nötig „Bei STEMI-Patienten mit medikamentöser Lyse und dualer Thrombozytenhemmung war die Gabe von Morphin mit einem höheren Risiko früher Reinfarkte und einem niedrigeren Risiko schwerer Blutungen, aber nicht mit einem Unterschied in der Mortalität assoziiert“, fassen Cantor et al. die Ergebnisse zusammen. Sie vermuten, dass die Differenzen mit der durch Morphin verzögerten Wirkung der P2Y12-Antagonisten zusammenhängen. Einschränkend verweisen die Ärzte und Ärztinnen auf die Limitationen ihrer Analyse: Die Gabe von Morphin war nicht randomisiert erfolgt und dadurch bedingte Verzerrungen sind trotz Adjustierung nicht auszuschließen; zudem war die Studie für Aussagen zur Mortalität möglicherweise zu klein. Die Forscher raten daher, die Ergebnisse durch weitere Studien abzusichern. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie sicher ist die Gabe von Morphin für STEMI-Patienten mit starken Schmerzen? Antwort: Morphin ist mit einem höheren Risiko früher Reinfarkte und einem niedrigeren Risiko schwerer Blutungen assoziiert, aber ohne Einfluss auf die Mortalität. Einschränkung: Morphinbehandlung nicht randomisiert.

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