Neurosteroid scheitert bei superrefraktärem Status epilepticus

Bei einem superrefraktären Status epilepticus ist guter Rat teuer: Ein Neuropeptid galt bis vor kurzem als heißer Kandidat, um den lebensbedrohlichen Zustand rasch zu beenden. Aktuelle Resultate sprechen jedoch dagegen. Je länger ein Status epilepticus dauert, umso schlechter sprechen die Patienten auf Benzodiazepine als First-line-Therapeutika an, umso höher ist auch die Gefahr eines refraktären oder superrefraktären Status. Nach Schätzungen scheitert der erste Therapieversuch bei einem Drittel. Von diesen sprechen wiederum ein Viertel nicht auf eine intravenöse Behandlung mit Antikonvulsiva an. Gelingt ein Anfallsstopp auch nicht nach 24-stündiger Anästhetikatherapie, ist die Prognose äußerst schlecht: Etwa ein Drittel stirbt und ein weiteres Drittel erleidet bleibende Hirnschäden, berichten Ärzte um Dr. Eric Rosenthal vom Massachusetts General Hospital in Boston in einer aktuellen Publikation. Phase-2-Studie ausgelassen Neurologen suchen daher dringend nach Therapeutika, um einen superrefraktären Status wirksam zu durchbrechen. Ein Kandidat ist Ketamin – damit konnten Ärzte in kleinen Fallserien die Anfälle bei rund drei Viertel der Betroffenen beenden. Ebenfalls vielversprechend verliefen präklinische Studien mit dem Neurosteroid Allopregnanolon, auch bekannt als Brexanolon. Das im Körper aus Progesteron gebildete Steroid moduliert im Gehirn großflächig GABA-Rezeptoren, darunter solche für die tonische Inhibition. Neurologen um Rosenthal hatten eine Behandlung mit Brexanolon bei superrefraktärem Status erstmals in einer Phase-1/2-Studie getestet. Zuvor hatte es bereits einzelne Therapieversuche bei entsprechenden Patienten gegeben. Das US-Unternehmen Sage Therapeutics war nach dem Ende der offenen Untersuchung so von der Wirksamkeit überzeugt, dass es Phase 2 übersprang und sofort eine placebokontrollierte Phase-3-Studie initiierte. Dafür hatte es auch Unterstützung von der US-Zulassungsbehörde FDA über ein beschleunigtes Zulassungsverfahren und einem Orphan-Drug-Status bekommen. Die Phase-3-Studie ist jedoch gescheitert: Gerade einmal einen Tag nach Veröffentlichung der Phase-1/2-Daten in den „Annals of Neurology“ musste das Unternehmen Top-line-Resultate bekanntgeben, nach denen der primäre Endpunkt nicht erreicht wurde: Brexanolon als Add-on-Therapie konnte einen superrefraktären Status nicht besser stoppen als Placebo. „Das Beispiel zeigt, weshalb es bei der Arzneimittelentwicklung gewisse Regeln gibt“, heißt es in einem Kommentar des Investorenportals „Bloomberg Businessweek“. Das Biotech-Unternehmen habe den Eindruck erweckt, die Resultate der ersten offenen Studie seien so gut, dass man Phase 2 auslassen könne. Dies habe einen Hype um die Substanz generiert, der vor allem den Aktienkurs nach oben getrieben habe, lautet der Vorwurf. Studie auch zu postpartaler Depression Immerhin ließ sich in der ersten klinischen Studie mit 22 Patienten der superrefraktäre Status bei drei Viertel beenden. Alle Teilnehmer der offenen Studie hatten Anästhetikainfusionen aufgrund persistierender oder rezidivierender Anfälle über mindestens 24 Stunden erhalten, anschließend bekamen sie vier Tage lang das Steroid infundiert. Nach zwei Tagen ohne Anfallsaktivität versuchten die Ärzte, das Anästhetikum abzusetzen, infundierten das Steroid aber auch bei einem Erfolg weiter bis zum vierten Tag. Die Patienten erhielten entweder eine Brexanolon-Standarddosis (86 Mikrogramm/kg/h) oder eine erhöhte Dosis (156 Mikrogramm/kg/h). Mit der Standarddosis sollten Serumspiegel von knapp 50 ng/ml erreicht werden – das sind die höchsten Werte, die während einer Schwangerschaft auftreten. Mit der höheren Dosis wollten die Neurologen die Serumwerte verdoppeln. Am fünften Tag schlichen die Ärzte Brexanolon bei allen Patienten aus. Bei 17 Patienten (77%) gelangen die Anästhetika-Absetzversuche – weitere Anfälle blieben aus. Während der fünf Behandlungstage starben sechs Patienten, vier weitere in der Nachbeobachtungszeit, zumeist waren Grunderkrankungen wie Hirnblutungen und Hirninfekte die Ursache. An der folgenden placebokontrollierten Phase-3-Studie mit ähnlichem Design haben nach Angaben von Sage 132 Patienten mit superrefraktärem Status teilgenommen. Die eine Hälfte bekam Brexanolon, die andere Hälfte Placebo zusätzlich zum Anästhetikum. Bei 43,9% mit dem Steroid und 42,4% mit Placebo konnte das Anästhetikum im Therapieverlauf erfolgreich abgesetzt werden – der Unterschied war nicht signifikant, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Ein Trost bleibt den Forschern noch: Brexanolon wird derzeit auch in Phase 3 gegen postpartale Depression geprüft. Zumindest hier wurde Phase 2 nicht übersprungen.

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