Nach dem aktuellen Stand der Forschung zeigt sich, dass in Inklusionsbetrieben eine spezifische Anforderungs-Ressourcen-Situation für Beschäftigte mit Behinderungen besteht. Vergleichbar mit deutschen Inklusionsbetrieben erweisen sich im internationalen Kontext sog. „social firms“, welche eine sinnvolle Beschäftigung für benachteiligte Personen auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen und eine signifikante Anzahl von Menschen mit Behinderungen (von mindestens 25 %) beschäftigen [
8]. Auch in diesem Rahmen wird ein hohes Maß an Unterstützung für die Beschäftigten unter Wahrung von Autonomie, Selbstbestimmung und Partizipation am Arbeitsplatz beschrieben [
8]. In den meisten Studien zur Arbeits- und Gesundheitssituation werden neben Menschen mit Lern‑, Sinnes- oder geistigen Behinderungen bisher überwiegend Menschen mit psychischen Erkrankungen befragt [
19]. Im Bereich der arbeitsbedingten Ressourcen für Beschäftigte mit Behinderungen wird deutlich, dass auf der einen Seite eine Vielzahl solcher in den Bereichen Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und der Arbeitsumgebung geboten wird [
19,
22]. Auch aktuelle Ergebnisse aus dem Kontext deutscher Inklusionsbetriebe beschreiben, dass Beschäftigte über ein hohes Maß an erfüllenden und als sinnvoll erlebten Arbeitsaufgaben (z. B. im Kundenkontakt) verfügen [
10]. Im Bereich der Arbeitsorganisation berichten Beschäftigte im Vergleich zu anderen Betrieben auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Vielzahl an Ressourcen in Inklusionsbetrieben. So werden flexible Arbeitsbedingungen, ein an die individuellen Kapazitäten angepasstes Arbeitspensum, eine angemessene Verteilung der Arbeit innerhalb des Teams ebenso wie etablierte Arbeitsprozesse mit einer klaren Verteilung von Aufgaben und Verantwortung als unterstützend erlebt. Weiterhin werden eine regelmäßige Kommunikation im Team oder die Flexibilität in der Gestaltung von Pausen als Ressourcen wahrgenommen. Ein verlässlicher Lohn und Arbeitsplatzsicherheit in Inklusionsbetrieben stellen weitere charakteristische Ressourcen dar, etwa im Vergleich zu WfbM, in denen ein Arbeitsentgelt (§ 219 Abs. 1 SGB IX) gezahlt wird [
10,
19]. Zudem können auch Weiterbildungs- und Partizipationsmöglichkeiten am Arbeitsplatz als Ressourcen im Vergleich zu anderen Betrieben auf dem ersten Arbeitsmarkt erlebt werden [
19]. Die Ergebnisse statistischer Berechnungen verdeutlichen zudem, dass eine hohe zeitliche Flexibilität und Weiterbildungsmöglichkeiten zusätzlich die Beschäftigungsdauer in Inklusionsbetrieben erhöhen können [
35]. Im Bereich der sozialen Beziehungen werden sowohl im internationalen Forschungsstand als auch in deutschen Inklusionsbetrieben insbesondere ein hoher Zusammenhalt im Team und eine harmonische Arbeitsatmosphäre, welche durch einen wertschätzenden, nicht-diskriminierenden Umgang, Geduld im Umgang mit Fehlern sowie gegenseitige Akzeptanz von Schwächen von Beschäftigten mit Behinderungen, berichtet. Neben der sozialen Unterstützung durch das Team können auch Leitungskräfte eine wichtige Ressource am Arbeitsplatz darstellen. Bei der Konfliktlösung oder auch bei wertschätzendem, respektvollem Feedback und der Kommunikation von Anerkennung werden Leitungskräfte unterstützend erlebt [
10,
19]. Ergänzend können auch weitere Akteure wie private Beziehungen als Ressource zur Bewältigung der Arbeitsaufgaben fungieren [
19]. Die Ergebnisse internationaler Studien verdeutlichen hierbei, dass sich eine hohe soziale Unterstützung am Arbeitsplatz positiv auf die Arbeitszufriedenheit, die Produktivität, die Motivation und das Arbeitsengagement der Beschäftigten auswirken kann [
9,
33,
34,
36,
37]. Im Bereich der Arbeitsumgebung werden für deutsche Inklusionsbetriebe besonders die Berücksichtigung von Arbeitssicherheit sowie die Bereitstellung von Snacks und Getränken in Meetings als Ressourcen am Arbeitsplatz hervorgehoben [
10]. Andere Studien berichten, dass Beschäftigte die Bereitstellung von Arbeitsmitteln sowie die Möglichkeit, die Arbeitsumgebung zu verändern (z. B. den Lärmpegel) oder einen Sitzplatz zu haben, positiv bewerten [
8,
21]. Des Weiteren werden in der Literatur persönliche Ressourcen wie eine arbeitsbezogene Selbstwirksamkeit oder Selbstbewusstsein unterstützend bei der Bewältigung der Arbeitsaufgaben von Beschäftigten mit Behinderungen erlebt [
19].
Auf der anderen Seite zeigen internationale wie auch nationale Forschungsergebnisse, dass derzeit eine geringe Studienlage zu den Arbeitsanforderungen von Beschäftigten mit Behinderungen in Inklusionsbetrieben besteht [
10,
19]. Im Bereich der Arbeitsinhalte werden Beschäftigte mit Behinderungen mit Arbeitsaufgaben konfrontiert, die sie beispielsweise durch vermehrte Einzelarbeit oder sich wiederholenden Aufgaben als beanspruchend erleben [
10]. Im Bereich der Arbeitsorganisation nehmen Beschäftigte, ähnlich wie in anderen Betrieben auf dem ersten Arbeitsmarkt, teilweise eine hohe Arbeitsmenge bzw. Zeitdruck, Herausforderungen in der Zusammenarbeit wie eine ungerechte Verteilung von Arbeit im Team, frühe Arbeitszeiten oder eine unzureichend erlebte Entlohnung belastend wahr [
10,
19]. Weitere Einschränkungen in Betrieben, z. B. durch unvollständige oder schlechte Informationsweitergabe oder Arbeitsunterbrechungen können zudem einen negativen Einfluss auf die Arbeitsleistung von Beschäftigten, ihre Arbeitszufriedenheit und ihre Motivation haben, den Job zu behalten [
9,
36,
37]. Im Bereich der sozialen Beziehungen werden sich in Konflikte einmischende Teammitglieder oder auch der Druck der Leitungskraft, welcher sich entsprechend auf die Beschäftigten überträgt, als Belastungen am Arbeitsplatz berichtet [
10,
19]. Ähnlich wie in anderen Betrieben am ersten Arbeitsmarkt können im Bereich der Arbeitsumgebung je nach Branche ebenfalls eine hohe körperliche Anstrengung, hohe Arbeitstemperaturen oder Lärm am Arbeitsplatz beanspruchend erlebt werden [
10,
19]. Zusätzlich können persönliche Faktoren wie die Symptomschwere der jeweiligen Behinderung oder Selbststigmatisierung die Belastungssituation am Arbeitsplatz negativ beeinflussen [
19]. Während der COVID-19-Pandemie werden zudem weitere Herausforderungen für Beschäftigte mit Behinderungen in Inklusionsbetrieben sichtbar: u. a. der plötzliche Wegfall von Arbeit, Strukturen und sozialen Kontakten, Ängste vor dem Jobverlust, finanzielle Herausforderungen, ein Mangel an Bewegung – sowie eine branchenspezifische Mehrarbeit aufgrund erhöhter Auftragslage [
17].