Kehlkopf-Schrittmacher als Hoffnungsträger bei Stimmlippenlähmung

Während bei einseitigen Stimmlippenlähmungen die Stimme schwächelt, wird es bei beidseitigem Befall kritisch: Dann leidet die Atmung. Auch dafür könnte es aber bald eine technische Lösung geben. Meist bilden sich Stimmlippenlähmungen innerhalb von 4 bis 6 Monaten zurück. Geschieht das nicht, oder bestehen erhebliche Probleme, etwa durch eine Atembehinderung bei beidseitigem Befall, gibt es verschiedene Interventionsmöglichkeiten. Dazu zählen eine breite Palette an Bioimplantaten und möglicherweise auch absehbar ein Kehlkopf-Schrittmacher. Wie Professor Andreas Müller, Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde/Plastische Operationen am SRH Wald-Klinikum Gera, bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des diesjährigen HNO-Kongresses in Aussicht stellte, ist für Ende 2022 eine neue klinische Studie zu einem solchen Schrittmachersystem geplant. Sollten sich Erfolge aus vorangehenden Untersuchungen bestätigen, rechnet er im Anschluss mit einer entsprechenden Zulassung. Schrittmacher steuert Muskeln Der Schrittmacher steuert durch seine Impulse die Kehlkopfmuskeln und erlaubt einen gezielten Wechsel zwischen Atem- und Sprechstellung der Stimmlippen. Damit wäre auch das Problem behoben, dass die herkömmliche Therapie immer einen Kompromiss zwischen der Erleichterung der Atmung und dem Erhalt der Stimme darstellt. In der Regel wird die infolge der beidseitigen Lähmung eingeengte Stimmritze operativ erweitert. Um gut sprechen zu können, ist es aber gerade wichtig, dass sich die Stimmlippen aneinanderlegen können. Bei der wesentlich häufigeren einseitigen Parese weicht die gelähmte Stimmlippe etwas von der Mittellinie ab. Die Stimmlippen können sich nicht annähern und den Kehlkopf zur Gegenseite abdichten. Dadurch gehe während der Stimmbildung Luft verloren, ähnlich wie bei einem Blasebalg oder einem Dudelsack, so Müller. Man kann darauf hoffen, dass sich nach 4 bis 6 Monaten eine Vielzahl der Stimmlippenlähmungen wieder zurückbildet. Professor Andreas Müller, SRH Wald-Klinikum Gera „Die Konsequenz ist, dass bei der Stimmbildung Luft entweicht, man den Satz nicht mehr zu Ende sprechen kann, unterbrechen muss, man leiser ist, die Stimme nicht mehr steigern kann, heiser ist.“ Allein das beeinträchtigt die Lebensqualität und schränkt die Patienten auch beruflich ein. Viel schlimmer ist es bei beidseitiger Lähmung. Müller: „Da verursacht das Dichtstehen der Stimmlippen beim Einatmen ein Atemhindernis und führt zu Luftnot und auch zu Atemgeräuschen.“ Diese träten auch nachts auf und würden von den Lebenspartnern oft als beängstigend wahrgenommen. Oft seien die Betroffenen so wenig belastbar, dass sie nicht mehr arbeiten könnten. Intervention mit Bioimplantaten „Zum Glück bleiben diese Lähmungen in vielen Fällen nicht“, betonte der HNO-Arzt. „Man kann darauf hoffen, dass sich nach 4 bis 6 Monaten eine Vielzahl der Lähmungen wieder zurückbildet.“ Logopädische Übungen können die Selbstheilung fördern. Ansonsten rät Müller zur frühzeitigen Intervention mit Bioimplantaten. Temporäre Bioimplantate, etwa die aus der plastischen Chirurgie bekannten Hyaluronsäure-Filler, lösen sich nach einer Weile wieder auf. „Damit wird nur bewirkt, dass die Stimmlippe aufgespritzt wird und damit wieder dichter schließt, und der Patient sofort eine Verbesserung der Stimme hat.“ Autologe Biomaterialien Bei fortbestehender Lähmung können verschiedene autologe Biomaterialien, etwa Körperfett, injiziert werden oder man kann feste Implantate einsetzen – Stempel, die die Stimmlippe wieder in die richtige Position bewegen. Dazu gehört beispielsweise das bereits auf dem Markt befindliche VOIS (Vocal Implant System), das Müller selbst in einer klinischen Studie getestet hat. Durch die Stempelwirkung hat der Patient unmittelbar einen Nutzen. Lässt die Wirkung nach einigen Jahren nach, muss man nicht erneut operieren, sondern kann ein eingebautes Silikonkissen ultraschallgestützt punktieren und seinen Füllungszustand so anpassen, dass der Patient wieder gut sprechen kann. „Stimmlippenlähmungen gehen auf Funktionsstörungen des Recurrensnerven zurück“, erläuterte Müller. Exakte Zahlen zur Inzidenz gebe es nicht, Schätzungen gingen für Deutschland von etwa 10.000 Neuerkrankungen pro Jahr aus. Die Ursachen reichen von Virusinfekten über Schlaganfälle bis hin zu Verletzungen im Rahmen von Operationen. Vor allem kennt man dies von Eingriffen an der Schilddrüse. Es kommt aber auch bei Operationen an Halswirbelsäule, Gefäßen oder am Herzen vor. „Zum Glück steht heute ein Neuromonitoring zur Verfügung“, sagte Müller. Damit kann der Operateur die Nervenfunktion während des Eingriffs gut überwachen. Quelle: Ärzte Zeitung

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