Lernziele
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können Sie die häufigsten Intoxikationen mit psychotropen Substanzen erkennen.
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ist Ihnen eine Unterscheidung verschiedener Vergiftungen anhand von Toxidromen möglich.
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kennen Sie die wesentlichen klinischen Charakteristika sowie die Wirkungsweise und Pharmakokinetik von psychotropen Substanzen.
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verstehen Sie die Therapiekonzepte der Behandlung von Vergiftungen und Überdosierungen mit psychotropen Substanzen und können diese anwenden.
Hintergrund
Sympathomimetisches Syndrom (heiß und feucht)
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Auslösende Substanzen
| Amphetamine, Ephedrin, Kokain („Upper“), MAO-Hemmer |
Symptome
| Tachykardie, Hypertonie, Tachypnoe, Hyperthermie, Mydriasis, Hyperreflexie; u. U. Kopfschmerzen, Arrhythmien, Myokardischämien Haut feucht und heiß Unruhe, Agitation |
Anticholinerges Syndrom (heiß und trocken)
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Auslösende Substanzen
| Trizyklische Antidepressiva (TAD), H1-Antihistaminika oder Alkaloide der Nachtschattengewächse (Atropin, Scopolamin) |
Symptome
| Tachykardie, Hyperthermie, Tachypnoe, Mydriasis; u. U. Harnverhalt, Darmparalyse, Tremor und Krampfanfälle Haut und Schleimhäute heiß und trocken Agitation, Halluzinationen |
Cholinerges Syndrom (tränend und mit Bauchschmerzen)
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Auslösende Substanzen
| Muskarinhaltige Pilze, wie Inocybe erubescens, Acetylcholinesterasehemmer (Organophosphate wie Dimethoat und Parathion) |
Symptome
| Bradykardie, Miosis, Tränen- und Speichelfluss, Bronchosekretion, unwillkürlicher Harn- und Stuhlabgang, Akkomodationsstörungen Haut feucht |
Sedierend-narkotisches Syndrom (zerebral und kardiopulmonal reduziert)
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Auslösende Substanzen
| Ethanol, Barbiturate, Benzodiazepine und andere benzodiazepinartige Sedativa („Z-drugs“), H1-Antihistaminika, Opiate/Opioide („Downer“) |
Symptome
| Bradykardie, Hypotonie, Bradypnoe, Hypothermie; evtl. Miosis (Opiatvergiftung), Vigilanzminderung bis Koma, evtl. Einstichstellen |
Halluzinogenes Syndrom (delirant und kardiopulmonal aktiviert)
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Auslösende Substanzen
| Cannabis, LSD, Mescalin oder psilocybinhaltige Pilze wie Psilocybe semilanceata |
Symptome
| Delirante Symptomatik, Halluzinationen, Derealisation, Depersonalisation, Wahrnehmungsstörungen, Übelkeit und Erbrechen, evtl. Nystagmus, erhöhter Sympathikotonus |
Serotonerges Syndrom (neuromuskulär und vegetativ aktiviert, delirant)
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Auslösende Substanzen
| SSRI oder MAO-B-Hemmer |
Symptome
| Hyperthermie, Schwitzen, Blutdruckschwankungen, Hyperreflexie, Tremor und Klonien, Krampfanfälle, Agitation, Verwirrtheit, Vigilanzstörungen |
Psychopharmaka
Benzodiazepine
Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie
Klinische Symptomatik
Therapieoptionen
Trizyklische Antidepressiva
Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie
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auf ihrer anticholinergen Wirkung (Hemmung an zentralen und peripheren muskarinischen Acetycholinrezeptoren),
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auf der Hemmung der präsynaptischen Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin,
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auf der Hemmung peripherer α1-Adrenozeptoren,
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auf der Blockierung des schnellen Natriumkanals,
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auf der Blockade von Histamin(H1)-Rezeptoren und
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auf der hemmenden Wirkung am GABAA-Rezeptor im zentralen Nervensystem (ZNS; [6]).
Klinische Symptomatik
Therapieoptionen
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer
Pathophysiologie und Wirkungsmechanismus
Substanz (Beispiele) | Standarddosierung | Halbwertszeit |
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Fluoxetin | 20–60 mg/Tag | 50–70 h/7 Tage |
Venlafaxin | 75 mg/Tag | 5–11 h |
Citalopram | 20–60 mg/Tag | 36 h |
Trazodon | 150–300 mg/Tag | 3–9 h |
Sertralin | 50 mg/Tag | 22–36 h |
Paroxetin | 20–50 mg/Tag | 24 h |
Klinische Symptomatik
Besonderheiten
Therapieoptionen
Klassische Neuroleptika
Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie
Klinische Symptomatik
Therapieoptionen
Atypische Neuroleptika
Wirkmechanismus und Pathophysiologie
Klinische Symptomatik
Therapieoptionen
Missbräuchliche Einnahme psychotroper Substanzen
Sedierende Drogen („Downer“)
Opiate
Cannabis und Cannabinoide
Stimulanzien („Upper“)
Kokain
Amphetamine
Methamphetamin
Amphetaminderivate
Halluzinogene
Phencyclidin
Lysergsäurediethylamid
Biogene Halluzinogene
Substanzen mit vorherrschend halluzinogener Wirkung
Liquid Ecstasy
Ketamin
Schnüffelstoffe bzw. organische Lösungsmittel
Abschließende Bemerkungen
Substanzklasse | Substanzen (Vertreter) | Vergiftungssymptome | Therapieoptionen |
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Benzodiazepine | Diazepam, Oxazepam, Lorazepam, Brotizolam | Koordinationsstörungen, Vigilanzminderung, Koma, Atemdepression | Flumazenil |
Trizyklische Antidepressiva | Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin | Delir, Vigilanzminderung, Koma, Krämpfe, ventrikuläre Arrhythmien (Torsade de Pointes) | Natriumbikarbonatinfusion, Aktivkohle, Intubation bei tiefem Koma |
Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) | Citalopram, Trazodon, Sertralin, Paroxetin | Vigilanzminderung, Koma, Krämpfe, ventrikuläre Arrhythmien (Torsade de Pointes) | Natriumbikarbonatinfusion, Aktivkohle, Intubation bei tiefem Koma |
Klassische Neuroleptika | Chlorpromazin, Thioridazin, Chlorprothixen, Fluphenazin, Hydroxyzin, Mesoridazin, Promethazin, Triflupromazin | Bewusstseinstrübung, extrapyramidalmotorische Störungen, Hyperthermie, Verlängerung der QT-Zeit, komplexe Arrhythmien (Torsades de Pointes) | Flüssigkeitsgabe (0,9 %ige NaCl-Lösung), Elektrolytkorrektur, Natriumbikarbonatinfusionen bei QT-Verlängerung, Noradrenalin bei Hypotonie, bei extrapyramidalmotorischen Symptomen Diphenhydramin, Amantadin, Benzodiazepine oder Propranolol |
Atypische Neuroleptika | Clozapin, Risperidon, Paliperidon, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol | Hypotension, Tachykardien, anticholinerge Symptome (Sehstörungen, Harnverhalten, Obstipation Mundtrockenheit, Bauchschmerzen), Atemdepression, Krämpfe Vigilanzstörungen, Kardiotoxizität | Natriumbikarbonatinfusionen, Aktivkohle, bei Hypotonie: Kristalloide, Noradrenalin, bei schweren anticholinergen Symptomen: Physostigmin, Benzodiazepine bei Agitierten, bei Dystonien: Diphenhydramin, bei maligner neuroleptikainduzierter Hyperthermie: Dantrolen, Bromocriptin, Amantadin und evtl. mechanisch Kühlung |
Sedierende Drogen | Opioide (Morphin, Heroin, Methadon) | Sedierung, Vigilanzminderung, Koma, Atemdepression, seltener generalisierte Krämpfe, Hypotonie Rhabdomyolyse, akutes Nierenversagen, Lungenödem, Infektionen | Naloxon (ggf. repetitiv) symptomatische Therapie: Flüssigkeitsgabe, Sicherung des Atemwegs |
Cannabis Cannabinoide | Moderate Atemdepression und Hypotonie Hypertonie, Tachykardie, Arrhythmien bis zur Asystolie | Symptomatische Therapie | |
Stimulanzien | Kokain | Psychomotorische Unruhe, Agitation, Koma, generalisierte Krämpfe Tachykardie, Hypertonie, Arrhythmien, akutes Koronarsyndrom | Sedierung α-Blocker, Nitrogylzerin (cave: β‑Blocker) symptomatische Therapie: Flüssigkeit, Elektrolyte |
Amphetamin | Sympathomimetisches Toxidrom, Tremor, Hypereflexie, Schwindel, Krampfanfälle Exsikkose, Hyponatriämie | Sedierung (Benzodiazepine) Kühlung, Dantrolen Hydrierung (isoton), ggf. Intensivtherapie | |
Methamphetamin | Wie Amphetamin zusätzlich choreatische generalisierte Krämpfe, ausgeprägte Agitiertheit bis Paranoia, Suizidalität | Sedierung, Kühlung, ggf. Neuroleptika (cave: Erniedrigung der Krampfschwelle und Verlängerung der QT-Zeit), cave: β‑Blocker und depolarisierende Muselrelaxanazien | |
Amphetaminderivate (Ecstasy) | Ähnlich wie Amphetamin, zusätzlich anticholinerge Symptome, Delir, akute Hyponatriämie (Koma, Krämpfe) | Sedierung, Kühlung, ggf. Neuroleptika Hyponatriämietherapie (3 %ige NaCl-Lösung) | |
Halluzinogene | Lysergsäurediethylamid, Phencyclidin | Sympathomimetisches Toxidrom, Panikattacken/Agitation („bad trips“) | Sedierung, Kühlung, symptomatische Therapie |
Pilzextrakte (Magic Mushrooms), Pflanzenextrakte (Engelstrompete) | Oft anticholinerges Toxidrome | Symptomatische Therapie, Physostigmin | |
Primär halluzinogen wirkende Drogen | Liquid Ecstasy | Zerebellare Koordinationsstörungen, Amnesie, Agitation, Koma, Aspiration/Asphyxie, tonisch-klonische Krämpfe, Hypothermie, Bradykardie (besonders in Kombination mit Alkohol) | Symptomatische Therapie, ggf. Sedierung (Agitation) Kreislauftherapie |
Ketamin | Sympathomimetisches Toxidrom, Halluzinationen, Epilepsie metabolische Acidose, Rhabdomyolyse, und Herz-Kreislauf-Stillstand | Symptomatische Therapie, Sicherung der Vitalfunktionen | |
Schnüffelstoffe | Kopfschmerzen, Erbrechen Halluzinationen Vasodilatation, Hypotonie mit Reflextachykardie, Methämoglobinämie In Kombination mit Nitraten Schockgefahr Lokale Verätzungen (Nase, Augen, Atemwege) Bei Ingestion metabolische Acidose, akutes Nierenversagen | Symptomatische Therapie, Sicherung der Vitalfunktionen Methylenblau (Methämoglobin < 20 %) Akutdialyse |
Fazit für die Praxis
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Zu den psychotropen Medikamenten gehören die Psychopharmaka, wie Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer sowie klassische und atypische Neuroleptika. Bei den übrigen psychotropen Wirkstoffen, die üblicherweise missbräuchlich und häufig kombiniert eingenommenen werden, lassen sich Sedativa, Stimulanzien und Halluzinogene unterscheiden.
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Eine Intoxikation mit psychotropen Substanzen tritt akzidentell während einer therapeutischen Einnahme oder eines Substanzabusus auf oder wird vorsätzlich z. B. in suizidaler Absicht herbeigeführt.
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Psychotrope Substanzen zeigen unterschiedliche Wirkweisen und Vergiftungssymptome, die meist symptomatisch und nur selten gezielt behandelt werden. Mögliche Charakteristika sind z. B. kardiale Auffälligkeiten, Kreislaufdestabilisierung, neurologische Störungen, Hyper‑/Hypothermie und Elektrolytentgleisungen. Oft ist ein klinisches Monitoring der Vitalfunktionen notwendig. Teilweise stehen Antidota zur Verfügung.