Sterben Radiologen früher als Psychiater?

Wer als Radiologe bereits vor 1940 ins Berufsleben eingestiegen ist, hatte einer US-Studie zufolge ein zum Teil mehrfach erhöhtes Risiko, infolge der Strahlenbelastung vorzeitig an bestimmten Krankheiten wie Leukämie oder Melanom zu versterben. Hat die berufliche Exposition von Radiologen Einfluss auf ihre Lebenszeit? Leben Psychiater länger? Hat sich ein eventuell erhöhtes Risiko im Lauf der Jahre verringert? Diesen Fragen sind Amy Berrington de González vom US-amerikanischen National Cancer Institute in Bethesda und Kollegen nachgegangen. Mithilfe von American Medical Association Physician Masterfile, Sozialversicherungsdatenbanken und Sterberegister erfassten sie die Daten von 43.763 Radiologen und 64.990 Psychiatern, die ihre medizinische Ausbildung zwischen 1916 und 2006 abgeschlossen hatten. 4260 männliche Radiologen und 7815 männliche Psychiater waren im Untersuchungszeitraum zwischen 1979 und 2008 verstorben. Die Zahl von 208 verstorbenen weiblichen Radiologen hielt einer detaillierten statistischen Analyse nicht stand. Insgesamt wurden Angehörige beider Facharztrichtungen älter als die Allgemeinbevölkerung (standardisierte Mortalitätsraten Radiologen: 0,47 bzw. Psychiater: 0,52). Beim direkten Vergleich der beiden Berufsgruppen war die Sterblichkeit bei männlichen Radiologen sogar noch um 6 % geringer als bei männlichen Psychiatern. Das Mortalitätsrisiko infolge Krebserkrankungen allgemein ergab keine nennenswerten Unterschiede. Bei näherer Betrachtung der Todesursachen zeigte sich im Vergleich zu den Psychiatern bei den Radiologen über alle Altersgruppen hinweg allerdings ein erhöhtes Sterberisiko für myeloische Leukämien (relatives Risiko, RR 1,43), allen voran die akute myeloische Leukämie und/oder myelodysplastische Syndrome mit einem Risikoplus von 62 %. Ganz besonders häufig waren Radiologen betroffen, die ihren Abschluss vor 1940 gemacht hatten (RR 4,68). Auch die Sterberisiken für Melanome (RR 8,75), Non-Hodgkin-Lymphome (NHL, RR 2,69) und zerebrovaskuläre Krankheiten (RR 1,49) waren bei Röntgenärzten dieser Altersgruppe im Vergleich mit den Psychiatern deutlich höher. Kein erhöhtes Krebstodrisiko ließ sich dagegen bei denjenigen erkennen, die nach 1940 ins Berufsleben eingestiegen waren. Dafür starben die Jüngeren beispielsweise häufiger an chronischen Lebererkrankungen. Erhöhtes Risiko nur bei Berufseinsteigern vor 1940 Die außerordentlich hohe spezifische Mortalität infolge einer akuten myeloischen Leukämie oder eines myelodysplastischen Syndroms, die Radiologen traf, die ihren Abschluss vor 1940 gemacht hatten, hänge wahrscheinlich mit der beruflichen Strahlenexposition zusammen, die zu diesen Zeiten am höchsten war, so Berrington de Gonzáles und Kollegen. Auch bei Melanom, NHL und zerebrovaskulären Erkrankungen sei ein kausaler Zusammenhang möglich. Überraschend, so die Autoren, waren die Ergebnisse vor allem im Hinblick auf die Todesraten infolge von Melanomen und NHL, von denen man zuvor nicht angenommen hatte, dass sie durch ionisierende Strahlen beeinflussbar seien. Klärung hierzu müssten weitere Studien bringen. Seit die ältesten Radiologen tätig waren, zeichnen sich enorme Verbesserungen hinsichtlich Strahlenschutz und Überwachung ab. Auch die zulässige Maximaldosis wurde im Laufe der Jahre gesenkt. Zudem wird die praktische radiologische Tätigkeit bis auf einige nuklearmedizinische Untersuchungen und die Fluoroskopie mehr und mehr von Assistenzpersonal übernommen. So ist die mittlere jährliche Strahlenbelastung für Radiologen in Großbritannien von 5 mGy im Jahr 1964 auf 0,5 mGy im Jahr 1984 gesunken. Für die heutige Ärztegeneration scheint sie, abgesehen von speziellen Einsatzbereichen, wie etwa bei routinemäßigen fluoroskopischen Interventionen, hinsichtlich des Krebsrisikos keine Rolle mehr zu spielen.

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