Die Patienten wurden nach Randomisierung entweder mit einer roboterassistierten Prostatektomie (favorisiert, nicht obligat) oder mit einer stereotaktischen Bestrahlung (SBRT) mit 5 × 7,25 Gy behandelt. Der koprimäre Endpunkt (nach Amendment) war die Kombination aus zwei von Patienten berichteten funktionellen Parametern („patient-reported outcome“ [PRO]), nämlich Inkontinenzrate (gemessen an der Zahl der Vorlagen pro Tag) und Darmfunktion. Die Hypothese war, dass die Anzahl von Patienten, die nach 2 Jahren noch Vorlagen (Pads) benutzen, etwa 4 % nach SBRT beträgt (Normalwert der Altersgruppe) vs. 15 % nach Op.
Die 123 randomisierten Patienten wurden in acht Zentren in Großbritannien behandelt und in der Intention-to-treat-Analyse ausgewertet. Das mediane Alter war 65 Jahre (59 bis 69 Jahre), der mediane prätherapeutische PSA-Wert war 7,8 ng/ml, und 95 % der Patienten waren in der Intermediate-risk-Gruppe (nach NCCN-Kriterien). 50 Patienten erhielten als Therapie eine Prostatektomie, davon 42 (84 %) mit dem OP-Roboter, 8 laparoskopisch ohne Roboter. 60 Patienten wurden mit SBRT behandelt, davon 45 (75 %) mit roboterassistierter Radiotherapie. 50 Patienten (83 %) hatten „fiducials“. Alle beendeten die Therapie planmäßig mit 5 Fraktionen.
Nach zwei Jahren benutzten 16/32 (50 %) der Patienten mit Prostatektomie Vorlagen (15 davon eine Vorlage pro Tag, einer drei und mehr Vorlagen), während bei den mit SBRT behandelten Patienten nur 3/46 (6,5 %) Vorlagen benutzten (2 davon eine Vorlage pro Tag, einer zwei Vorlagen). Der Inkontinenzscore (auf einer Skala von 0 = völlige Inkontinenz bis 100 = keine Inkontinenz) betrug im Median 77,3 nach Prostatektomie versus 100 nach SBRT (p = 0,003). Bezüglich obstruktiver Symptome war der IPSS nach Prostatektomie etwas günstiger als nach SBRT, aber die IPSS-bezogene Lebensqualität war nicht unterschiedlich. Bei den von Patienten berichteten Darmbeschwerden schnitt die Strahlentherapie etwa schlechter ab mit einem Medianwert (auf der Skala von 0 bis 100) von 100 nach Op. versus 87,5 nach SBRT (p < 0,001). Bezüglich der von Ärzten bewerten GI-Toxizität (nach CTCAE) bestanden allerdings keine Unterschiede, und es wurde keine GI-Toxizität ≥ Grad 2 nach 2 Jahren beobachtet. Dagegen fand sich ein deutlicher Vorteil der SBRT bei der von Patienten berichteten Sexualfunktion mit Medianwerten von 18 nach Op. versus 62,5 nach SBRT.
Kommentar
Die Publikation dieser Studie ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für die Strahlentherapie! Jeder Radioonkologe, der Patienten mit Prostatakarzinom berät oder in urologischen Tumorboards aktiv ist, sollte diese Daten kennen und gegebenenfalls auch Details parat haben. Wir sollten diese Daten darüber hinaus bei jeder Gelegenheit nutzen, um den Fortschritt der Strahlentherapie in der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Wir haben diesbezüglich nämlich ein relevantes Image-Problem: Der (angebliche) Fortschritt in der Op.-Technik wird in der allgemeinen Presse oft thematisiert (z. B. [
8]) trotz gegenteiliger Evidenz (in randomisierten Studien mit onkologischen Indikationen schneiden robotergestützte Operationen bisher nämlich sehr bescheiden ab ohne signifikante Vorteile in praktisch allen Endpunkten). Der demgegenüber enorme Fortschritt der Strahlentherapie wird dagegen (gefühlt) kaum wahrgenommen. Der Wert der PACE-A-Studie geht deshalb weit über das Thema Prostatakarzinom hinaus. Der Studienleiter, Nicholas van As aus London, hat „seine“ Studie in Vorträgen auch als „The battle of the robots“ bezeichnet, und diesen Kampf der Robotik und technischen Innovation gewinnt ganz eindeutig die Strahlentherapie.
Zu den konkreten Aspekten, die man bei der Diskussion der Studie berücksichtigen muss:
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Das ist die erste randomisierte Studie mit direktem Vergleich von modernen Techniken.
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Es zeigte sich ein deutlicher Vorteil der SBRT gegenüber roboterassistierter (laparoskopischer) Prostatektomie im Hinblick auf Kontinenz und Sexualfunktion. Das ist nicht neu, aber das Ausmaß ist beeindruckend. In der SBRT-Gruppe betrug die Rate von Patienten, die Vorlagen benutzen, 6 % nach zwei Jahren; das entsprach ziemlich genau dem erwarteten Wert, und das ist der Normwert dieser Altersgruppe, d. h., die SBRT verursacht „null“ zusätzliche Inkontinenz. Es bestand zwar ein signifikanter Nachteil der SBRT in Bezug auf die Darmfunktion, allerdings war der absolute Unterschied gering, und es zeigten sich in beiden Therapiegruppen Werte auf sehr hohem Niveau.
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Die hohe Rate an Inkontinenz bzw. Gebrauch von Pads nach Prostatektomie ist überraschend, und sie war deutlich höher als erwartet und höher als in der ProtecT-Studie. Daraus kann man folgern, dass die roboterassistierte Op. gegenüber historischen Techniken in diesem Punkt keinen Vorteil bringt.
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Die Darmfunktion nach SBRT war in dieser Studie schlechter als in der PACE-B-Studie trotz identischer SBRT (Medianwert 87,5 in PACE A vs. 100 in PACE B). Die Autoren halten es für denkbar, dass ein negativer Effekt der SBRT in PACE A möglicherweise überschätzt wird und objektiv eher geringer ist.
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Als Stärken der Studie listen die Autoren das Design (randomisiert, multizentrisch) und den Einsatz moderner zeitgemäßer Techniken auf. Als Schwächen der Studie sehen sie den vorzeitigen Rekrutierungsstopp mit daraus resultierender geringer Fallzahl und die teilweise fehlenden PRO-Daten nach 2 Jahren (u. a. wegen COVID-Pandemie).
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Zusammenfassend stellen die Autoren der Studie fest: Kontinenz und Sexualfunktion sind für Patienten die „Treiber“ bei der Entscheidung für eine Therapie, und die SBRT ist in diesen Punkten überlegen.
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Für die Praxis wichtig sind die Daten von PACE A in der Synopsis mit den bereits publizierten Daten von PACE B. In PACE B wurde die Gleichwertigkeit von SBRT und hypo- bzw. normfraktionierter IMRT nachgewiesen [
9]. Indirekt kann man also folgern, dass die in PACE A beobachteten Vorteile gegenüber der Prostatektomie nicht nur für die SBRT bestehen, sondern auch für die „normale“ Strahlentherapie.
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Lesenswert ist auch das Editorial der renommierten Urologen Graefen (Martini-Klinik) und Bossi. Als Limitationen der PACE-A-Studie werden hier die geringe Fallzahl, die verhältnismäßig hohe Inkontinenzrate (im Vergleich zu Kohortenstudien) sowie die Änderung und Wahl des primären Endpunkts im Studienverlauf angeführt. Auch die chirurgische Qualität, insbesondere hinsichtlich des Nervenerhalts und der Potenz, wird hinterfragt.
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Als Radioonkologe sollte man in der Diskussion mit anderen Disziplinen unbedingt noch erwähnen, dass die hier verwendete SBRT noch lange nicht das Ende der Fahnenstange bezüglich technischer Innovationen darstellt. Im Gegensatz zur Op. (da tut sich aus unserer Sicht nicht viel; „virtual reality“ oder „augmented reality“ werden die offensichtlichen Nachteile der Op. sicher nicht ausräumen) sind bei der Strahlentherapie weitere Verbesserungen schon demnächst zu erwarten. Die randomisierte MIRAGE-Studie hat kürzlich gezeigt, dass eine tägliche bildgeführte Positionierungskontrolle mit MRT gegenüber der Cone-beam-CT weitere „drastische“ (Originalton der Autoren, 2 mm) Reduktionen der Margins bei SBRT von Prostatakarzinomen erlaubt und dass dies zu einer weiteren Reduktion der akuten Toxizität führt [
7]. Diese ersten Daten muss man zwar noch kritisch sehen, aber sie deuten auf mögliche Potenziale der modernen Bildgebung hin. Für die adaptive Radiotherapie gibt es noch keine Daten, aber wer diese Technik im Klinikalltag bereits nutzt, ist sicher beeindruckt.
Fazit
Diese Studie hilft enorm und wird hoffentlich dazu beitragen, dass die Radiotherapie eindeutig als Therapieoption der ersten Wahl beim lokalisierten Prostatakarzinom (und nicht nur da) eingestuft und anerkannt wird. Die Studie zeigt darüber hinaus, wohin uns die Entwicklung führen wird: mehr Technik, kürzere Behandlungszeiten, mehr Komfort für den Patienten. Auch da gilt: 5 Fraktionen sind nicht das Ende der Fahnenstange.
David Krug, Hamburg
Oliver Blanck und Jürgen Dunst, Kiel
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