Kommentar
In bisherigen Studien (GETUG, TROG, RADICALS) wurde im adjuvanten Setting nach PVE bereits der Vergleich bezüglich Effektivität und Sicherheit einer adjuvanten Radiotherapie vs. Observation mit ggf. Salvage-RT untersucht. Auf Grundlage der drei randomisierten, prospektiven Studien hat sich die frühe Salvage-Radiotherapie im Rezidiv gegen die adjuvante Bestrahlung durchgesetzt, was dem Vorgehen nach RADICALS-Studie entspricht [
2].
Nach wie vor gibt es keine eindeutigen Empfehlungen bezüglich der Einbeziehung von Lymphknoten in die Salvage-Bestrahlungen, im Englischen „whole pelvic radiotherapy“ (WPRT). Schon 2018 zeigten Pollack et al. mit dieser Behandlungsmodalität eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens im Rahmen der SPPORT-Studie. Das Follow-up wurde fortgeführt, um die Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen besser abbilden zu können. In der Studie wurde erstmalig die Salvage-Bestrahlung inklusive Erfassung der pelvinen Lymphknoten plus ADT prospektiv untersucht, angelehnt wurde das Design an die RTOG-9413-Studie, in der eine primäre WPRT mit neoadjuvanter AHT das PFS verlängerte, wenn auch nicht effektiver als in der Gruppe mit alleiniger Bestrahlung der Loge und adjuvanter AHT für 2 Jahre [
3].
Die Studienqualität scheint gesichert. 87 % der Patienten erhielten in der SPPORT-Studie eine IMRT und die Bestrahlungsdaten und Pläne zeigten bei zentraler Prüfung eine hohe Protokolltreue. Eine Besonderheit ist die Anwendung der Phönix-Kriterien (Therapieversagen bei PSA > 2 ng/ml über Nadir) auch beim PSA-Rezidiv nach PVE. Die Autoren begründen dies im Vergleich zu niedrigeren Schwellen (gebräuchlich 0,4 oder 0,5 ng/ml) mit der besseren Korrelation zu klinischen Endpunkten.
Die beste Rate an progressionsfreiem Überleben nach fünf Jahren erreichte in der SPPORT-Studie der Studienarm mit Erweiterung des Bestrahlungsfelds um das Gebiet der pelvinen Lymphknoten mit zusätzlicher (neoadjuvanter) Kurzzeit-ADT. Anhand der Follow-up-Daten mit einer Nachbeobachtungszeit von 8 Jahren zeigt sich vergleichend zwischen Gruppe 2 (PBRT + ADT) und Gruppe 3 (PBRT + PLNRT + ADT) ein Rückgang der Signifikanz von p < 0,00027 (PFS 81,3 % vs. 87,4 %; 5 Jahre) auf p < 0,048 (PFS 71,8 % vs. 76,9 %; 8 Jahre), womit ein gewisser Rückgang des Effekts in größerem Zeitabstand abgebildet wird.
Die Bestrahlung der Prostataloge erfolgte hier im Median mit 68,4 Gy (ED 1,8 Gy). Bei Vorgabe der Bestrahlungsdosis von 64,8 bis 70,2 Gy berufen sich die Untersucher auf einen positiven Dose-response-Effekt unter Dosiseskalation [
4]. Dem gegenüber stehen Daten der zweiarmigen SAKK-09/10-Studie, in der sich die Behandlungsarme mit 64 Gy oder 70 Gy (ED 2 Gy) nicht in progressionsfreiem Überleben unterschieden [
5]. Allerdings war die SAKK-Studie gepowert für ein Low-risk-Patientengut mit kleinem High-risk-Kollektiv, wohingegen in einer Studie aus Peking von Qi et al. ein positiver Effekt für die Dosiseskalation mit 72 Gy bei Gleason 8+ gezeigt wurde [
6]. Zumindest in der Low-risk-Gruppe ist eine weitere (konventionelle) Dosiseskalation im Tumorbett fraglich.
Eine weitere Überlegung in diesem Setting ist die gezielte hoch dosierte/hypofraktionierte Bestrahlung an Prostata oder Lymphknoten. Für eine hypofraktionierte Bestrahlung der Prostata spricht die Beziehung der α/β-Werte von Zielstruktur und umliegender Gewebe bei α/β-Werten der Prostatatumoren von 1,5 Gy und umliegender Organe wie Urethra, Blase oder Rektum von 3 bis 6 Gy. Gründe, die gegen die Hypofraktionierung sprechen, sind eine mögliche Steigerung der Nebenwirkungen, insbesondere an neurovaskulärem Bündel (sofern verblieben) und vesikourethraler Anastomose. Daten zur stereotaktischen Salvage-Bestrahlung sind derzeit noch unterrepräsentiert, zumal die Qualität der Daten noch nicht für eine richtungsweisende Aussage ausreicht [
7].
Da durch die Bestrahlung der Lymphknoten mit 45 Gy eine gesteigerte Rate an progressionsfreiem Überleben erlangt wird, die aber langfristig tendenziell an Effekt zu verlieren scheint, ist zu erwägen, dass die applizierte Dosis teilweise keinen nachhaltigen Effekt auf befallene Lymphknotenstationen hat. Das Staging vor Studieneinschluss umfasste entsprechend dem Rekrutierungszeitraum ein CT von Abdomen/Becken und eine Tc-99m-Skelettszintigraphie, die Methode der PSMA-PET-CT war zu dieser Zeit nicht ausreichend etabliert. Damit sind die heutigen Möglichkeiten zur Anpassung von Dosis (SIB) und Zielvolumen [
8] sowie zur Stratifizierung von Risikogruppen [
9] nicht eingegangen. Ein Einbeziehen der PSMA-Diagnostik könnte ein nächster Schritt zur Verbesserung der Salvage-Therapie sein. Für eine Kurzzeitandrogenblockade liefern die Daten der SPPORT-Studie und der vorhandenen übrigen Studien jedoch Unterstützung, da die absolute Senkung der Progressionsrate die Notwendigkeit einer intensiveren AHT bei Sekundärprogress signifikant reduziert. Möglicherweise ist es ein valider Behandlungsansatz, zumindest den Lymphabfluss erst im Falle eines erneuten Rezidivs nach PET-Bildgebung intensiviert zu bestrahlen.
Fazit
Sowohl die Kurzzeit-ADT als auch (in geringerem Maße) die RT der pelvinen regionalen Lymphknoten verbessern die Progressionsfreiheit bei Salvage-RT wegen PSA-Anstieg. Für Patienten bedeutet dies zwar keinen Überlebensvorteil, aber eine wesentlich längere therapiefreie Zeit bis zur nächsten Salvage-Therapie. Diese Vorteile sind gegen die leicht erhöhte Rate an Nebenwirkungen abzuwägen. Die aktuelle S3-Leitlinie von Oktober 2021 empfiehlt, dass Patienten mit Indikation zur Salvage-RT bei einem PSA > 0,7 ng/ml eine zusätzliche ADT angeboten werden soll. Die SPPORT-Studie bestätigt letztendlich diese Empfehlung und liefert weitere Informationen, die für eine Beratung der Patienten im Sinne eines „shared decision-making“ hilfreich sind. Offen bleibt allerdings weiterhin die Frage, welche Bedeutung das Staging mittels PSMA-PET in der Primär- und Rezidivdiagnostik für die Therapieentscheidung bei Salvage-RT hat.
Felix Grabenbauer, Michael Flentje, Würzburg
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