53-mal pro Tag geht der Griff zum Smartphone

Jugendliche verbringen im Schnitt täglich dreieinhalb Stunden online. Süchtig sind dennoch die wenigsten. Entscheidend dafür ist, wie sehr andere Aktivitäten darunter leiden. Das Fernsehen hat längst Konkurrenz bekommen: Vor allem jüngere Menschen starren lieber auf Computer- und Smartphone-Monitore als in die Glotze. 80% der 12- bis 19-Jährigen verbringen täglich dreieinhalb Stunden mit Nachrichtenverschicken und -empfangen, Onlinespielen oder mit sozialen Netzen – Tendenz weiter steigend. Etwa 40% der Zeit wird nach aktuellen Resultaten der Studie JIM (Jugend, Information, Multimedia) für Kommunikation aufgewandt, 20% für Spiele, 26% für Musik und Videos. Nur jede siebte Onlineminute dient der Informationssuche, erläuterte Professor Falk Kiefer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Praktisch alle Jugendlichen haben ein Handy (98%), meist ein Smartphone (92%), drei Viertel besitzen ein Laptop oder einen Computer, neun von zehn können mit solchen Geräten von ihrem Zimmer aus ins Internet. Zugang zu einer gedruckten Tageszeitung hat dagegen nur jeder Zweite. Insgesamt nutzte 2015 mehr als die Hälfte aller Bundesbürger täglich das Internet, dabei entsperrte jeder Handybesitzer im Schnitt 53-mal sein Smartphone. „Es gibt hier noch keine Normen“ Trotz dieser intensiven Nutzung von Onlinemedien lasse sich kaum sagen, was normal ist und was nicht. „Es gibt hier noch keine Normen“, so Kiefer beim DGPPN-Kongress in Berlin. Die Nutzungsdauer würde mit der Verbreitung neuer Techniken steigen, und vieles davon sei ja im Alltag hilfreich. Von einem pathologischen Verhalten sei erst auszugehen, wenn die Onlinenutzer Hobbys, Beruf- und Ausbildung sowie soziale Kontakte vernachlässigten und dysfunktional würden: „Etwa jemand, der die halbe Nacht vor dem Rechner sitzt, obwohl er weiß, dass er sein Verhalten ändern muss. Stundenangaben allein sind hier wenig aussagekräftig.“ Nach Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2011 gelten in Deutschland aufgrund solcher Kriterien rund 4% aller 14- bis 16-Jährigen als onlinesüchtig, bei Mädchen ist der Anteil mit knapp 5% sogar höher als bei Jungs (3%). Bei jedem siebten Jugendlichen wird immerhin ein problematischer Konsum angenommen. Am häufigsten beschäftigen sich die abhängigen Internetnutzer mit Onlinespielen (24%) und sozialen Netzwerken (17%). Letztlich, so Kiefer, sei die Digitalisierung eine wichtige gesellschaftliche Entwicklung, es gehe hier also nicht um Abstinenz, sondern um einen achtsamen Umgang mit dem Internet. Der Suchtexperte rät besorgten Eltern und solchen, die sich über Online-Anwendungen sowie deren Altersfreigabe informieren wollen, zur EU-Initiative „Klicksafe“ (www.klicksafe.de). Pünktlich zur Weihnachtszeit gibt es dort auch Hintergrundinfos zum Thema „Digitale Weihnachtsgeschenke für Kinder“. basierend auf: Falk Kiefer, Mannheim. Internetsucht: Wie viel „online“ ist noch normal? Pressekonferenz III: Durchtrainiert, selbstoptimiert und ständig online – wenn der moderne Lifestyle uns krank macht. Kongress der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 23.–26. November.

Springer Medizin

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