Wie war der junge Mann, der bei frostigen Außentemperaturen leblos in der Einfahrt gelegen hatte, verstorben? Am Fundort wurde eine Limoflasche mit obskurem Inhalt sichergestellt. Was es damit auf sich hatte, zeigte die chemisch-toxikologische Analyse.
In einer klirrend kalten Winternacht wird ein junger Mann leblos in der Einfahrt zu seinem Wohnhaus gefunden. Dem herbeigerufenen Rettungsteam gelingt es zunächst, ihn zu reanimieren. In der Klinik wird – wenig überraschend – eine massive Unterkühlung mit einer Körperkerntemperatur von 29,9°C gemessen. Kurz darauf setzt die Herztätigkeit erneut aus. Der Versuch, einen stabilen Kreislauf zu bekommen, scheitert und der 20-Jährige verstirbt noch in der Nacht, etwa zwei Stunden nach Auffinden. Den Rettern war noch aufgefallen, dass der Mann eine Zitronenlimoflasche mit merkwürdig dunkellila Inhalt bei sich hatte.
Untersuchung auf Blutalkohol negativ
Für den forensischen Toxikologen Dr. rer. nat. Maximilian Methling vom Institut für Rechtsmedizin der Charité barg diese Flasche einen wichtigen Hinweis. Bei der Obduktion hatte sein Team zunächst einmal nicht die bei Unterkühlungsopfern typischen Wischnewski-Flecken nachweisen können. Laut Methling zeigten sich am Körper des Verstorbenen lediglich „unspezifische Zeichen eines plötzlichen Todes“, nämlich eine akute Blutstauung der inneren Organe, ein Lungenödem, eine Hirnschwellung und eine vergrößerte Milz. Aber warum war der junge Mann direkt vor seinem Haus bewusstlos geworden? Durch die frostigen Außentemperaturen allein ließ sich der Tod nicht erklären, auch wenn das Thermometer in dieser Nacht auf –10°C gefallen war. Eine Untersuchung auf Blutalkohol verlief negativ.
Codein und Promethazin in toxischer Dosis
Höchst interessant waren dagegen die weiteren Ergebnisse aus der Toxikologie: Im Schenkelvenenblut fanden sich toxische Konzentrationen von Codein und Alprazolam sowie potenziell letale Konzentrationen von Promethazin, einem Antipsychotikum aus der Gruppe der Phenothiazine. Wie eine Haaranalyse bestätigte, hatte der Verstorbene diese Substanzen zu Lebzeiten wohl häufig konsumiert, und auch der Partydroge MDMA (bekannt als „Ecstasy“) sowie Kokain hatte er in letzter Zeit zugesprochen.
Die Befunde führten die Rechtsmediziner nun wieder zu der Flasche mit dem obskuren Inhalt, die man neben dem bewusstlosen Mann gefunden hatte. Dabei konnte es sich nur um ein Gebräu handeln, das in der Drogenszene als „Purple Drank“ oder „Dirty Sprite” bekannt ist: ein Gemisch aus codeinhaltigem Hustensaft, Promethazin und Zitronenlimo. Die seltsame Farbe stammte laut Methling von dem dunklen Hustensaft. Die Kombination löse beim Konsumenten Euphorie, eine „als positiv empfundene Betäubung“ sowie eine deutliche Beeinträchtigung der Motorik aus. Bei Überdosierung habe der Trank eine ZNS-dämpfende Wirkung, dabei könne es zu schweren Beeinträchtigungen kognitiver und psychomotorischer Funktionen kommen.
„Vigilanzgemindert dem Frost ausgesetzt“
Bei dem in der Hauseinfahrt Verstorbenen geht das Team um Methling davon aus, dass er durch die massive Bewusstseinseintrübung „hilflos und vigilanzgemindert den frostigen Außentemperaturen ausgesetzt“ gewesen war. Der Tod sei dann letztlich durch Unterkühlung eingetreten.
Der Forensiker wies noch darauf hin, dass die Zutaten für das potenziell tödliche Gebräu in Deutschland zwar (bis auf die Limo natürlich) verschreibungspflichtig sind, in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA jedoch völlig legal in der Apotheke bezogen werden können.
Basierend auf: Vortrag von Maximilian Methling, 100. Internationale Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, 13.–16.09.2021 in München