13.01.2017 | Suizid | Originalien
Todesfälle durch Propofolmissbrauch
Befragung in rechtsmedizinischen Instituten in Deutschland, Österreich und der Schweiz
verfasst von:
Prof. Dr. C. Maier, J. Iwunna, M. Tsokos, F. Mußhoff
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 2/2017
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Zusammenfassung
Angaben zur hohen Letalität der Propofolabhängigkeit medizinisch Tätiger beruhten bisher auf Befragungen Dritter oder auf Kasuistiken. Daher wurden in 48 rechtsmedizinischen deutschsprachigen Instituten (Deutschland, Österreich, Schweiz) die Zahlen der Obduktionen von verstorbenen Ärzten oder medizinisch Tätigen erfragt, die unter dem Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch im Zeitraum 2002–2012 durchgeführt worden waren. In 16 der antwortenden 32 Abteilungen (Rücklaufquote 67 %) waren 39 Todesfälle bekannt (27 Männer), alle mit vorherigem Kontakt zu Anästhesie, Intensiv- oder Rettungsmedizin (22 Ärzte, 13 Pflegende, 2 sonstige, 2 unbekannt). Haupttodesursache war in einem Fall eine Monoopioidintoxikation, in 33 Fällen (85 %) Propofol (P), das auch von 11 der 14 Obduzierten mit bestätigtem chronischen Abusus verwendet wurde. Acht Fälle (7 unter P) wurden als nichtintendierter Unfalltod, 29 als Suizid (P: 24) bewertet. Bei 14 Fällen (P: 11) wurde ein Abusus verneint, aber nur 2‑mal toxikologisch ausgeschlossen. In 11 Fällen mit Suizid wurde die Frage eines Abusus überhaupt nicht geprüft. Diese Zahlen belegen die zentrale Rolle von Propofol für letal verlaufende Abhängigkeitserkrankungen und Suizide bei Anästhesisten und in diesem Arbeitsbereich Tätigen. Eine duale Präventionsstrategie mit niedrigschwelligen Angeboten für Gefährdete und Strategien zur Frühentdeckung wie z. B. Abgabekontrollen ist dringend erforderlich, ebenso eine Verbesserung der rechtsmedizinischen Dokumentation und der Einsatz toxikologischer Untersuchungen in jedem Verdachtsfall.