Diagnosen in der Videosprechstunde allermeist korrekt

Im Vergleich zur später erhobenen Diagnose im direkten Arzt-Patienten-Kontakt haben sich vorher in Videosprechstunden gestellte Diagnosen in einer Studie weit überwiegend als zutreffend erwiesen. Einige Punkte gilt es aber zu beachten. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Coronapandemie hat geradezu einen Boom der Telemedizin ausgelöst, Videosprechstunden haben sich dabei mit Blick auf die Infektionsgefahr als risikoarme Variante zum Besuch in der Arztpraxis etabliert. Wie es dabei um die diagnostische Korrektheit steht, hat ein Team um Bart Demaerschalk von der Mayo Clinic in Phoenix untersucht. Demaerschalk und sein Kollegium nahmen für ihre Studie Krankenakten von knapp 2400 Patientinnen (57,7%) und Patienten der Mayo Clinic, 37 bis 64 Jahre alt, mit einem neu aufgetretenen klinischen Problem ins Visier, die nach einer Videodiagnose binnen 90 Tagen persönlich bei ihren Ärzten erschienen waren. Dort wurde den Patienten von zwei unabhängigen Begutachtern, welche die ursprüngliche Diagnose nicht kannten, eine Referenzdiagnose gestellt. Insgesamt betrachtet stimmten die Diagnosen in 86,9% der Fälle überein. Es gab allerdings Unterschiede. Handelte es sich um Probleme mit Ohren oder Mastoid, betrug die Konkordanz 64,7%, ging es um Neoplasmen, stimmten Video- und persönliche Diagnose in 96,8% der Fälle überein. Unterschiede gab es zwischen den Fachdisziplinen. Radio- und Hämatoonkologen erzielten eine Konkordanz von 100% – hatten es aber möglicherweise mit bereits ausgiebig voruntersuchten Patienten zu tun –, während die HNO-Medizin bei 77,3% verharrte. Eine hohe Quote mit 96,0% erreichte auch die Psychiatrie. Spezialdisziplinen schneiden besser ab als Allgemeinmedizin Spezialdisziplinen schnitten mit durchschnittlich 88,4% übereinstimmender Diagnosen besser ab als die Allgemeinmedizin mit 81,3%. Dieser signifikante Unterschied erwies sich als resistent gegenüber dem Einfluss von Faktoren wie Geschlecht, ärztliche Erfahrung, Konsultationsdauer, Patiententyp (pädiatrisch oder erwachsen). Ein weiterer Faktor, der gegen Einflussfaktoren immun blieb, war das Alter: Nahm es um zehn Jahre zu, sank die Übereinstimmung zwischen Video und persönlichem Kontakt um 9%. In den 13,1% nicht konkordanter Diagnosen sahen Demaerschalk und Mitarbeiter in 53,0% der Fälle das Potenzial für einen gesundheitsschädlichen Effekt, in 21,7% hatte sich dieses Potenzial verwirklicht. 9,6% der nicht konkordanten Diagnosen trugen das Risiko in sich, dass die Betroffenen sterben könnten – und tatsächlich waren innerhalb des 90-Tages-Intervalls drei Todesfälle zu verzeichnen, was 10% der Patienten dieser Gruppe betraf. Im Verlauf von weiteren sechs Monaten starben 31 Patienten der Kohorte, sechs davon hatten nicht konkordante Diagnosen erhalten. In fünf dieser sechs Fälle urteilten die Gutachter, dass der Tod nichts mit der Videokonsultation zu tun hatte bzw. der Tod auch nicht durch sofortigen persönlichen Arztkontakt hätte vermieden werden können. Als eines der hervorstechendsten Ergebnisse ihrer Studie bezeichnen Demaerschalk et al. die Diskrepanz in der Übereinstimmung der Diagnosen von Videosprechstunde und persönlichem Kontakt zwischen Spezialisten- und Allgemeinmedizin. Dies sei gerade durch jene Fälle unterstrichen worden, die zu Morbidität oder Mortalität geführt hätten. Die Forscher verweisen darauf, dass die Konkordanz dort, wo körperliche Untersuchungen, neurologische Tests oder pathologische Befundung nötig sind, signifikant niedriger liegt. „Wo solche spezifischen klinischen Umstände vorliegen, gehen sie mit niedrigerer diagnostischer Übereinstimmung einher, und solche Patienten profitieren womöglich von einer baldigen persönlichen Nachuntersuchung.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut stimmen Diagnosen in Videosprechstunden und im persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt überein? Antwort: Im Allgemeinen ist die Übereinstimmung gut. Es kommt aber auf die Beschwerden und die Fachdisziplin an, insgesamt ist die Übereinstimmung in der Allgemeinmedizin niedriger als in den Spezialdisziplinen. Bedeutung: Wo körperliche Untersuchungen, neurologische Tests oder pathologische Befundung nötig sind, profitieren die Patienten vermutlich von einer baldigen persönlichen Nachuntersuchung nach dem Videokontakt. Einschränkung: Es handelte sich um ein selektioniertes Patientengut, das potenziell nicht repräsentativ für die Telemedizin ist.

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