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Open Access 13.05.2022 | Alopezie | Übersichten

Tinea capitis bei Kindern – ein buntes Krankheitsbild

verfasst von: Dr. med. Katharina Antonia Drerup, Prof. Dr. med. Jochen Brasch

Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde

Zusammenfassung

Bei der Tinea capitis (TC) handelt es sich um eine Infektion der behaarten Kopfhaut durch Dermatophyten, ganz überwiegend durch anthropophile und zoophile Arten. Hauptsächlich sind Kinder betroffen. Die Inzidenz der TC nimmt in Deutschland aktuell aufgrund verschiedener Ursachen zu, wie z. B. der Migrationsbewegung aus Afrika und Reisen. Auch das Erregerspektrum verändert sich. Da das klinische Bild einer TC sehr unterschiedlich sein kann, sind initiale Fehldiagnosen häufig. Um diagnostische Irrtümer und unwirksame Therapieversuche zu vermeiden, sollten Pädiater:innen mit allen Aspekten der TC vertraut sein. Dazu werden die Klinik sowie die Erreger der TC erläutert; des Weiteren werden die Diagnostik sowie leitliniengerechte Therapie der TC dargestellt. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Verhinderung von Reinfektionen oder Infektionen anderer Kinder erklärt.
Hinweise

Redaktion

Berthold Koletzko, München
Thomas Lücke, Bochum
Ertan Mayatepek, Düsseldorf
Norbert Wagner, Aachen
Stefan Wirth, Wuppertal
Fred Zepp, Mainz
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Tinea capitis – im Kindesalter relevant

Die Tinea capitis (TC) tritt überwiegend im Kindesalter auf und ist eine durch Dermatophyten (eine Gruppe sehr eng verwandter keratinophiler Fadenpilze aus der Familie der Arthrodermataceae) hervorgerufene Mykose (Pilzinfektion) der behaarten Kopfhaut. Sie tritt insbesondere bei Kindern zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr auf, während Erwachsene, Säuglinge und Neugeborene selten betroffen sind [10, 20]. Die weltweite Inzidenz ist nicht genau bekannt. Auf dem afrikanischen Kontinent sind Infektionen häufiger; allerdings spielt die TC auch in Deutschland eine Rolle. Hier nimmt die Inzidenz aktuell aufgrund verschiedener Ursachen zu. Dazu gehören die Migration aus Afrika und Reisen in Länder mit endemischen Krankheitserregern [2]. Auch die vermehrte Durchseuchung von (bei Kindern als Haustiere beliebten) Nagetieren mit bestimmten Erregern hat zu einem Anstieg geführt [1, 9]. Ob der in der Coronapandemie beobachtete vermehrte Erwerb von Haustieren zum Inzidenzanstieg beiträgt, ist bisher nur zu vermuten. Gute Bedingungen für Mäuse führten in den Jahren 2019 und 2020 zum Anstieg der TC durch T. quinckeanum [5]. Sebumtriglyzeride, die eine fungistatische Wirkung haben, tragen dazu bei, dass eine TC nach der Pubertät, seltener auftritt [5]. Da sich die TC klinisch sehr unterschiedlich manifestieren kann, wird sie häufig initial fehldiagnostiziert. Im Folgenden werden die wichtigsten in der Praxis für Pädiater:innen erforderlichen aktuellen Kenntnisse zur TC wiedergegeben.

Häufigste Erreger der Tinea capitis

Zu den in Deutschland bei TC gängigen Dermatophytenarten zählen v. a. Arten aus den Gattungen Trichophyton (T.), Microsporum (M.) und Nannizzia (N.). Es handelt sich bei der TC fast immer um zoophile oder anthropophile Erreger (Tab. 1). Zoophile Erreger werden primär von Tieren auf Menschen und anthropophile Erreger von Mensch zu Mensch übertragen. Am häufigsten wird bei TC in Europa der zoophile M. canis nachgewiesen. Sein Hauptreservoir sind Katzen (endemisch bei streunenden Katzen in Südeuropa), aber auch Hunde, Pferde und Kaninchen. Die übertragenden Tiere können dabei gesund erscheinen. Auch indirekte Übertragungen von Mensch zu Mensch oder durch Gegenstände sind möglich [10, 14, 20, 21, 23]. Weitere zoophile Erreger der TC sind T. mentagrophytes und T. verrucosum. Auf dem Vormarsch ist T. benhamiae. Sein Reservoir sind kleine Nager, v. a. Meerschweinchen. Eine Studie aus Berlin aus dem Jahr 2017 zeigte in Proben von Meerschweinchen aus Berliner Zoohandlungen einen Befall mit T. benhamiae in 93 % der Fälle [9].
Tab. 1
Dermatophyten bei Tinea capitis. Zoophile Spezies (mit den wichtigsten Wirtstieren) und anthropophile Spezies
Zoophile Dermatophyten (mit Wirtstieren)
Anthropophile Dermatophyten
M. canis (v. a. Katze; Hund, Pferd)
M. audouinii
T. benhamiae (Nagetiere)
T. soudanense
T. mentragrophytes (Nagetiere)
T. violaceum
T. quinckeanum (Katze, Hund als Zwischenwirt)
T. tonsurans
T. verrucosum (Kalb)
T. schoenleinii
Im Jahr 2020 erlebte der „Mäusefavus“ eine Renaissance: Hierbei handelt es sich um eine durch T. quinckeanum ausgelöste TC. Eine retrospektive Analyse aus Jena zeigte, dass sich dort das Vorkommen von T. quinckeanum als Erreger in den Jahren von 2015 bis 2020 verfünffacht hat. Das vermehrte Auftreten von Feldmäusen insbesondere in den Jahren 2019 und 2020 wird damit in Zusammenhang gebracht, da diese Mäuse von Katzen und Hunden gejagt wurden, welche wiederum als Zwischenvektoren für den Erreger fungiert haben [5].
Auch einige anthropophile Spezies zeigen bei der TC einen stetigen Anstieg in Europa. Hierzu zählen v. a. M. audouinii, T. tonsurans, T. violaceum und T. soudanense (Tab. 1). Insbesondere die Migration aus Afrika, einem Endemiegebiet dieser Erreger, scheint hier ursächlich zu sein. Neuere Untersuchungen zeigen, dass T. tonsurans sich nicht nur aufgrund der Migration verbreitet, sondern auch unter Kampfsportlern durch innigen Körperkontakt, z. B. beim Ringkampf [10, 13, 18].

Heterogene Klinik und besondere Befallsmuster

Dermatophyten dringen bei Trichomykosen vom Stratum corneum (Hornschicht) in die Haarfollikel bis zur Zone der Keratinisierung der Haare (Adamson-Quaste) vor. Es kommt nur in der Wachstumsphase zu Befall von Haaren (den Anagenhaaren). Mit deren Längenwachstum kommt es zur Freisetzung und Verbreitung von Sporen. Die Klinik der TC ist abhängig vom Erreger und der Immunantwort des Wirtes: Sie reicht von wenig entzündlichen Veränderungen mit pityriasiformer (kleieförmiger) Schuppung bis zu tief infiltrierenden und abszedierenden Infektionen (Kerion). Anhand der mikroskopisch erkennbaren Form und Anordnung der Sporen am oder im Haar ergeben sich Hinweise auf die Erregerart; die Klinik hingegen erlaubt selten eine sichere Zuordnung.
Man unterscheidet am Haar eine ektotriche Infektion, wobei der Pilz überwiegend in Form von Arthrosporen an der Oberfläche des Haarschaftes anhaftet, von einer endotrichen Infektion, bei der der Erreger im Haarschaft Sporen bei intakter Kutikula bildet. Eine ektotriche Infektionsform verursachen typischerweise M. canis und M. audouinii (kleine Sporen, „Mikrosporie“) sowie T. mentagrophytes und T. verrucosum (große Sporen). Die Abb. 1 zeigt den Hinterkopf eines 4‑jährigen Jungen, der aus Nigeria stammt und vor 2 Jahren nach Deutschland migrierte. Es hat sich ein fluktuierender Nodus mit einzelnen Krusten gebildet, begleitet von Haarverlust, ausgelöst durch M. audouinii. Anthropophile Erreger (insbesondere T. tonsurans, T. violaceum, T. soudanense) sind meistens ursächlich für eine endotriche Infektion des Haares. Das Haar ist mit Sporen angefüllt und aufgrund der Trichomalazie (Aufweichung, Stauchung und Dissoziation der Haarschaftanteile) als kleiner schwarzer Punkt in der Follikelöffnung erkennbar. Aufgrund der Lage der Sporen im Haarschaft sind Endothrix-Infektionen durch anthropophile Erreger oft wenig immunogen. Die Kopfhaut zeigt bei fehlender/geringer Rötung häufig nur eine pityriasiforme Schuppung. Dies kann zu einem kaum symptomatischen Überträgerstatus führen, der für die Ausbreitung der Infektion auf andere Personen bedeutsam sein kann. Die Abb. 2a zeigt das Kapillitium eines 4‑jährigen äthiopischen Mädchens, das vor 2 Jahren nach Deutschland migrierte. Bereits bei Ankunft bestand eine wenig entzündliche pityriasiforme Schuppung mit einzelnen haarlosen Arealen. Es wurde T. violaceum als Erreger identifiziert (Abb. 2b). Die Abb. 3 zeigt den Kopf eines Jungen, der wenige Wochen zuvor parietal eine fein schuppende erythematöse Plaque entwickelt hatte, begleitet von Haarausfall. Bei der Anamnese stellte sich heraus, dass der Junge ein Meerschweinchen als Haustier hält. Es wurde T. benhamiae nachgewiesen. Bei Eindringen der Dermatophyten in tiefere Haarfollikelbereiche kommt es zu follikulären Pusteln und z. T. massiver eitriger Sekretion, manchmal begleitet von Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Lymphadenopathie, was häufig als bakterielle Infektion fehlgedeutet wird. Eine scheibenförmige Ausprägung mit starker eitriger Sekretion (wie „Honig aus einer Wabe“) wird als Kerion (griechisch Honigwabe) Celsi bezeichnet, meist ausgelöst durch zoophile Dermatophyten wie T. verrucosum, T. mentagrophytes oder T. benhamiae [10, 17]. Entzündliche Ausprägungen von Endothrix-Infektionen, v. a. durch T. tonsurans oder T. violaceum, wurden zuletzt auch in urbanen Regionen beobachtet [16]. Der Nachweis von T. rubrum – eigentlich der häufigste Verursacher einer Tinea in Deutschland – als Erreger einer TC ist höchst ungewöhnlich, dennoch werden Einzelfälle beobachtet [8]. Die Abb. 4 zeigt ein 6‑jähriges Mädchen mit einer akut aufgetretenen stark entzündlichen Plaque, bedingt durch T. rubrum.
M. audouinii oder M. canis können eine nichtabszedierende, tiefe Follikulitis verursachen, die fast ohne Entzündung bleibt. Dies wird als Mikrosporie bezeichnet, die fast nur präpubertäre Kinder betrifft. Klinisch zeigen sich kreisrunde Herde (einzeln, multipel oder konfluierend) mit glanzlosen kurzen abgebrochenen Haaren, die wirken, als wären sie mit Mehl bestäubt. Die Kopfhaut ist dabei wenig entzündet (Abb. 5). Mikroskopisch zeigen sich bei den Haarstümpfen massenhaft kleine Sporen (Durchmesser 2–3 μm), die den Haarschaft umgeben, was der Erkrankung den Namen Mikrosporie verleiht. Diese Form der TC ist besonders kontagiös.
In der Regel kommt es nach einer TC bei adäquater Therapie zum Nachwachsen der Haare. Bei einer TC profunda oder einem Favus (T. schoenleinii) ist jedoch eine dauerhafte narbige Zerstörung der Haarfollikel möglich, insbesondere bei insuffizienter Therapie. Unangemessene chirurgische Interventionen (unter der Fehldiagnose eines bakteriellen Abszesses) können ebenfalls bleibende Schäden verursachen.

Wichtige Differenzialdiagnosen

Wichtige Differenzialdiagnosen einer TC sind bakterielle Abszesse und Follikulitiden. Die unter diesen Diagnosen häufig undifferenziert eingesetzten Antibiotika oder Abszessspaltungen bleiben bei einer TC unwirksam und können den Schaden sogar vergrößern. Daher sollte bei purulenten Hautveränderungen am Kapillitium immer auch an eine TC gedacht werden. Auch zur Abgrenzung von Kopfhautekzemen, Trichotillomanie, Alopecia areata, Lichen planus etc. kann eine mykologische Diagnostik erforderlich sein. Dabei ist zu bedenken, dass auch bei einer TC ein bakterieller Abstrich positiv sein kann – was leicht zu Fehlschlüssen führt.

Anamnese und Diagnostik

Eine Anamnese mit der Frage nach Haustieren, Reisen oder weiteren betroffenen Personen im Familien- und im Bekanntenkreis ist obligat, um das Krankheitsbild einzuordnen und ggf. weitere Infektionen im Haushalt/Reinfektionen zu vermeiden.
Bei Verdacht auf eine TC sollte eine Inspektion der gesamten Haut auf weitere Manifestationen einer Dermatophytose einschließlich einer Onychomykose erfolgen.
Bei verfügbarer Wood-Lampe ist die Untersuchung der Kopfhaut mit diesem UV-Licht sehr nützlich. M. canis zeigt z. B. im Wood-Licht eine giftgrüne Fluoreszenz. Diese Untersuchung ist einfach durchzuführen, findet aber eher in der dermatologischen Praxis Anwendung. Dies gilt auch für die Trichoskopie. Hierbei handelt es sich um die Dermatoskopie der Kopfhaut, mit der sich diagnostisch nützliche Merkmale (z. B. „black dots“ in den Follikelöffnungen bei endotrichem Befall der Haare) erkennen lassen, die allein jedoch nicht spezifisch sind [12].
Bei allen unklaren abszedierenden, schuppenden oder vernarbenden Hautveränderungen am Kapillitium sollte unmittelbar Material für eine mykologische Diagnostik entnommen werden. Diese Diagnostik ist einfach und schnell durchführbar, kostet wenig und hilft, folgenschwere Therapiefehler zu vermeiden. Wichtig ist, dass genug Material an der richtigen Stelle gewonnen wird. So sollten bei Verdacht auf eine Tinea capitis mindestens 20 Haarstümpfe, insbesondere bei tiefen follikulären Trichophytien mitsamt Wurzeln, vom Rand einer möglichst frischen, unbehandelten Läsion entnommen werden. Die Epilation derart befallener Haare mit einer Pinzette ist nicht schmerzhaft, da sie nur noch locker im Follikel haften. Auch bei der Entnahme von ebenfalls geeigneten Schuppen sollte darauf geachtet werden, dass eine genügende Menge aus dem Randbereich der Läsion abgeschabt wird, da Dermatophyten ein zentrifugales Wachstum aufweisen. Eine vorausgehende Desinfektion der Entnahmefläche ist nicht notwendig, da dem Nährboden im Labor Antibiotika zugefügt sind. Das gewonnene Material sollte ohne weitere Behandlung trocken in einem sterilen Röhrchen an ein mykologisches Labor geschickt werden, mit den üblichen klinischen Angaben und der gezielten Anforderung, nach Dermatophyten zu fahnden. Wer selbst über ein Mikroskop verfügt, kann außerdem sofort in der Praxis ein Nativpräparat anfertigen (s. unten) und bereits nach 20 min auf Pilze untersuchen – schnell, billig und sehr hilfreich. Um zu beurteilen, ob eine endo- oder ektotriche Infektion vorliegt, kann ggf. eher eine Beurteilung erforderlich sein, bevor das Haar durch die Kalilauge aufgelöst ist.
Bei vermuteter tiefer Trichophytie kann eine histologische Untersuchung mit einer „Periodic-acid“-Schiff(PAS)-Färbung hilfreich sein, v. a. bei negativem Nativpräparat.
In einem mykologischen Labor werden in der Regel folgende Untersuchungen durchgeführt:
  • Nativpräparat:
    Dem Material wird auf einem Objektträger Kalilauge (15–20 %) zugegeben; nach ca. 10–20 min lassen sich im positiven Fall im aufgeweichten Schuppen‑/Haarmaterial Hyphen und/oder Sporen erkennen (Abb. 6).
  • Alternativ: fluoreszenzoptisches Präparat:
    Das Material wird mit einem Fluoreszenzfarbstoff für Pilzzellen gefärbt und unter einem Fluoreszenzmikroskop beurteilt. Auch diese Untersuchung dauert nur 20 min.
  • Kultur:
    Das Material wird auf spezielle mykologische Nährböden inokuliert. Bei positivem Befund ist hier je nach Erreger die Kultur nach 2 bis 6 Wochen zu beurteilen.
  • Ggf. Polymerase-Kettenreaktion (PCR):
    Aus dem Material wird die DNA extrahiert und eine PCR durchgeführt. Das Ergebnis steht in der Regel nach 2 bis 3 Tagen zur Verfügung.
Ein Nativpräparat kann, je nach Verteilung des Erregers im Material, auch bei einer Mykose einmal negativ sein. Auch die Kultur kann aus den gleichen Gründen oder aufgrund einer antimykotischen Vortherapie negativ bleiben. Besteht klinisch jedoch kein Zweifel an der Diagnose einer TC, sollte dennoch umgehend eine Behandlung begonnen werden, um wertvolle Zeit zu sparen.
Die Bestimmung der ursächlichen Dermatophytenart ist wichtig, da sich für zoophile und anthropophile sowie für endo- und ektotriche Infektionen andere Konsequenzen für Therapie und Umgebungssanierung ergeben (Tab. 2).
Tab. 2
Erregerspektrum und empfohlenes Antimykotikum mit Dosisempfehlung [3, 6]
Erreger
Antimykotikum
Dosis
T. mentagrophytes, T. benhamiae, T. tonsurans, T. violaceum und andere Trichophyton-Spezies
Terbinafin
Körpergewicht (KG) < 20 kg 62,5 mg einmal tägl.
KG 21–40 kg 125 mg einmal tägl.
KG > 40 kg 250 mg einmal tägl.
M. canis, M. audouinii, M. ferrugineum
Itraconazol
5 mg/kgKG einmal tägl. mit der Hauptmahlzeit oder bei KG < 20 kg 50 mg/Tag; bei KG > 20 kg 100 mg/Tag
M. canis, M. audouinii, M. ferrugineum, N. gypsea
Griseofulvin
20 mg/kgKG, in ein bis 2 Einzeldosen tägl. mit der Hauptmahlzeit

Wie erfolgt die Behandlung?

Folgende Behandlungsziele gelten entsprechend der Leitlinie „Tinea capitis“ [11]:
  • klinische und insbesondere mykologische Heilung (negatives Nativpräparat und negative Kultur) – möglichst rasch und verträglich,
  • Symptomlinderung,
  • Vermeidung bleibenden Haarverlustes,
  • Verhinderung weiterer Infektionen/Unterbrechung von Infektionsketten.
Eine TC muss immer systemisch und topisch behandelt werden.

Topische Behandlung

Anwendung antimykotischer Shampoos/Cremes für 2 bis 4 Wochen 2‑mal/Woche am gesamten Kapillitium. Wirksam sind z. B. ketoconazol-, clotrimazol- oder ciclopiroxolaminhaltige Externa.

Systemische Behandlung

Je nach Erreger kommen v. a. Terbinafin und Itraconazol für die Behandlung der TC zum Einsatz. Auch Griseofulvin wird gelegentlich verwendet (Tab. 2).

Terbinafin

Terbinafin hemmt über die Ergosterolsynthese die Zellwandsynthese der Dermatophyten. Es zählt zu den Allylamin-Antimykotika und wirkt in höherer Konzentration fungizid. Es ist gegenüber Trichophyton-Spezies wirksamer als gegenüber Microsporum-Spezies. Terbinafin ist in Deutschland nicht für die Behandlung der TC von Kindern zugelassen. Es handelt sich um einen „off label use“, der das Einverständnis der Eltern erfordert [4]. Allerdings wird Terbinafin seit vielen Jahren erfolgreich bei Kindern verwendet.
Der Wirkstoff ist nur in Tablettenform erhältlich und wird körpergewichtsadaptiert dosiert (Tab. 2). Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Geschmacksstörungen, gastrointestinale (GIT-)Nebenwirkungen und Hepatotoxizität. Bezüglich des Monitorings, insbesondere der Transaminasen, unter der Therapie gibt es keinen finalen Konsens. Bei jungen Patient:innen ohne Risikofaktoren für eine Hepatotoxizität kann auf laborchemische Kontrollen verzichtet werden. Bestehen Risikofaktoren, sollte vor Therapiebeginn sowie 2 bis 4 Wochen danach ein Monitoring erfolgen – danach kann dies weiter angepasst an die entsprechenden Ergebnisse durchgeführt werden [7, 15, 19].
Die Behandlungsdauer beträgt in der Regel bei Trichophyton-Spezies 4 Wochen, bei Microsporum-Spezies 8 bis 12 Wochen [3, 6].

Itraconazol

Auch Itraconazol hemmt die Ergosterolsynthese der Dermatophyten, ist aber ein Azol und wirkt überwiegend fungistatisch. Es wirkt sowohl gegenüber Microsporum-Spezies als auch gegenüber Trichophyton-Spezies. Auch Itraconazol ist nicht für die Behandlung von Kindern zugelassen und wird somit in einem (ebenfalls langjährig erprobten) „off label use“ eingesetzt. Die Dosierung erfolgt körpergewichtsadaptiert (Tab. 2). Vorteilhaft ist zudem, dass Itraconazol auch als Suspension erhältlich ist. Die Suspension sollte nüchtern eine Stunde vor der Nahrungsaufnahme eingenommen werden. Eine Lagerung der Suspension im Kühlschrank vermindert den bitteren Geschmack. Nebenwirkungen der Therapie sind GIT-Beschwerden sowie Arzneimittelwechselwirkungen, da Azole über Zytochromenzyme der Leber verstoffwechselt werden. Die Behandlungsdauer beträgt bei Trichophyton-Spezies 4 Wochen, während sie bei Microsporum-Spezies in der Regel 6 Wochen beträgt [3, 6, 11]. Das Monitoring sollte ebenso wie unter Terbinafin durchgeführt werden [7, 11, 15, 19].

Griseofulvin

Dieses Medikament ist, obwohl für Kinder zugelassen, in Deutschland nicht mehr erhältlich, kann aber über die internationale Apotheke bezogen werden. Es wirkt fungistatisch und wird körpergewichtsadaptiert in 2 Einzeldosen verabreicht [11]. Es ist v. a. bei M.-canis-Infektionen eine gut wirksame Alternative; hier beträgt die Behandlungsdauer ca. 8 bis 12 Wochen. Bei Infektionen mit Trichophyton-Spezies beträgt die Dauer ca. 6 bis 8 Wochen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen GIT-Beschwerden und Kopfschmerzen. Da es u. a. die Zellteilung in der Metaphase hemmt, sollten Männer 6 Monate nach Einnahme kein Kind zeugen.

Behandelt wird immer bis zur mykologischen Heilung

Behandelt wird zunächst systemisch und topisch für 4 Wochen. Nach dieser Zeit sollte eine Materialentnahme (Haare/Schuppen) für eine erneute mykologische Diagnostik erfolgen. Die systemische Therapie wird unterbrochen; nur die Lokaltherapie wird fortgeführt. Ist die Kultur weiterhin positiv, wird die systemische Behandlung erneut für 2 Wochen aufgenommen und das oben genannte Prozedere wiederholt. Behandelt wird so lange, bis die Erregernachweise negative Ergebnisse zeigen – dies wird als mykologische Heilung bezeichnet [11].

Weitere Maßnahmen

Zoophile Erreger

Essenziell ist die Frage nach Haustieren. Gegebenenfalls müssen diese veterinärmedizinisch untersucht und behandelt werden. Da Haustiere asymptomatische Überträger sein können, ist eine veterinärmedizinische Vorstellung in jedem Fall sinnvoll. Für Hunde, Pferde und Katzen gibt es eine Impfung gegen T. verrucosum, T. mentagrophytes, T. equinum, M. canis und N. gypsea. Diese schützt nicht zu 100 % vor einer Übertragung, verringert aber Erkrankungsschwere und -risiko der Tiere.

Anthropophile Erreger

Übertragende Menschen müssen selbstverständlich sachgerecht behandelt werden. Weitere Kontaktpersonen müssen je nach Situation ebenfalls untersucht werden [22]. Sind mehrere Personen betroffen, kann eine Meldung an das Gesundheitsamt gemäß dem Infektionsschutzgesetz hilfreich sein, um Infektionsketten zu unterbrechen. Die Empfehlung ist allerdings nicht eindeutig formuliert. § 34 Abs. 9 des Infektionsschutzgesetzes lautet: „Wenn in Gemeinschaftseinrichtungen betreute Personen Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht, kann die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen anordnen.“ Allerdings sind Dermatophyten nicht explizit genannt.
Sporen von Dermatophyten können in der Umwelt lange infektionsfähig bleiben. Eine gründliche Sanierung der Haushalte und kontaminierter Gegenstände (z. B. Wäsche, Plüschtiere, Kopfbedeckungen, Bürsten, Handtücher, Bettwäsche) ist daher dringend durchzuführen. Eine 60°-Wäsche mit Detergens ist in der Regel ausreichend.
Der Schul‑/Kindergartenbesuch ist nach Start der Therapie wieder möglich – außer bei anthropophilen Erregern: Hier wird eine einwöchige Karenz empfohlen [11].

Fazit für die Praxis

  • Die TC tritt überwiegend im Kindesalter auf; das klinische Bild ist vielgestaltig.
  • Bei Abszessen, Schuppen und Haarverlust am Kopf sollte immer an eine TC gedacht und mykologisch untersucht werden.
  • Eine TC wird erregerabhängig und immer systemisch und topisch behandelt.
  • Die systemische Anwendung von Terbinafin und Itraconazol im Kindesalter erfolgt zwar „off label“, ist aber sehr gut erprobt.
  • Behandelt wird immer bis zur mykologischen Heilung.
  • Für die obligate Sanierung von Ansteckungsquellen (übertragende Menschen oder Tiere) und die Umgebungssanierung ist die Erregeridentifikation wegweisend, um gezielt vorzugehen.

Danksagung

Frau M. Baumgärtel sei für ihre exzellente fotografische Dokumentation der Patienten und Kulturen gedankt.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K.A. Drerup und J. Brasch geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor:innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
17.
Zurück zum Zitat Salas-Ocampo O, Gómez-Sáenz A, Álvarez-Cabalceta H (2020) Tinea capitis due to Trichophyton mentagrophytes: two case reports in Guanacaste and Puntarenas, Costa Rica. Dermatologia Rev Mex 64(1):75–79 Salas-Ocampo O, Gómez-Sáenz A, Álvarez-Cabalceta H (2020) Tinea capitis due to Trichophyton mentagrophytes: two case reports in Guanacaste and Puntarenas, Costa Rica. Dermatologia Rev Mex 64(1):75–79
22.
Zurück zum Zitat White JM, Higgins EM, Fuller LC (2007) Screening for asymptomatic carriage of Trichophyton tonsurans in household contacts of patients with tinea capitis: results of 209 patients from South London. J Eur Acad Dermatol Venereol 21:1061–1064CrossRef White JM, Higgins EM, Fuller LC (2007) Screening for asymptomatic carriage of Trichophyton tonsurans in household contacts of patients with tinea capitis: results of 209 patients from South London. J Eur Acad Dermatol Venereol 21:1061–1064CrossRef
Metadaten
Titel
Tinea capitis bei Kindern – ein buntes Krankheitsbild
verfasst von
Dr. med. Katharina Antonia Drerup
Prof. Dr. med. Jochen Brasch
Publikationsdatum
13.05.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Monatsschrift Kinderheilkunde
Print ISSN: 0026-9298
Elektronische ISSN: 1433-0474
DOI
https://doi.org/10.1007/s00112-022-01496-7

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