Tinnitus-Retraining lohnt sich kaum

Die Tinnitus-Retraining-Therapie bessert Beschwerden und Lebensqualität von Tinnituspatienten nicht stärker als eine Standardberatung, so das Resultat einer kontrollierten Studie. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Schätzungsweise ein halbes Prozent der Bevölkerung leidet so stark an Tinnitus, dass ein normales Leben kaum noch möglich ist, berichten Gesundheitsforscher um Dr. Roberta Scherer von der Johns Hopkins School of Public Health in Baltimore, USA. Bisher können Ärzte solchen Patienten wenig anbieten. Eine kognitive Verhaltenstherapie scheint die Lebensqualität bestimmter Patienten etwas zu verbessern, dagegen zielt die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) zum einen auf Verhaltensänderungen, zum andere auf eine apparative Maskierung der Ohrgeräusche mit Hörgeräten und Breitband-Rauschgeneratoren. Die Erkrankung wird in diesem Modell vor allem als Wahrnehmungsstörung verstanden. Ob die inzwischen häufig angewandte und international beachtete TRT jedoch über eine spezifische Wirksamkeit verfügt, sei bislang nicht ausreichend geprüft worden, so die Experten um Scherer. In einer randomisiert-kontrollierten Studie kommen sie zu dem Schluss, dass dies wohl nicht der Fall ist. Die TRT zeigte dabei keinen Vorteil gegenüber einer aktiven Kontrollgruppe mit allgemeiner Beratung: In allen Gruppen gingen die Beschwerden ähnlich stark zurück, auch besserte sich die Lebensqualität in ähnlichem Ausmaß. Keine signifikanten Unterschiede Für ihre „Tinnitus Retraining Therapy Trial“ (TRTT) konnten die Forscher um Scherer 151 aktive und pensionierte US-Militärangehörige gewinnen. Alle mussten seit mindestens einem Jahr moderat bis stark unter Tinnitus leiden, ohne dass sich die Ohrgeräusche medizinisch erklären ließen. Alle hatten zudem ein weitgehend normales Hörvermögen. Die Forscher ordneten die Teilnehmer drei Gruppen zu: Ein Drittel erhielt die komplette TRT mit Tinnitus-spezifischer Beratung und Geräuschmaskierung, ein Drittel nur die TRT-Beratung plus Placebo-Geräuschtherapie, das verbleibende Drittel eine Standardbehandlung. Alle TRT-Patienten bekamen einen Geräuschgenerator, den sie tagsüber möglichst häufig und lange tragen sollten, in der Placebogruppe wurden die Geräusche über die ersten 40 Minuten langsam heruntergedimmt. Während der Tinnitusberatung vermittelten die Therapeuten Wissen über Entstehung der Erkrankung, hinterfragten Befürchtungen und Fehlinformationen und formulierten Ziele wie Ablenkung, Förderung des Wohlbefindens und „Vergessen“ der Ohrgeräusche. In der Kontrollgruppe klärten die Therapeuten über den Umgang mit den Symptomen auf sowie über negative Verhaltensweisen, etwa eine übermäßige Beschäftigung mit den Symptomen. Zudem rieten sie, geräuschvolle Umgebungen aufzusuchen. Die Teilnehmer waren im Schnitt 51 Jahre alt und litten im Median seit über acht Jahren an den Geräuschen. Im Mittel betrugen die Werte im Tinnitus Questionnaire (TQ) Score 55 Punkte. Die Bandbreite der Skala reicht von 0 bis maximal 102 Punkte bei schwerster Ausprägung. In der Kontrollgruppe sank der Wert im Laufe von 18 Monaten um 16,5 Punkte, in der Gruppe mit kompletter TRT um 18,2 Punkte. Am stärksten profitierten jedoch Patienten mit TRT-Beratung und Placebo-Geräuschgenerator (minus 19,0 Punkte), letztlich ergaben sich aber keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Dies war auch nicht der Fall, wenn die Forscher um Scherer Subgruppen des TQ oder andere Symptomskalen auswerteten, etwa solche zu emotionalem Stress, Schlafstörungen oder Hörproblemen. Verbesserungen bei der Hälfte Wurde der Anteil der Patienten betrachtet, der anhand diverser Skalen eine klinisch bedeutsame Verbesserung erzielte, so schnitten diejenigen mit TRT-Beratung plus Placebogenerator numerisch meist am besten ab. Immerhin schien etwa die Hälfte aller Patienten signifikant von den Interventionen zu profitieren – bei ihnen zeigten sich klinisch relevante Verbesserungen, allerdings weitgehend unabhängig von der Art der Intervention. Eine Schlussfolgerung wird deutlich: Die Behandlung mit einem Geräuschgenerator scheint überflüssig zu sein, es genügt wohl, wenn sich die Betroffenen in einer gewissen Geräuschkulisse bewegen, geben die Forscher um Scherer zu bedenken. Ansonsten ist eine gute Allgemeinberatung von Vorteil – die TRT scheint darüber hinaus keinen Nutzen zu haben. Frage: Ist die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) wirksamer als eine allgemeine Tinnitusberatung? Antwort: In einer Studie mit US-Militärangehörigen war die TRT nicht wirksamer. Bedeutung: Entscheidend bleibt eine gute Beratung zum Umgang mit den Symptomen. Einschränkung: Nur Militärangehörige mit normalem Hörvermögen beteiligt. Empfehlung der Redaktion Tinnitus – Themenseite Tinnitus kann vielfältige Ursachen haben. Betroffene nehmen ein Klingeln, Rauschen, Pfeifen oder Brummen wahr und empfinden das Ohrgeräusch häufig als quälend. Diese Themenseite dreht sich um Ursachen, Diagnostik und Therapie.

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