Invasive kortikale Tinnitustherapie

Da zunehmend die zentralen Reaktionen besonders in Bezug auf die tatsächliche Belastung des Patienten durch den Tinnitus erforscht werden, liegen Versuche nahe, diese Effekte durch eine direkte Stimulation des Kortex zu beeinflussen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus Maastricht zeigt mögliche therapeutische Perspektiven durch die „Deep brain stimulation“ auf, bei der ein elektrischer Impulsgeber („Gehirnschrittmacher“) in Hirnstrukturen implantiert wird. Die Therapie hat sich zur symptomatischen Behandlung bei ansonsten therapieresistenten M. Parkinson bewährt und soll jetzt bezüglich einer Einsatzmöglichkeit bei Tinnitus geprüft werden. Grundlage sind Überlegungen, dass bei Tinnituspatienten Anregungszonen in allerdings sehr unterschiedlich Hirnarealen gefunden wurden, diese müssten dann individuell angesteuert werden [1]. Anatomisch und chirurgisch scheint eine gezielte Implantation von Elektroden machbar, wenn es therapeutisch bei Tinnitus sinnvoll wäre [2]. In einer doppelblind, placebokontrollierten und randomisierten Cross-over Studie wurde in Bordeaux 9 Patienten mit stark belastendem, einseitigem Tinnitus eine Elektrode in Allgemeinnarkose in den auditorischen Kortex implantiert [3].Diese Elektrode wurde mit einem in der Pektoralisregion eingesetzten Stimulator verbunden. HNO Update 2015 in Mainz Vom 20. bis 21. November 2015 findet in Mainz in der Rheingoldhalle das HNO Update 2015 statt. Das Programm bietet auch in diesem Jahr wieder alle wichtigen Themen der HNO-Heilkunde, die von ausgewiesenen Experten kompakt und praxisnah vorgestellt werden. Das Seminar ist mit 16 CME-Punkten zertifiziert. Anmeldung: www.hno-update.com/anmeldung Programm: www.hno-update.com/programm Die Patienten wurden 4 Monate lang biphasisch stimuliert, dann wurden sie randomisiert in zwei Gruppen und entweder placebo- oder wirklich stimuliert. Danach wurde nach einer "Auswaschphase" cross-over erneut stimuliert. Therapieerfolge wurden wurden mit dem Fragebogen (strukturiertes Tinnitus-Interview - STI) gemessen. Ein Patient musste wegen schwerer psychischer Dekompensation explantiert werden, drei wurden nach dem Studienende explantiert, während fünf noch für weitere 3 Jahre stimuliert wurden. Während der offenen Phase verbesserten sich fünf Patienten, zwei Patienten verschlechterten sich. In der sich anschließenden kontrollierten Phase wurden ebenfalls Verbesserungen gesehen, allerdings sowohl in der Placebo- als auch der direkt stimulierten Gruppe. Nebenwirkungen traten bei keinem Patienten auf, insbesondere keine Hörveränderungen. Vorsymposium HNO interaktiv in Mainz Wann? 19. November 2015, 18.00 - 21.00 Uhr Wo? Rheingoldhalle Mainz, Gutenbergsaal Leitung & Moderation: Heinrich Iro, Erlangen und Jochen A. Werner, Essen Was? Vorstellung interessanter Fallbeispiele TED-Abstimmungen: Wie würden Sie entscheiden? Klinische Highlights im Bild HNO interaktiv ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert Für HNO-Update-Teilnehmer ist HNO interaktiv kostenfrei, ansonsten gilt eine Teilnahmegebühr von 50 Euro. Gesonderte Anmeldung ist wegen begrenzter Teilnehmerzahl erforderlich. Anmeldung: www.hno-update.com/hno-interaktiv Die Autoren schließen aus dieser Untersuchung, dass die direkte Elektrostimulation des auditorischen Kortex mit erheblichem Placeboeffekt einhergeht, allein wegen der Operation. Ein therapeutischer Effekt auf die Tinnitusbelastung ergibt sich jedoch nicht, wenn man die Placeboeffekte berücksichtigt. Kommentar: Tiefe Hirnstimulation ist bei Menschen in Bezug auf eine konkrete Tinnitusbeeinflussung noch nicht valide untersucht worden, wegen der Invasivität auch - wenn überhaupt - sehr mit Vorsicht zu überlegen. Dagegen zeigt die überaus gut geplante und durchdachte Studie aus Bordeaux, dass das ebenfalls invasive Verfahren der direkten intrakortikalen Reizung zwar temporär die Tinnitusbelastung bei einigen Patienten reduziert, aber eben nicht besser als eine Placebostimulation. Erstaunlich ist, dass keine Nebenwirkungen auftraten, sahen doch andere Neurochirurgen nach Elektrodenimplantation durchaus gravierende Komplikationen. Smit JV, Janssen ML, Schulze H et al. Deep brain stimulation in tinnitus: current and future perspectives. Brain research 2015, DOI: 10.1016/j.brainres.2015.02.050 Donovan C, Sweet J, Eccher M et al. Deep Brain Stimulation of Heschl Gyrus: Implantation Technique, Intraoperative Localization, and Effects of Stimulation. Neurosurgery 2015, DOI: 10.1227/NEU.0000000000000969 Engelhardt J, Dauman R, Arne P et al. Effect of chronic cortical stimulation on chronic severe tinnitus: a prospective randomized double-blind cross-over trial and long-term follow up. Brain stimulation 2014; 7: 694-700 Autor Professor Dr. med. Gerhard Hesse, Chefarzt der Tinnitus-Klinik am Krankenhaus Bad Arolsen, wird am 20. November von 10:30 bis 11:15 Uhr beim HNO-Update-Seminar in Mainz aktuelle und praxisrelevante Studien zu den Themen Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus vorstellen und kommentieren.

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