Einleitung
Methode
Geschichte
Damage Control Resuscitation – die Rationale
Internationale Praxis
Transfusionstrigger
Welche Produkte werden eingesetzt?
Blutprodukt | Indikation | Lagerung | Transportbedingungen | Maximale Lagerdauer |
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Erythrozytenkonzentrat | Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität | 1–6 °C | 1–10 °C | ACD/CPD/CP2D: 21 Tage, CPDA-1: 35 Tage, Additivlösung: 42 Tage |
Plasma | Korrektur einer Gerinnungsstörung, stellt die Endothelintegrität wieder her | Nach dem Auftauen: 1–6 °C | 1–10 °C | Nach dem Auftauen: 5 Tage |
Thrombozyten | Förderung der Hämostase | Konventionell: 20–24 °C mit kontinuierlicher, Agitation | Konventionell: 20–24 °C, maximale Zeit ohne Agitation: 30 h | Konventionell: 24 h bis 5 Tage, je nach Sammelsystem |
Kühl gelagert: 1–6 °C, Agitation optional | Kühl gelagert: 1–10 °C | Kühl gelagert: Anweisungen des Herstellers | ||
Niedrig-titriges Vollblut Gruppe 0 (LTOWB) | Enthält alle Blutbestandteile | 1–6 °C | 1–10 °C | CPD: 21 Tage CPDA-1: 35 Tage |
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Vollblut vereinfacht die Transfusionslogistik durch ausgewogene Bereitstellung aller Blutbestandteile in einem Produkt
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Konzentrierteres Produkt im Vergleich zur Rekonstitution von Vollblut mit herkömmlichen Komponenten
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Liefert gekühlt gelagerte Thrombozyten, die in vitro und möglicherweise in vivo eine verbesserte hämostatische Funktion im Vergleich zu bei Raumtemperatur gelagerten Blutplättchen aufweisen
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Sorgt für eine längere Haltbarkeit der gelagerten Thrombozyten im Vergleich zur Lagerung bei Raumtemperatur
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Sorgt für die Verfügbarkeit von Blutplättchen, wo sie sonst vielleicht nicht verfügbar gewesen wären
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Reduziert die bakterielle Kontaminationsrate eines plättchenhaltigen Produkts
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Reduziert die Inzidenz von AB0-Fehltransfusionen
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Reduziert die Exposition der Spender
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Kann unter gleichen Bedingungen wie EK transportiert werden
Patientensicherheit
Logistik
Evidenz – prospektive Studien aus der Präklinik
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Die randomisierte COMBAT-Studie [74] hat den Effekt von 2 Einheiten tiefgefrorenem FFP vs. tiefgefrorener Kochsalzlösung im innerstädtischen Bereich von Denver, USA, untersucht. Beides wurde am Einsatzort vor Gabe in einem Mikrowellenofen aufgetaut. Es wurden 144 Traumapatienten von 150 geplanten Patienten mit Zeichen eines hämorrhagischen Schocks eingeschlossen. Signifikante Unterschiede in der 28-Tage-Mortalität fanden sich nicht. (15 % Plasma vs. 10 % Kontrolle; Odds Ratio 1,54; 95 %-KI 0,60–3,98; p = 0,37). Da sich in der Zwischenanalyse kein Mortalitätsunterschied abzeichnete, wurde die Studie vorzeitig abgebrochen.
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Die PAMPer-Studie [18] war eine US-amerikanische, multizentrische, Cluster-randomisierte Studie, die Effekt und Sicherheit von 2 Einheiten FFP im Vergleich zur Standardversorgung bei 501 Traumapatienten mit Schockzeichen untersuchte. Die Studie randomisierte 27 Hubschrauberbasen für prähospitales Plasma oder Standardbehandlung. Das primäre Ergebnis war die 30-Tage-Mortalität, die in der Plasmagruppe im Vergleich zur Standardversorgungsgruppe um 10 % niedriger war (23 % gegenüber 33 %, 95 %-KI [(−18,6)–(−1,0); p = 0,03]). Die scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse beider Studien wurden in zwei Metaanalysen beider Datensätze weiter differenziert, mit dem Ergebnis, dass sich im Studienarm ein Überlebensvorteil für Patienten mit stumpfem Trauma (OR 0,68; 95 %-KI [0,47–0,96; 0,03]) [75] sowie bei Patienten mit Transportzeiten über 20 min nachweisen ließ (OR 0,78; 95 %-KI [0,40–1,51; p = 0,46]) [76]. Bemerkenswert ist, dass in beiden Studien die Verletzungsschwere (PAMPer: ISS = 22, Combat: NISS = 27) nicht besonders hoch war. Die PAMPer-Studie hat mehrere sekundäre Datenanalysen nach sich gezogen, die auf spezielle Patientengruppen fokussieren. So scheint die prähospitale Gabe von Frischplasma einen günstigen Effekt auf die Mortalität bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit einem GCS < 8 (166 Patienten eingeschlossen) zu haben. Die Autoren fanden eine mehr als 50 %ige Reduktion der 30-Tage-Mortalität bei Patienten, die von der Einsatzstelle direkt in die teilnehmenden Traumazentren transportiert wurden (OR 0,45; 95 %-KI, 0,26–0,80; P = 0,005) [77]. Eine weitere sekundäre Analyse der PAMPer-Studie [78] hat den Effekt der Transfusionsbehandlung an 407 initial hypotonen Patienten untersucht: Die Standardbehandlung bestand je nach Studienort aus isotonischer Kochsalzlösung (NaCl) oder aus isotonischer Kochsalzlösung plus EK. Dies führte zu 4 prähospitalen Transfusionsregimen: EK + Plasma, Plasma, EK und nur NaCl. Cox-Regression wurde benutzt, um den Zusammenhang zwischen den Gruppen und der risikoadjustierten 30-Tage-Mortalität zu bestimmen. Hier zeigte EK + Plasma den größten Effekt (OR 0,38; 95 %-KI 0,26–0,55, p < 0,001), gefolgt von Plasma (OR 0,57; 95 %-KI 0,36–0,91, p = 0,017) und EK (OR 0,68; 95 %-KI 0,49–0,95, p = 0,025) im Vergleich zu nur NaCl. Die Autoren schlussfolgern, dass Traumapatienten im hämorrhagischem Schock prähospitale Blutprodukte erhalten sollten, vorzugsweise EK + Plasma.
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Die RePHILL-Studie aus Großbritannien [71] hat erstmalig prospektiv und randomisiert die prähospitale Gabe von EK plus gefriergetrocknetem Plasma (Interventionsarm) mit dem Einsatz isotonischer Kochsalzlösung (Kontrollarm) bei Traumapatienten mit vermutetem hämorrhagischen Schock verglichen. Interessanterweise wurde als primäres Outcome ein kombinierter Endpunkt aus Episodenmortalität und Laktatakkumulation gewählt. Hier offenbarten sich bereits zwei erhebliche Designschwächen der Studie:Die Inzidenz des kombinierten Endpunkts war in beiden Gruppen nahezu gleich: Im Interventionsarm traten bei 128 von 199 Patienten (64 %) Ereignisse auf, verglichen mit 136 von 210 Patienten (65 %) in der Kontrollgruppe (RR 1,01; 95 %-KI 0,88–1,17; p = 0,86).1.Generell sollten die einzelnen Komponenten eines kombinierten Endpunkts in Schweregrad und klinischer Bedeutung ähnlich sein. Während eine Reduktion der Mortalität zweifelsohne klinisch relevant ist, ist die Lactat-Clearance jedoch weder ein harter Endpunkt noch ein validierter Outcome-Parameter bei Trauma. Daher ist die Laktatakkumulation für Dichotomisierung und binäre Interpretation ungeeignet.2.Der gewählte Stichprobenumfang basierte auf der Annahme, dass die Intervention die Inzidenz des kombinierten Endpunkts von 20 % im Kontrollarm auf 10 % im Studienarm reduzieren würde. Eine 50 %ige Risikoreduktion bei Ergebnissen wie Mortalität, die vielen Störvariablen unterliegt, erscheint jedoch kaum plausibel.Die Inzidenz des kombinierten Endpunkts war in beiden Gruppen nahezu gleich: Im Interventionsarm traten bei 128 von 199 Patienten (64 %) Ereignisse auf, verglichen mit 136 von 210 Patienten (65 %) in der Kontrollgruppe (RR 1,01; 95 %-KI 0,88–1,17; p = 0,86). Als sekundäres Ergebnis wurde eine 7 %ige Reduktion der 3-Stunden-Mortalität festgestellt: Im Interventionsarm verstarben 32 von 197 Patienten (16 %), während es im Kontrollarm 46 von 208 Patienten (22 %) waren (RR 0,75; 95 %-KI 0,50–1,13; p = 0,17).Ein weiteres sekundäres Ergebnis war eine 4 %ige Reduktion der 30-Tage-Mortalität, die in der Kontrollgruppe bei 45 % lag und in der Interventionsgruppe auf 42 % sank (RR 0,94; 95 %-KI 0,76–1,17; p = 0,59). Keines dieser Ergebnisse erreichte statistische Signifikanz, und die Autoren schlussfolgerten, dass die Gabe von EK und Plasma keinen Vorteil gegenüber isotonischer Kochsalzlösung bietet.Dennoch zeichnet sich im Interventionsarm in allen untersuchten Parametern ein positiver Trend ab, der klinisch durchaus relevant sein könnte. Bedauerlicherweise musste die RePHILL-Studie wegen erheblicher Rekrutierungsprobleme vorzeitig abgebrochen werden und konnte statt, wie geplant, 490 Patienten lediglich 432 Patienten rekrutieren. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass RePHILL, bedingt durch die bereits angeführten Designschwächen und die Rekrutierungsprobleme, nicht die statistische Power hatte, um eine weniger als 50 %ige Mortalitätsreduktion zu detektieren, was eine unrealistische Annahme war. Leider versäumten die Autoren es auch, eine mortalitätsbezogene Subgruppenanalyse durchzuführen. Diese Faktoren schränken die Aussagekraft der Studie erheblich ein [79].
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Die französische PREHO-PLYO-Studie [72] war eine randomisierte kontrollierte Studie, die bei schwer verletzten Patienten den Effekt von prähospital verabreichtem, lyophilisiertem Plasma vs. isotonischer Kochsalzlösung auf die Gerinnung untersucht hat. Insgesamt wurden 134 Patienten eingeschlossen, davon 68 im Studienarm und 66 in der Kontrollgruppe. Mediane INR-Werte waren 1,21 (IQR 1,12–1,49) im Studienarm und 1,20 (IQR 1,10–1,39) in der Kontrollgruppe. (Median Differenz −0,01 [IQR −0,09 to 0,08]; p = 0,88). Die Gruppen unterschieden sich nicht im Bedarf einer Massivtransfusion (7 [10,3 %] vs. 4 [6,1 %]; OR 1,78 [95 %-KI, 0,42–8,68]; p = 0,37) oder der 30-Tage-Mortalität (OR 1,07 [95 %-KI, 0,44–2,61]; p = 0,89). Die Autoren konkludieren, dass die prähospitale Gabe von lyophilisiertem Plasma keinen nachweisbaren Effekt auf die Gerinnungsparameter bei schwerverletzten Patienten hat. Die geringen Mortalitätsunterschiede zwischen den Gruppen sind jedoch in Anbetracht der niedrigen Fallzahlen nicht aussagekräftig.
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Die randomisierte FIinTIC-Studie [80] untersuchte die prähospitale Gabe von Fibrinogenkonzentrat an 53 Traumapatienten im hämorrhagischen Schock vs. Placebo. Eine frühzeitige Verabreichung von Fibrinogenkonzentrat in der Traumaversorgung stabilisierte die Fibrinogenwerte bei Aufnahme und verbessert die Blutgerinnung laborchemisch. Ob dies zu weniger Transfusionen oder Komplikationen bei Traumapatienten mit Blutungsrisiko führt, war aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht zu klären.
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Eine aktuelle prospektive Kohortenstudie (n = 909) aus Großbritannien [81] hat den Effekt von EK plus Plasma gegen EK (retrospektive Kontrollgruppe, n = 223) bei Schwerverletzten untersucht. Der Studienarm bestand aus 2 Gruppen: eine Gruppe erhielt mit Frischplasma rekonstituiertes EK (EKP-Gruppe, n = 295) und die andere erhielt EK plus Frischplasma (EK + P, n = 395). Die Gabe von EKP und EK + P war mit niedrigerer 24-h-Mortalität assoziiert als die alleinige Gabe von EK. (OR EK + P 0,69, 95%-KI: 0,52–0,92), (OR EKP 0,60, 95%-KI: 0,32–1,13). Die 30-Tage-Mortalität jedoch, war in allen 3 Gruppen gleich. Als Besonderheit stellten sich für das penetrierende Trauma die Ergebnisse etwas besser dar (EK + P: aOR 0,22 (95%-KI: 0,10–0,53); EKP: aOR 0,39 (95%-KI: 0,20–0,76)).
Nationale Perspektive – Umsetzung im deutschen Rettungsdienst
Schlussfolgerung
Fazit für die Praxis
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Eine prähospitale Bluttransfusion (PHBT) könnte zur Verbesserung des Outcomes schwer verletzter Patienten, insbesondere bei langen Transportwegen, beitragen.
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Identifikation der Patientengruppen, die von PHBT profitieren, ist entscheidend, um eine zielgerichtete und effiziente Nutzung dieser Maßnahme zu gewährleisten.
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Die hohe Dichte von Notarztstandorten und die fragmentierte Struktur des Rettungsdienstes in Deutschland führen zu einer niedrigen Traumaexposition pro System, was die flächendeckende Anwendung von PHBT erschwert.
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Prospektive Registerstudien in Kooperation mit dem Traumaregister der DGU sind am ehesten geeignet, um offene Fragen zu PHBT zu klären.
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Die Auswahl und Bereitstellung geeigneter Blutprodukte für PHBT erfordert eine fundierte Logistik und Koordination zwischen Rettungsdiensten und transfusionsmedizinischen Einrichtungen.
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Weiterbildung und Training von Notfallpersonal in der Handhabung von PHBT sind für eine sichere und effektive Anwendung erforderlich.
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Eine enge Zusammenarbeit zwischen Notfallmedizin, Transfusionsmedizin und Traumazentren ist für die Weiterentwicklung und optimale Integration von PHBT in die prähospitale Notfallversorgung notwendig.