Botulinumtoxin lindert essenziellen Kopftremor

Beidseitige Botulinumtoxin-Injektionen in den Musculus splenius capitis lindern einen essenziellen Kopftremor bei etwa einem Drittel der Betroffenen. Allerdings spürt etwa die Hälfte Nebenwirkungen wie Kopf- und Nackenschmerzen oder Dysphagie. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Medikamente wie Betablocker, die oft gut einen Tremor dämpfen, sind bei essenziellem Kopftremor weit weniger wirksam, hier haben sich zunehmend Alternativen wie Botulinumtoxin etabliert. Allerdings gebe es für deren Wirksamkeit lediglich Hinweise aus kleineren und zumeist offenen Studien, berichten Forschende um Dr. Ana Marques vom Hôpital Gabriel Montpied in Clermont-Ferrand in Frankreich. Eine Metaanalyse kleiner kontrollierter Studien deutet immerhin auf eine gewisse Wirksamkeit. Die Movement Disorder Society stellt jedoch fest, dass es bislang keine Evidenz für irgendeine Kopftremortherapie gibt. Mit einer größeren Studie, an der immerhin 120 Betroffene teilnahmen, haben Marques und ihr Team nun die nötige Evidenz geliefert: In der Tat kann Botulinumtoxin einen Kopftremor deutlich besser lindern als eine Behandlung mit Placebo, allerdings verursacht das Toxin auch deutlich mehr Nebenwirkungen. 3,4-fach häufiger eine deutliche Symptomlinderung Die Studienteilnehmenden waren alle an einem essenziellen oder isolierten Kopftremor erkrankt, rund 80% hatten einen begleitenden Tremor der Extremitäten. Der Kopftremor war so stark, dass er zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten führte. Auf der Fahn-Tolosa-Marin Tremor Rating Scale (TRS) wurde ein mittlerer Wert von 3 Punkten erzielt – die Skala umfasst 0 bis 4 Punkte. Personen mit dystonischem Kopftremor oder einem zerebellären Syndrom sowie solche mit Morbus Parkinson wurden ausgeschlossen. Zwei der Betroffenen hatten gegen ihren Tremor bereits eine tiefe Hirnstimulation erhalten, etwas über 40% profitieren von einer oralen Therapie, knapp 10% hatten schon einmal Botulinumtoxin versucht. 80% der Teilnehmenden waren Frauen, das mittlere Alter betrug 65 Jahre. Die Forschenden um Marques verteilten die Betroffenen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen: Die erste bekam zunächst eine Dosis mit 75 IU Botulinumtoxin, dann zwölf Wochen später die zweite, wobei die Dosis auf 100 IU erhöht werden konnte, sollte die Wirksamkeit zu gering gewesen sein. Die zweite Gruppe erhielt zu vergleichbaren Zeiten isotonische Kochsalzinjektionen. Injiziert bekamen die Patienten die Studienmedikation beidseitig in den Musculus splenius capitis. Anschließend wurden sie alle sechs Wochen nachuntersucht und zusätzlich telefonisch auf Nebenwirkungen hin befragt. Primärer Endpunkt war ein Wert von mindestens zwei Punkten auf der Skala Clinical Global Impression of Change (CGI); diese reicht von –3 Punkten (sehr stark verschlechtert) bis +3 Punkte (sehr stark verbessert), wobei ein Wert von 2 Punkten eine deutliche Verbesserung markiert. Erfasst wurde der primäre Endpunkt sechs Wochen nach der zweiten Injektion, also nach insgesamt 18 Wochen. Wie sich zeigte, erreichten 31% in der Gruppe mit dem Bakterientoxin mindestens 2 GCI-Punkte, in der Placebogruppe waren es nur 9%. Mit dem Toxin kam es entsprechend 3,4-fach häufiger zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden als unter Placebo. Nebenwirkungen bei 47% Auch zu anderen Zeitpunkten war die Botulinumtoxin-Behandlung den Placeboinjektionen signifikant überlegen: Jeweils 44% und 7% nannten eine deutliche oder sehr starke Verbesserung sechs Wochen nach der ersten Injektion, 29% und 9% nach zwölf Wochen. In Woche 24 gab es mit einem Anteil von jeweils 23% und 13% aber keinen signifikanten Unterschied mehr – die Ärztinnen und Ärzte um Marques gehen davon aus, dass die Wirksamkeit zu diesem Zeitpunkt bereits wieder deutlich nachgelassen hat. Der TRS-Wert war in den ersten zwölf Wochen unter Botulinumtoxin ebenfalls besser als unter Placebo (2 versus 3 Punkte) und im Mittel um einen Punkt gesunken. Skalen zur Alltagsfunktion zeigten ebenfalls günstigere Werte bei Patienten mit den Toxininjektionen. Unerwünschte Wirkungen wurden bei 47% mit Botulinumtoxin und 16% mit Placebo festgestellt. So klagten 34% in der Gruppe mit Botulinumtoxin nach den Injektionen über Kopf- und Nackenschmerzen, in der Placebogruppe waren es 16%. Relativ häufig entwickelte sich unter dem Toxin auch eine Dysphagie (bei 16%), eine zervikale Schwäche (15%) sowie Schmerzen an der Injektionsstelle (8%). Solche Probleme wurden in der Placebogruppe nicht berichtet. Allerdings, so Marques und Mitarbeitende, seien die Beschwerden recht mild gewesen und hätten meist keine zusätzliche Behandlung erfordert. Eine Person brach die Behandlung aber nach einer Klinikaufnahme aufgrund einer ernsten Dysphagie ab. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was nützt eine Behandlung mit Botulinumtoxin bei essenziellem Kopftremor? Antwort: In einer randomisiert-kontrollierten Studie erreichten 31% unter Botulinumtoxin, aber nur 9% unter Placebo eine deutliche Reduktion der Beschwerden. Bedeutung: Botulinumtoxin kann bei rund einem Drittel der Betroffenen einen essenziellen Kopftremor deutlich lindern, geht aber auch mit Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Dysphagie einher. Einschränkung: Höhere Abbruchrate unter Botulinumtoxin als unter Placebo: Nach 18 Wochen hatten jeweils 18 und 2 Personen die Behandlung beendet.

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