05.08.2024 | Triage | Originalien
Untersuchung von Schockraumalarmierungskriterien basierend auf dem Unfallhergang – Ergebnisse einer Multizenterstudie
verfasst von:
Fabian Laue, Prof. Dr. med. habil. Gerrit Matthes, Tobias Ahnert, Markus Baacke, Dan Bieler, Michael Caspers, Valentin Clemens, Matthias Fröhlich, Tobias Großner, Lisa Hackenberg, Paul Hagebusch, René Hartensuer, Kai Oliver Jensen, Annette Keß, Christian Kleber, André Nohl, Orkun Özkurtul, Thomas Paffrath, Vera Pedersen, Tristan Pfläging, Uwe Schweigkofler, Kai Sprengel, Philipp Störmann, Heiko Trentzsch, Christian Waydhas, Rolf Lefering, NIS-Trauma TAcTIC study group
Erschienen in:
Notfall + Rettungsmedizin
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Bereitstellung spezialisierter Schockraumteams zur primären Schwerverletztenversorgung ist nach heutigem Standard auch unter Inkaufnahme eines hohen Ressourcenaufwandes obligat. Insbesondere die Nutzung von Alarmierungskriterien nach dem Unfallhergang führt vermehrt zur Übertriage. Ziel der Studie ist die Bewertung von Kriterien nach dem Unfallhergang hinsichtlich ihrer Eignung für eine bedarfsgerechte Schockraumalarmierung.
Material und Methode
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine prospektive, multizentrische, nichtinterventionelle Querschnittstudie. Die Datenerhebung erfolgte in 12 überregionalen Traumazentren in Deutschland und der Schweiz über einen papierbasierten Erhebungsbogen mit anschließender anonymisierter Zusammenfassung in einer webbasierten Datenbank. Als Referenz zur Analyse der Notwendigkeit einer Schockraumaktivierung wurden die neu definierten NIS-Post-hoc-Konsensuskriterien (TAcTIC-Kriterien) genutzt.
Ergebnisse
Von den Schockraumalarmierungskriterien der S3-Leitlinie 2016 für ein moderates Risiko schwerer Verletzungen (MRSI), Grad-B-Kriterien, hatten „Sturz aus über drei Metern Höhe“ („positive predictive value“, PPV 32 %) und „Verkehrsunfall mit Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50–75 cm“ (PPV 32 %) die besten Vorhersagewerte. Von weiteren erstmals untersuchten Kriterien nach dem Unfallhergang waren „technische Rettung erforderlich“ (PPV 40 %), „Treppensturz“ (≥ 6 Stufen) (PPV 35 %) „E-Bike-Fahrer“ (PPV 30 %) und „alte Verkehrsteilnehmer ab 80 Jahren“ (PPV 29 %) am ehesten geeignet, den Schockraumbedarf vorherzusagen, wobei die Übertriage zwischen 60 und 70 % liegt.
Schlussfolgerung
Die Datenanalyse zeigte, dass die Selektion einzelner Unfallmechanismen anhand höherer PPV die Vorhersagewahrscheinlichkeit des Schockraumbedarfs zwar deutlich steigern kann, dass sie allerdings, wenn sie allein herangezogen werden (bei Fehlen von Kriterien, die Verletzungen oder Störungen von Vitalparametern beinhalten) zu einer hohen Übertriage um 60–70 % führen. Der Unfallhergang als einziger Anhaltspunkt für eine mögliche Schwerverletzung sollte daher nicht automatisch zu einer Schockraumalarmierung führen. Das schließt eine gewisse Dringlichkeit und Sorgfalt beim weiteren diagnostischen und therapeutischen Work-up allerdings nicht aus.