Update Fatigue: Was hilft welchem Krebspatienten?

Eine der häufigsten Begleiterscheinungen bzw. Nebenwirkungen von malignen Erkrankungen und ihren Therapien ist Fatigue. Die Krankheit ist multifaktoriell bedingt, entsprechend vielfältig sind die Behandlungsansätze. Fatigue tritt bei schätzungsweise bei 60 bis 100 % aller Krebspatienten im Krankheitsverlauf auf, bei 25 bis 35 % ist sie als Langzeitfolge nachweisbar. Diese Zahlen präsentierte Prof. Dr. phil. Joachim Weis von der Klinik für Tumorbiologie Universität Freiburg auf dem 32. Deutschen Krebskongress. Fatigue wird als multifaktorielles Geschehen begriffen, die pathophysiologischen Entstehungsmechanismen sind im Einzelnen nicht geklärt, weshalb ein umfassendes Erklärungsmodell für die Krankheit bislang fehlt. Überlappungen zwischen psychischer Belastung und Depression auf der einen und Fatigue auf der anderen Seite wurden beschrieben. Information alleine genügt nicht Erst in den vergangen Jahren wurden spezifische psychoonkologische Interventionen entwickelt und getestet. Die Bausteine dieser Interventionen sind Informationen, Selbstmonitoring, Selbstkontrolle, Verhaltensstrategien und Modifikation von Einstellungen, einzelne Elemente sind körperliche Bewegung, Schlafhygiene, Entspannung bzw. Imaginationstechniken, Ernährungsberatung, Tagebuchtechniken und Telefoninterviews. Systematische Reviews über eine Vielzahl von Studien zeigten für die Mehrheit der Studien kleinere bis mittlere Effekte auf Fatiguebeschwerden, ebenso auf Lebensqualität und Angst. Wie Weis betonte, genüge es nicht, den Patienten über das Krankheitsbild Fatigue zu informieren. Dies berge im Gegenteil die Gefahr, dass sich der Zustand aufgrund einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit des Patienten noch verschlechtert. Stattdessen müsse mit der Information auch die Möglichkeit zur Intervention gegeben werden, wobei kombinierte psychoedukative Programme unter Einbeziehung von körperlichem Training besonders zu empfehlen sind. Körperliche Aktivität mit Effekt Durch zahlreiche Studien wurde mittlerweile belegt, dass körperliches Training die Beschwerden bei Fatigue verbessern kann. In der Praxis angekommen ist dies allerdings noch kaum: Wie PD Dr. Freerk Baumann von der Deutschen Sporthochschule Köln ausführte, gibt mehr als ein Drittel aller Krebspatienten an, sich nach der Diagnose weniger zu bewegen als vorher. Dabei sind die Auswirkungen körperlicher Bewegung klar nachgewiesen: Einflüsse auf das Zytokinprofil, den Serotoninspiegel, den Muskelstoffwechsel, oxidativen Stress und darüber hinaus sind messbar. Trainingsintensität richtet sich nach Stärke der Beschwerden Das Training sollte den jeweiligen Gegebenheiten des Patienten angepasst sein, wobei eine einfache Faustregel gilt: Je stärker die Fatigue, desto geringer die Intensität des Trainings. Für leichte Fatigue (< 3/10 VAS: Visuelle Analog-Skala) beispielsweise kommt ein progressives aerobes Ausdauertraining drei bis fünf Tage pro Woche jeweils 20 bis 30 min bei 60 bis 80 % der maximalen Herzfrequenz in Frage, dazu an zwei bis drei Tagen pro Woche Krafttraining mit acht bis zehn Übungen der großen Muskelgruppen der Extremitäten und des Rumpfes. Bei moderater (4-6/10 VAS) und schwerer (7+/10 VAS) Fatigue sollte mit einem Krafttraining begonnen werden, um die muskuläre Kraft und Ausdauer zu verbessern. Trainingsdauer und später auch die -intensität können kontinuierlich gesteigert werden, stets sollte jedoch die totale Erschöpfung vermieden werden. Während und nach dem Bewegungsprogramm ist die Fatigue zu kontrollieren und die Energiebilanz zu überwachen. Bei Patienten mit starker Fatigue macht es Sinn, fünf- bis zehnminütige Ausdauereinheiten über den gesamten Tag zu verteilen, Walking und Radfahren sind beispielsweise empfohlen. Mit OTT (Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie) stellte Dr. Baumann ein Modellprojekt der Deutschen Sporthochschule Köln vor, in dem neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis und Therapie übertragen werden sollen. Es handelt sich um ein personalisiertes, bewegungstherapeutisches Konzept, in dem Krebspatienten während der Therapie, in der Rehabilitation oder in der chronischen Phase an einem kontrollierten Trainingsprogramm teilnehmen. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, sofern es sich um einen zertifizierten Kurs handelt. Pharmakologische Therapie bleiben schwierig Pharmakologische Therapien bleiben bei Fatigue schwierig, wie aus dem Vortrag von Dr. Markus Horneber von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg, hervorging. Bei ausgewählten Patienten kann während der onkologischen Therapie eine Behandlung mit Methylphenidat in Erwägung gezogen werden, ebenso eine Behandlung mit Kortikosteroiden oder Methylphenidat in der palliativmedizinischen Situation. So kommt etwa bei Patienten mit einer starken Belastung durch Fatigue, die sich zwischen den Behandlungszyklen nicht davon erholen, retardiertes Methylphenidat mit einer Tagesdosis von 18 bis 54 mg in Frage. Ebenso können Patienten mit persistierenden Fatiguebeschwerden nach Abschluss der Chemotherapie mit unretardiertem Methylphenidat in einer Tagesdosis von 10 bis 50 mg behandelt werden – sprechen die Beschwerden nach einer Woche nicht an, ist die Therapie abzusetzen. In der palliativmedizinischen Situation kommt eine Therapie mit 10 bis 20 mg Tagesdosis unretardierten Methylphenidats bei schwerer Fatigue und hoher Belastung durch weitere Symptome wie Schmerzen und Depressivität in Betracht – spricht die Therapie nach zwei bis drei Tagen nicht an, sollte das Mittel abgesetzt werden; bei Ansprechen kann die Dosis je nach Verträglichkeit gesteigert werden. Weitere Bausteine der Fatiguebehandlung bleiben die Phytotherapie (z.B. Ginseng, Baldrian), Akupunktur und Mind-Body-Interventionen wie Mindfulness based Stress Reduction (MBSR), Yoga, Hypnose und möglicherweise Qigong.

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