Update Tumororthopädie

Aktuelle Literatur - zusammengefasst und von Experten kommentiert. Prognostische Faktoren maligner Knochentumoren – operative Therapie Andreou D, Bielack SS, Carrle D, et al (2011) Ann Oncol 22(5):1228–1235. Die komplette Entfernung des Primärtumors im Rahmen der multimodalen Therapie ist die wichtigste Voraussetzung zur Vermeidung eines lokalen Tumorrezidives und damit für das Langzeitüberleben. Andreou et al. untersuchten in einer retrospektiven Studie 1355 Patienten mit primär diagnostizierten Osteosarkomen der Extremitäten, der Schulter- und Beckenregion, die im Rahmen der Cooperativen Osteosarkom Studie (COSS) zwischen 1986 und 2005 behandelt wurden. Die Analyse hatte das Ziel, Faktoren zu identifizieren, die das Auftreten eines Lokalrezidives und/oder den Extremitätenerhalt beeinflussen. Von den 1355 Patienten entwickelten 76 ein lokales Tumorrezidiv (5,6 %). Das mediane Follow up betrug 5,6 Jahre. Es handelt sich um eine retrospektive Analyse einer Multicenter-Studie. Ergebnisse: Patienten mit einem Lokalrezidiv haben eine statistisch signifikant schlechtere Prognose (p<0,0001; 10-Jahres-Überlebensrate 19,0 % vs. 74,4 %). Eine erhöhte Lokalrezidivrate trat bei Patienten auf, die nicht in der Studie therapiert wurden (p=0,027), bei Osteosarkomen des Beckens (p=0,002), nach extremitätenerhaltenden Operationsverfahren (p=0,002), bei einer Infiltration des Tumors in das Weichgewebe (p=0,002), bei schlechtem Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie (p<0,0001) und bei Patienten, bei denen die primäre Biopsie nicht in dem Zentrum erfolgte, in dem die definitive Tumorresektion durchgeführt wurde (p=0,002). Eine operative Therapie in Kliniken mit einem kleinen Operationsvolumen (< als 1 Patient pro Jahr) ging mit einer signifikant höheren Rate an ablativen Eingriffen (p=0,0001) einher. Hingegen war der minimale Resektionsabstand des Tumors im Knochen kein prognostischer Faktor hinsichtlich der Entwicklung eines Lokalrezidives (p=0,126). Kommentar Diese Arbeit zeigt auf, dass der Resektionsabstand des Tumors im Knochen keinen prognostischen Einfluss auf die Entwicklung eines lokalen Tumorrezidives und damit auf die Prognose hat. Die bislang formulierten Sicherheitsabstände von 3–5 cm entbehren jeder Realität. Das Ziel ist und bleibt die lokale R0-Resektion. Es konnte erstmals nachgewiesen werden, dass die Lokalrezidivrate erhöht und damit die Prognose verschlechtert wird, wenn die primäre Tumorbiopsie nicht in dem Zentrum durchgeführt wird, in dem auch die definitive Resektion und Rekonstruktion erfolgt. Gründe hierfür können z.B. die Tumorkontamination zuvor nicht beteiligter Kompartmente, falsch ausgeleitete Drainagen und Hämatome aufgrund fehlender Drainageanlage sein. Die korrekte Biopsie entscheidet somit über die Prognose des Patienten und sollte daher nur in den entsprechenden Zentren (im EURAMOS-1-Protokoll aufgeführt) vorgenommen werden. Weiterhin konnte eindrucksvoll aufgezeigt werden, dass die Amputationsrate an Kliniken, die diese Patienten selten behandeln, signifikant erhöht ist. Knochenmetastasen maligner Knochentumoren Franke M, Hardes J, Helmke K et al (2011) Pediatr Blood Cancer 56(5):771–776 Mehr als 30 % der Patienten mit einem primär lokalisierten Osteosarkom erkranken trotz der multimodalen Therapie an Lungenmetastasen, seltener an Knochenmetastasen. Das Auftreten von alleinigen, solitären Knochen-metastasen ist äußerst selten und wurde daher von der Cooperativen Osteosarkom-Studiengruppe (COSS) hinsichtlich der Prognose retrospektiv analysiert (Franke et al). Zwischen 1980 und 2003 wurden 2072 Patienten mit lokalisierten Osteosarkomen im Rahmen der Therapieoptimierungsstudien im COSS-Protokoll eingeschlossen. Von diesen entwickelten 38 Patienten als primären Rückfall eine solitäre Knochenmetastase nach einem Median von 2,1 Jahren (0,5 – 14,1 Jahre). Die Primärtumoren waren bei 36 Patienten im Bereich der Extremitäten und bei 2 im Bereich des Achsskelettes. Die Knochenmetastasen traten bevorzugt im Achsskelett (n=24), gefolgt von den Extremitäten (n=10) und dem Schädel (n=4) auf. Die Rezidivtherapie erfolgte operativ (n=28), radiotherapeutisch (n=10) und mittels einer second-line Chemotherapie (n=27). Das 5-Jahres-Gesamtüberleben betrug 34 %, das 5-Jahres ereignisfreie Überleben 27 %. Für 21 Patienten, die eine komplette Remission der solitären Knochenmetastase erreichten, betrug das 5-Jahres-Gesamtüberleben sogar 52 %. Ein langfristiges Überleben war nur mit einer second-line Chemotherapie möglich. Trat die Knochenmetastase mehr als 1,5 Jahre nach dem Primärtumor auf, so war die Prognose signifikant besser (p=0,005). Kommentar Wie bei den Patienten mit Lungenmetastasen ist die Prognose umso besser, je später die Metastasen auftreten. Voraussetzungen für ein langfristiges Überleben ist sowohl die komplette Entfernung der Knochenmetastase als auch die Durchführung der systemischen Chemotherapie. Ob es sich bei den „Spätmanifestationen“ von singulären Knochenmetastasen wirklich um Metastasen oder um neu aufgetretene Osteosarkome handelt, ist bislang weder klinisch noch molekularbiologisch zu klären. Prognostische Faktoren maligner Weichgewebstumoren Jemal A, Siegel R, Ward E et al (2009) CA Cancer J Clin; 59:225–249. Jones RL, Olmos D, Thway K et al (2010) 2010 Nov 11. [Epub ahead of print] Abatzoglou S, Turcotte RE, Adoubali A et al (2010) Clin Orthop Relat Res; 468(11):3012–3018. Kaffenberger BH, Wakely PE Jr, Mayerson JL (2010) J Surg Oncol.; 101(7):618–621. Carneiro A, Bendahl PO, Engellau J (2011) Cancer 117(6):1279–1287 Novais EN, Demiralp B, Alderete J (2010) Clin Orthop Relat Res; 468(11):3003–3011. Sampath S, Schultheiss TE, Hitchcock YJ(2010) Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2010 Sep 30. [Epub ahead of print] Weichgewebssarkome stellen eine sehr heterogene Gruppe von sehr seltenen Tumoren dar, die Ihren Ursprung im mesenchymalen Gewebe haben. Sie machen nur 1-2 % aller malignen Neuerkrankungen aus. In den USA treten jährlich etwa 10600 Neuerkrankungen auf; 3820 Menschen verstarben an einem Weichgewebssarkom im Jahr 2009 (Jemal et al). Im nichtmetastasierten Stadium der Erkrankung ist die Resektion, gefolgt von einer postoperativen (=adjuvanten) Radiotherapie der Goldstandard. Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen Weichgewebssarkomen dominieren neoadjuvante Therapieansätze wie die systemische Chemotherapie, die isolierte hypertherme Extremitätenperfusion oder die Radiotherapie. Liegt eine primäre Metastasierung vor, handelt es sich definitionsgemäß um ein palliatives Therapiekonzept mit vorwiegend systemischen Therapieoptionen. Die wichtigsten bekannten prognostischen Faktoren sind das Grading, die Tumorgröße, die Tumorlokalisation, eine Gefäßinvasion und die Metastasierung (Jones et al, Abatzoglou et al, Kaffenberger et al, Carneiro et al). Welcher Sicherheitsabstand ist bei der chirurgischen Therapie erforderlich und in welchem Maße beeinflusst ein Lokalrezidiv das Gesamtüberleben? Eine Arbeitsgruppe der Mayo Clinic (Novais et al) nahm sich dieser Fragestellung an. Sie untersuchte den Einfluss des mikroskopischen Resektionsrandes hinsichtlich des Lokalrezidivrisikos, der Metastasierung und des Gesamtüberlebens bei Patienten mit Weichgewebssarkomen der Extremitäten. In diese retrospektive Studie wurden 248 Patienten eingeschlossen, die zwischen 1995 und 2008 chirurgisch therapiert wurden. Ausschlusskriterien waren Metastasen, ein Lokalrezidiv, low grade Sarkome, oberflächliche Lokalisationen, Alter 2 cm. Letztere wurden als adäquater Resektionsabstand definiert. 22 % der Patienten wurden alleinig operiert, 34 % erhielten eine adjuvante Radiotherapie, 8 % eine adjuvante Chemotherapie und 36 % erhielten eine neoadjuvante Chemo- und Radiotherapie. 95 % der Patienten wurden extremitätenerhaltend operiert. 7 Patienten (2,8 %) entwickelten ein Lokalrezidiv und 60 Patienten (24,2 %) Metastasen. Das Lokalrezidivrisiko war signifikant erhöht bei einem Resektionsabstand 2 cm wurden keine Lokalrezidive beobachtet. Das Metastasierungsrisiko war bei einem Resektionsabstand von 2 cm 72 % (p=0,005). Der negative prognostische Faktor eines lokalen Tumorrezidives und marginaler Resektionsränder (p<0,0001) wurde ebenfalls von einer kanadischen Arbeitsgruppe (Abatzoglou) belegt. Kommentar Diese Studie bestätigt eindrucksvoll den prognostischen Stellenwert der Qualität der operativen Therapie von Patienten mit einem Weichgewebssarkom. Ein Vergleich mit anderen Studien ist aufgrund der unterschiedlichen Ein- und Ausschlusskriterien sowie der unterschiedlich, eher individuell definierten Resektionsabstände, die zwischen 0 mm und 5 cm variieren schwierig. Ein Sicherheitsabstand von mindestens 2 mm scheint onkologisch erstrebenswert zu sein. Diese Studie rechtfertigt jedoch nicht die Empfehlung zu einem ablativen Eingriff, wenn dieses Ziel operativ nicht zu erreichen ist. Bislang ist nicht belegt, ob das Gesamtüberleben von Patienten mit einem Weichgewebssarkom davon abhängig ist, ob die Radiotherapie des Primärtumors prä- oder postoperativ erfolgt. Eine Arbeitsgruppe aus Salt Lake City (Sampath et al) führte eine retrospektive Studie auf der Grundlage der Nationalen Tumor-Datenbank durch. Eingeschlossen wurden 821 Patienten. Im Vergleich präoperative vs. postoperative Radiotherapie konnte nachgewiesen werden, dass sowohl das Gesamtüberleben als auch das ereignisfreie Überleben für Patienten mit einer präoperativen Radiotherapie signifikant (jeweils p=0.01) besser waren. Eine präoperative Radiotherapie führte zu einer signifikanten Reduktion des Risikos, ein Lokalrezidiv und Metastasen zu entwickeln, im Vergleich zu Patienten, die eine postoperative Radiotherapie erhielten. Kommentar: Die Ergebnisse sind zu hinterfragen und konnten von anderen Arbeitsgruppen so noch nicht bestätigt werden. Warum das Metastasierungs-risiko nach einer präoperativen Radiotherapie geringer im Vergleich zur postoperativen Radiotherapie ist (sein soll), bleibt offen. Mehr zum Thema Weitere Artikel zur operativen Tumorentfernung finden Sie im Dossier Tumorchirurgie.

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