Neue Praxisleitlinie Tumorschmerz

Besonders den Aspekt Lebensqualität von Krebspatienten betont die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin in ihrer „Praxisleitlinie Tumorschmerz“, die derzeit aktualisiert wird. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS) aktualisiert derzeit ihre „Praxisleitlinie Tumorschmerz“, die Version 3.0 befindet sich aktuell in der Kommentierungsphase. In der Neuauflage werden nicht nur alte wie neue Medikamente entlang der wissenschaftlichen Literatur neu bewertet. Die DGS legt Wert darauf, dass Erfahrungen von Anwendern und Patienten in ihre Praxisleitlinien einfließen. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB zum Thema Sterbehilfe aus dem Jahr 2020 hat seinen Niederschlag gefunden. Karlsruher Urteil findet Beachtung Zur Erinnerung: Die Karlsruher Richter hatten das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe als verfassungswidrig eingestuft, es verletze das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dies findet nun seinen Widerhall im Kapitel „Patientenautonomie“ der Praxisleitlinie, unter anderem mit dem Satz: „Patientenautonomie umfasst grundsätzlich auch den ernsthaften Suizidwunsch des Patienten.“ Suizidalität bedürfe der differenzialdiagnostischen Abgrenzung von Krankheitszuständen, die behandlungsfähig seien. Empfehlung der Redaktion Puzzle Schmerz 09.03.2021 | Tumorschmerz | DGS Neuerungen in der revidierten DGS-Praxisleitlinie "Tumorschmerz" Die Praxisleitlinie "Tumorschmerz" der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS) ist revidiert worden. Sie hebt sich von anderen Leitlinien ab, indem sie das Prinzip der Patientenautonomie allen anderen Abwägungen in der Palliation voranstellt. Und: Der Patient habe Anspruch auf eine ethische Beratung in allen existenziellen Fragestellungen durch Personen seiner eigenen Wahl, formuliert die DGS. Damit solle die Autonomie des Patienten bis zu seinem Lebensende betont werden, sagte DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann aus Kevelaer bei einer Veranstaltung aus Anlass des diesjährigen Schmerz- und Palliativtags. Empfohlen für palliative Situationen werden demnach die Prinzipien der prospektiven Palliation. Das bedeutet, dass über künftig erwartbare Symptome vorbeugend aufgeklärt und die dann notwendigen Behandlungsstrategien bereits vorab besprochen werden sollen. Dabei geht es auch um eine zuverlässige Verteilung der damit verbundenen Aufgaben für eine 24-Stunden Betreuung innerhalb einer Netzstruktur. Die entsprechenden Hinweise werden schriftlich niedergelegt, lange bevor eine Notfallsituation auftritt. Individuelle Ziele einer Tumorschmerztherapie werden im interdisziplinären Palliativteam definiert, nicht von einzelnen Entscheidungsträgern. Patient und Angehörige sind involviert. „Alle Maßnahmen sollen auf eine subjektiv definierte Lebensqualität ausgerichtet sein, nicht allein auf die Reduktion von Schmerz“, heißt es. Patientenwunsch: Alternativmedizin „Diese Leitlinie soll praxisnahe Hilfestellung geben, die auf einzelne Patientenschicksale heruntergebrochen werden kann“, so Horlemann. Dementsprechend wurden diverse Einzelaspekte der Tumorschmerztherapie neu bewertet, etwa Naturheilverfahren. Prinzipiell verstehe man Komplementärmedizin als begleitend, nicht als alternativ zur „Schulmedizin“. Viele Tumorschmerz-Patienten wünschen und nutzen Komplementärmedizin. Die Leitlinie zählt in einem Adnex – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – diverse Verfahren auf, die additiv und individuell in der Hand des geschulten Arztes angewendet werden können. Dazu zählen zum Beispiel die Misteltherapie, die die Lebensqualität unter Umständen verbessern hilft, allerdings nicht in Kombination mit bestimmten systemischen Krebstherapien angewendet werden sollte. Zudem werden Thymusextrakte, Hyperthermie-Verfahren sowie Traditionelle Chinesische Medizin genannt. Weiter heißt es in der Leitlinie: „Für die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln besteht keine überzeugende Studienlage.“ Der Palliativsituation widmet sich zudem das Kapitel „Schmerzmedizinische Diagnostik“. So soll die Diagnose und die Bewertung des Tumorschmerzes dem „total pain“-Konzept von Cicely Saunders (1918-2005) folgen. Saunders gilt als Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin. Das Konzept umfasst außer körperlichen und psychologischen Aspekten zusätzlich soziale, spirituelle und juristische Aspekte. Als Mindeststandard gilt die Skala „Brief Pain Inventory“, die auch in einer deutschen Version verfügbar ist. Betont wird in der Leitlinie auch die große Bedeutung schmerzbedingter Schlafstörungen für die Tumorschmerztherapie. Daher wird empfohlen, von Beginn an und im Verlauf regelmäßig nach Schlafstörungen zu fragen. Blick in das Kapitel „Pharmakotherapie“ lohnt Tumorschmerztherapie ist vorrangig eine medikamentöse Therapie. Daher lohnt ein Blick in das Kapitel „Pharmakotherapie“, in dem sich eine ganze Zahl von Hinweisen finden, die im Vergleich zu den Vorgängerversionen der Leitlinie konkretisiert und ergänzt worden sind. Das sind zum Beispiel eine kurze tabellarische Übersicht über Opioide, geordnet nach Geschwindigkeit des Wirkeintritts und der Wirkdauer. Eine Bedarfsmedikation mit kurz oder schnell wirksamen Opioiden ist nur wirksam, wenn bereits eine effektive Dauermedikation mit langwirksamen Opioiden erfolgt. Prinzipiell soll jeder Therapieplan um einen schriftlich fixierten Notfallplan ergänzt werden, der vorausschauend mit Angehörigen und Pflegenden abgestimmt wird. Alle Beteiligten sollten ausreichend über unerwünschte Wirkungen und Bedarfsmedikation aufgeklärt sein. Für die Verordnungspraxis bedeutsam ist der von der DGS seit langem vertretende Standpunkt – der auch in der aktuellen Leitlinienversion aufrechterhalten wird –, dass Generika gegenüber den jeweiligen Originalpräparaten der WHO-Stufen I bis III weder in Bezug auf Bioverfügbarkeit, noch auf Galenik und individuelles Ansprechen austauschbar seien. Weiterhin berücksichtigt werden in der Leitlinie die Aspekte Angst und Depression sowie die verschiedenen Koanalgetika. Letztere können nicht zuletzt dazu beitragen, Opioide einzusparen und auch auf diese Weise eine ausreichende Lebensqualität zu sichern. Quelle: Ärzte Zeitung

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