Erhöhen Virusinfekte im Babyalter das Risiko für Typ-1-Diabetes?

Zwischen wiederholten Atemwegsinfektionen im ersten Lebenshalbjahr und der Entwicklung eines frühen Typ-1-Diabetes gibt es möglicherweise einen Zusammenhang. Dies legt eine bevölkerungsbasierte Studie mit knapp 300.000 Kindern nahe. Auf welcher Grundlage ein Typ-1-Diabetes (T1D) im Kindesalter entsteht, ist immer noch unklar. Neben genetischen und diätetischen Faktoren werden Virusinfektionen als mögliche Ursache diskutiert; dabei stehen nicht nur Enteroviren, sondern auch Auslöser von Atemwegsinfektionen unter Verdacht. Forscher vom Münchner Helmholtz-Zentrum konnten ein Zeitfenster ausmachen, in dem eine vom Arzt diagnostizierte Atemwegsinfektion bei Kleinkindern möglicherweise kritisch im Hinblick auf die Entwicklung eines T1D sein könnte. Demnach sind vor allem wiederkehrende Infektionen innerhalb der ersten sechs Lebensmonate mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer T1D-Erkrankung bis zum achten Lebensjahr assoziiert. Die Studie von Andreas Beyerlein und Kollegen beruht auf den Daten von 295.420 Kindern der Jahrgänge 2005 bis 2007, zur Verfügung gestellt von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. Innerhalb eines im Mittel 8,5-jährigen Follow-up (7,5 bis 9,3 Jahre) wurde bei insgesamt 720 Teilnehmern die Diagnose T1D gestellt; das entspricht einer jährlichen Inzidenz von 29 Fällen pro 100.000 Kindern. 92,9% aller Teilnehmer hatten in den ersten beiden Lebensjahren mindestens eine Infektion (virale, bakterielle oder Pilzinfektionen der Atemwege, der Haut oder des Gastrointestinaltrakts) durchlebt, bei den T1D-Patienten waren es 96,7%. Atemwegsinfektionen wurden bei 87,1% registriert; bei 83,5% aller Infektionen handelte es sich um ein Virus. Relative Risikoerhöhung knapp 20% Gegenüber den Kindern, die bis zum ersten Halbjahr infektionsfrei (bezogen auf die Atemwege) geblieben waren, war das T1D-Risiko bei Kindern mit einer Atemwegsinfektion in diesem Zeitraum um 17% erhöht. Beschränkte man sich auf virale Infektionen, betrug die Risikoerhöhung 19%. Von den Kindern, die bis Studienende an T1D erkrankt waren, wiesen 33,8% eine oder mehrere Virusinfektionen innerhalb des ersten Lebenshalbjahres in der Vorgeschichte auf. Von denen, die stoffwechselgesund blieben, waren es 29,4%. Die Forscher hatten verschiedene Zeitintervalle verglichen: Auffällig waren vor allem die Intervalle von der Geburt bis zum Alter von 2,9 Monaten und von drei bis 5,9 Monate. Wie sich herausstellte, war das Risiko einer späteren T1D-Erkrankung besonders hoch bei Kindern, die sich in diesen beiden Intervallen jeweils mindestens eine virale Atemwegsinfektion geholt hatten: Das kumulative Risiko, innerhalb von fünf Jahren an T1D zu erkranken, lag bei 270 von 100.000 für Infektionen in beiden Intervallen, bei 145 von 100.000 bei Infektion(en) nur in einem Intervall und bei 120 von 100.000, wenn in diesem Zeitraum keine Atemwegsinfektion stattgefunden hatte; diese Unterschiede sind signifikant (p < 0,001). Kausalzusammenhang nicht bewiesen Ob es eine verstärkte Virusexposition war, die für diese Assoziation verantwortlich zeichnete, oder ob die gehäuften T1D-Erkrankungen mit einer gestörten Immunabwehr zusammenhingen, lässt sich auf der Grundlage der retrospektiven Kohortenstudie nicht feststellen. Auch mögliche Einflüsse wie T1D-Erkrankungen in der Familie oder der Geburtsweg – spontan oder per Kaiserschnitt – konnten nicht eruiert werden. Die Assoziation zwischen frühen Atemwegsinfektionen und der Häufung von T1D-Fällen ist allerdings konsistent mit dem, was man bereits in kleineren Studien gefunden hat: dass die ersten sechs Monate offenbar entscheidend für die Entwicklung des Immunsystems und speziell der Autoimmunität sind.

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