Ist zu viel Insulin schädlich?

Patienten mit Typ-2-Diabetes, die Insulin in hohen Dosen erhalten, scheinen neuen Studiendaten zufolge ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko zu tragen. Doch ist das Insulin wirklich die Ursache oder spielen andere Ko-Faktoren eine Rolle? Die kardiovaskuläre Sicherheit einer Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die randomisierte Interventionsstudie ORIGIN [1, 2] kam zu dem Ergebnis, dass Basalinsulin keinen Einfluss auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse hat. In Beobachtungsstudien dagegen gibt es immer wieder Hinweise auf Risiken durch die Insulintherapie, so Prof. Dr. Stephan Martin, Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) Düsseldorf. In einer aktuellen retrospektiven Kohortenstudie wurde untersucht, ob die Höhe der Insulin-Dosis dabei eine Rolle spielt [3]. Ausgewertet wurden die Daten von 6.072 Patienten mit Typ-2-Diabetes, bei denen bei bestehender Metformin-Gabe eine Insulintherapie neu begonnen wurde. Entsprechend der durchschnittlichen täglichen Insulindosis über einen Zeitraum von 180 Tagen wurden die Patienten in fünf Gruppen eingeteilt. Primärer Endpunkt waren die Unterschiede in den Mortalitätsraten zwischen den Gruppen über einen Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 3,1 Jahren. Mortalität steigt mit der Insulin-Dosis Im Untersuchungszeitraum traten 691 Todesfälle auf. Die niedrigste Mortalitätsrate trat bei Patienten mit geringer Insulindosis (< 25 U/Tag) auf. In einem adjustierten Modell stieg im Vergleich zu dieser Referenzgruppe die Mortalität mit der Insulindosis an: Bei Patienten mit einer Insulindosierung zwischen 25 und 50 U/Tag lag die Mortalität um 41 % höher (HR: 1,41 95 % CI:1,12–1,78), bei Patienten mit einer Insulin-Dosis zwischen 50 und 75 U/Tag um 37 % (HR: 1,37; 95 % CI: 1,04–1.80) und bei Patienten mit einer Insulin-Dosis zwischen 75 und 100 U/Tag um 85 Prozent (HR: 1,85; 95 % CI: 1,35–2,53). Die Gruppe der Patienten mit dem höchsten Insulinbedarf (> 100 U/Tag) wies eine etwa doppelt so hohe Mortalität (HR: 2,16; 95 % CI: 1,58–2,93) auf wie die Referenzgruppe. Wurden in der statistischen Auswertung auch die Veränderung von Ko-Variablen über die Zeit wie Blutzuckerkontrolle, Körpergewicht, Hypoglykämie-Häufigkeit und kardiovaskuläre Ereignisse berücksichtigt, so schwächte sich der Zusammenhang zwischen Insulindosis und kardiovaskulärer Mortalität ab. Unter Verwendung eines speziellen statistischen Analyseverfahrens (marginal structural model), das die Veränderung von Ko-Variablen noch genauer berücksichtigt, gab es keine Assoziation mehr zwischen Insulin-Dosis und Mortalität. Da Randomisierungen bezüglich der Insulin-Dosierung in Studien nicht möglich sind, bleibt nur, aus solchen Daten mit statistischer Adjustierung Schlüsse zu ziehen und die Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes sehr sorgfältig einzusetzen, so Martin. Weitere Beiträge und Video-Interviews vom Praxis Update finden Sie in unserem Dossier "Medupdate Praxis". Basierend auf: "Diabetes – Ernährungsmedizin" von Prof. Dr. Stephan Martin (Düsseldorf), Praxis Update in Berlin, 05.-06. Mai 2017

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