Die persönlichen Ernährungsgewohnheiten haben einen großen Einfluss auf Krankheitsentstehung und -verlauf bei Patient:innen mit chronisch-metabolischen Erkrankungen. Dabei ist die Umstellung auf eine ausgewogene, pflanzenbasierte Ernährung gut für die individuelle und die planetare Gesundheit. Bei der hausärztlichen klimasensiblen Lebensstilberatung von Menschen mit Typ-2-Diabetes ergeben sich einige relevante Aspekte. Ein vielversprechendes Konzept zur Orientierung ist die pflanzenbasierte Planetary Health Diet.
Der Klimawandel ist allzeit präsent und auch in der Medizin angekommen. So sehen sich 83 % der ambulant tätigen Ärzt:innen in der Verantwortung, Klimaschutz auch in ihrer Praxis umzusetzen [
15]. Dazu zählt neben strukturellen Veränderungen auch die klimasensible Beratung von Patient:innen während der ärztlichen Konsultation. Es konnte gezeigt werden, dass Befragte das größte Vertrauen bezüglich des richtigen Umgangs mit dem Klimawandel in Wissenschaft und Ärzt:innen setzen [
25]. Dies könnte großes Potenzial für die persönliche Veränderungsbereitschaft bieten.
Klimawandel und Lebensstil in der Allgemeinmedizin
Zu den Folgen des Klimawandels, vor allem zum Thema Hitzeschutz, beraten Ärzt:innen bereits [
15]. Dass Patient:innen mit ihren Konsumentscheidungen zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen und gleichzeitig ihrer Gesundheit dienen können, rückt ebenfalls mehr in das Bewusstsein [
18]. Lebensstilinterventionen wie Nikotinverzicht, körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung können nicht nur das Auftreten vieler chronischer, allen voran metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen reduzieren, sondern auch klimafreundlich wirken [
29]. Auch in der Therapie haben Lebensstilveränderungen einen bedeutenden Stellenwert [
5].
Lebensstilinterventionen und DM2
Eine Erkrankung, bei deren Behandlung Lebensstilanpassungen eine zentrale Rolle spielen, ist der Typ-2-Diabetes (DM2). Die Basistherapie umfasst laut Empfehlung der Nationalen VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes lebensstilmodifizierende, nichtmedikamentöse Maßnahmen. Hierzu gehören neben Schulung, Aktivitätssteigerung, Nichtrauchen und Stressbewältigung auch die diabetesgerechte Ernährung und ggf. Gewichtsreduktion – über drei bis sechs Monate, wenn ausreichende Erfolge durch diese Maßnahmen abzusehen sind. Erst wenn sie wirkungslos bleiben, wird zusätzlich eine medikamentöse Therapie begonnen [
5].
Klimasensibilisierung zur Veränderungsmotivation
Die Auswirkungen des Klimawandels als Motivationsfaktor zur Veränderung mit einzubeziehen, könnte die langfristige Therapieadhärenz positiv beeinflussen – insbesondere, wenn es gelingt, die Patient:innen für umweltbezogene Aspekte zu sensibilisieren. Studien zeigen, dass sich viele erwachsene Menschen in Deutschland um die Entwicklungen des Klimas sorgen [
25].
Wertvoll zur Motivation: Co‑Benefits – positive Effekte für Gesundheit und Klima
In der klimasensiblen Gesundheitsberatung und Motivation spielen die „gesundheitlichen Co-Benefits“ eine wichtige Rolle, die die wechselseitigen positiven Auswirkungen von Klimaschutz und Gesundheitsförderung beschreiben [
1]. Während der Verzicht auf Auto oder Flugreisen zur Reduktion von Treibhausgasen naheliegend erscheint, ist Vielen nicht bewusst, welche gravierende Rolle der Ernährungssektor beim Voranschreiten des Klimawandels spielt. Nicht nur entfallen 30 % der weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Produktion unserer Nahrungsmittel, ebenso sind es etwa 70 % der globalen Frischwasser- und 40 % der Landnutzung. Dabei sind tierische Lebensmittel besonders ressourcenintensiv [
29].
Was wir essen entscheidet daher nicht nur über unsere eigene Gesundheit, sondern auch über die des Planeten. Hier können Hausärzt:innen durch Ernährungsempfehlungen mit Co-Benefits motivieren. Dabei sollten Lebenssituation und individuelle Motivationsfaktoren der Patient:innen eine zentrale Rolle spielen, bspw. die Einstellung zu klimafreundlicher Ernährung sowie die Essgewohnheiten. Bei häufigem Konsum von Fleisch und/oder verarbeiteten Lebensmitteln ist es schwieriger, eine Umstellung hin zu einer pflanzenbasierten Diät mit vielen unverarbeiteten Produkten (mit hohem Vorbereitungsaufwand) langfristig durchzuhalten. Daher sollte die Ernährung langsam angepasst werden [
16].
Planetary Health Diet
Eine Orientierung für einen Ernährungsplan kann die 2019 von der EAT-Lancet-Kommission entwickelte „Planetary Health Diet“ (PHD) bieten. Das global anwendbare Ernährungskonzept stellt den Versuch dar, sowohl den Anforderungen der individuellen als auch der planetaren Gesundheit gerecht zu werden. Dafür werden die Indikatoren Treibhausgasemissionen, Land- und Frischwassernutzung, Phosphor- und Nitrateintrag sowie Biodiversität herangezogen. Die konzipierte Diät ist pflanzenbasiert, reich an vollwertigen, frischen Lebensmitteln und arm an tierischen sowie verarbeiteten Produkten [
29].
Kein gänzlicher Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel nötig
Der Ernährungsplan gibt Toleranzbereiche von erlaubten Nahrungsmittelmengen pro Tag vor (Tab.
1). Mit Faustregeln können Patient:innen sich einen für sie passenden, genussvollen Speiseplan zusammenstellen. Zudem ist im Gegensatz zu rein pflanzlichen Diäten kein gänzlicher Verzicht auf tierische Produkte nötig, aber möglich.
Tab. 1
Planetary Health Diet (PHD). (Darstellung modifiziert nach [
29] und [
11])
Vollkorngetreide |
Reis, Weizen, Mais etc. | 232 (insg. 0–60 % des täglichen Energiebedarfs) | 811 | 1 Teller Nudeln + 2 Scheiben Brot/Tag |
Knollen- und stärkehaltige Gemüse |
Kartoffeln | 50 (0–100) | 39 | 1 Kartoffelgericht/Woche |
Gemüse |
Grünes Gemüse | 100 (67–200) | 23 | 1 Salatteller/Tag |
Rotes und orangefarbenes Gemüse | 100 (67–200) | 30 |
Anderes Gemüse | 100 (67–200) | 25 |
Obst | 200 (100–300) | 126 | 1 Apfel + 1 Hand voll Beeren/Tag |
Milchprodukte |
Vollmilch oder Milchäquivalente (z. B. Käse, Joghurt) | 250 (0–500) | 153 | 1 Glas Milch/Tag oder 1 Stück Käse/Woche |
Proteinquellen |
Rind, Lamm | 7 (0–14) | 15 | 1 Steak + 2 Hähnchenschenkel/ 2 Wochen |
Schwein | 7 (0–14) | 15 |
Huhn, Geflügel | 29 (0–58) | 62 |
Eier | 13 (0–25) | 19 | 1 Ei/Woche |
Fisch | 28 (0–100) | 40 | 1 Fischgericht/Woche |
Hülsenfrüchte: |
Trockene Bohnen, Linsen, Erbsen | 50 (0–100) | 172 | 1 Teller Linsensuppe/Tag oder 1 l Sojamilch/Tag |
Soja(produkte) | 25 (0–50) | 112 |
Nüsse/Samen | 50 (0–75) | 291 | 1 Hand voll Nüsse/Samen/Tag |
Zusätzliche Fette |
Gesättigte Fette | 12 (0–12) | 96 | 5 St. Schokolade/Tag |
Ungesättigte Öle | 40 (20–80) | 354 | 3–4 EL Pflanzenöl/Tag |
Zusätzlicher Zucker |
Alle Süßungsmittel | 31 (0–31) | 120 | 1 Glas Saft oder 4 Schokokekse/Tag |
PHD und DM2
Für Patient:innen mit DM2 existiert eine gute Evidenz zur Wirksamkeit unterschiedlicher Ernährungsformen wie Low-Carb, Low-Fat, Low-Glyx, vegetarisch/veganer oder mediterraner Diät auf Zielgrößen wie HbA1c, Blutfettwerte und Blutdruck [
28]. Für die 2019 entwickelte PHD existieren bislang noch keine entsprechenden prospektiven Interventionsstudien. Da die Diät der vegetarisch-veganen und der mediterranen Diät ähnelt, ist anzunehmen, dass sie sich ebenfalls für Menschen mit DM2 eignet. Diese Annahme wird durch einige Kohortenstudien gestützt, in denen die individuellen Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmenden retrospektiv durch Konstruktion eines Planetary Health Diet Index (PHDI) nach hoher bzw. niedriger Adhärenz zur Lancet-Referenzdiät verschlüsselt wurden. Bei höherem PHDI über 10–25 Jahre konnte bereits eine negative Korrelation zum Risiko, neu an DM2 zu erkranken, gezeigt werden [
14,
18,
30]. Dabei wiesen Personen, die sich an die Vorgaben zum erhöhten Konsum von Hülsenfrüchten bzw. verminderten Konsum von Fisch und rotem Fleisch hielten, eine niedrigere Inzidenz auf als Personen, die diese Vorgaben unter- bzw. überschritten. Währenddessen erkrankten mehr Teilnehmende an DM2, die die erlaubten oberen Toleranzgrenzen an zugesetztem Zucker und Milchprodukten regelmäßig erreichten, als jene, die weniger konsumierten [
18].
Diese Ergebnisse hinsichtlich der Primärprävention könnten auch auf Aspekte der Sekundärprävention übertragbar sein und legen nahe, dass neben generellen Ernährungsprinzipien die konkrete Ausgestaltung der PHD für den Krankheitsverlauf wichtig sein könnte. Daher sollten bei der Beratung von Patient:innen mit DM2 einige spezielle Punkte im Hinblick auf die Erkrankung beachtet werden. Insbesondere bei diabetischer Nephropathie können sich durch Stoffwechselveränderungen Besonderheiten ergeben.
Abgleich der PHD mit Ernährungsempfehlungen bei DM2
Die Recherche zu diesem pragmatischen Review – in Ermangelung von Studien mit einem adäquaten prospektiven Studiendesign – erfolgte nach dem „Schneeballprinzip“, indem relevante Aspekte zu DM2 sowie der PHD aus Metaanalysen sowie systematischen Reviews identifiziert und nachfolgend mittels zielgerichteter Suche weiter vertieft wurden. Hierzu wurde in der PubMed-Datenbank und im Google-Scholar-System recherchiert.
Eine Kurzübersicht ist in Tab.
2 zu finden.
Tab. 2
Modifikation der PHD bei Typ-2-Diabetes (DM2) auf einen Blick
Kalorien | –/↓ | –/↓ |
Zucker | ↓ | ↓ |
Protein | –/(↑) | –/(↓) |
Vitamin B12 besonderes Augenmerk bei Metformintherapie! | ↑ | ↑ |
Kalzium (+ Vitamin D) | ↑ | ↑↑ |
Eisen | –/(↓) | –/(↓) |
Zink | ↑ | ↑ |
Energiezufuhr
Viele Patient:innen mit DM2 sind übergewichtig oder adipös. Vor allem viszerales Fett begünstigt die Entwicklung einer pathologischen Insulinresistenz [
17]. Neben der qualitativen Optimierung der Ernährung sollte eine Reduktion der Kalorienzufuhr zentral sein, um einen Gewichtsverlust zu unterstützen. Der Kalorienbedarf muss individuell (abhängig u. a. von Alter, Geschlecht, Körpergewicht, -fett- und -muskelanteil sowie Aktivitätsstatus) bestimmt und evaluiert werden.
Die PHD könnte zu einer verbesserten Blutzuckerkontrolle beitragen
Den erlaubten Toleranzbereichen der PHD liegt pauschal eine Berechnungsgrundlage von 2500 kcal pro Tag zugrunde. Die Mengen sollten dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden, um eine therapeutisch optimale Gewichtseinstellung zu begünstigen [
3].
Zucker
Im Rahmen der PHD ist die Zufuhr von Industriezucker in Maßen erlaubt. Aufgrund des ungünstigen Effekts von Blutzuckerspitzen bei DM2 sollte den Patient:innen empfohlen werden, ihren Konsum auf einen niedrigen Bereich innerhalb der erlaubten Toleranzbereiche zu reduzieren. Dies könnte zu einer verbesserten Blutzuckerkontrolle beitragen [
18].
Auch hier sollte allerdings unter Berücksichtigung der bisherigen Ernährungsgewohnheiten vorgegangen werden, so kann bspw. ein großzügigeres „Erlauben“ von Zucker zu Beginn psychologisch sinnvoll sein, um langfristig zu wirken [
16].
Potenziell kritische Nährstoffe
Protein
Im Rahmen der PHD werden tierische Produkte (Fleisch, Milchprodukte, Eier) nur in geringen Mengen verzehrt. Stattdessen stehen Hülsenfrüchte, Sojaprodukte und Nüsse auf dem Speiseplan. Eine Umstellung auf primär pflanzliche Proteinquellen ist nach Umgewöhnung bedarfsdeckend möglich und kann dazu beitragen, den Cholesterinspiegel zu senken [
19].
Es gibt keine klare Empfehlung zugunsten einer erhöhten Proteinzufuhr bei DM2 [
4], in der Praxis sollte die individuelle Situation der Patient:innen betrachtet werden.
Ältere Menschen (> 65 J) beispielsweise, die den Großteil aller Patient:innen mit DM2 ausmachen, haben insgesamt einen höheren Proteinbedarf als jüngere Menschen. Ist die Proteinzufuhr langfristig gering, kann dies eine Sarkopenie begünstigen [
21]. Daher sollte bei älteren Patient:innen mit DM2 neben der Empfehlung zu vermehrter Bewegung zum Muskelerhalt besonders auf die ausreichende Zufuhr pflanzlichen Proteins geachtet werden.
Bei Patient:innen mit diabetischer Nephropathie (GFR <60 ml/h bzw. Albuminurie) wurde lange zur Nephroprotektion und Mikroalbuminurie-Reduktion eine erniedrigte Proteinzufuhr empfohlen; inzwischen hat sich dies relativiert [
6]. Aktuell empfiehlt die deutsche Leitlinie eine moderate Proteinzufuhr bei DM2 und fortgeschrittener Niereninsuffizienz [
4].
Vitamin B12
Vitamin B12 ist vor allem in Fleisch und Milch von Wiederkäuern enthalten. Da die PHD nur einen geringen Anteil tierischer Produkte aufweist, ist das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel erhöht. Daher sollte, wie auch bei anderen pflanzlichen Ernährungsformen, Vitamin B12 bei Bedarf niedrigschwellig supplementiert werden [
22]. Da viele ältere Patient:innen an einer (leichten) Malabsorptionsstörung leiden und bestimmte Vitamine oder Mikronährstoffe ggf. nicht in ausreichendem Maße aus der Nahrung resorbieren können, sollte die Indikation zu einer Supplementation hier großzügiger gestellt werden.
Bei Therapie mit Metformin ist eine Vitamin-B12-Supplementation besonders wichtig. Das Medikament hemmt die Vitamin-B12-Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt und kann damit eine Mangelsituation auslösen oder verstärken [
12]. Entsprechende Patient:innen sollten regelmäßig überwacht und ggf. supplementiert werden [
5].
Kalzium
In der PHD ist die Zufuhr einer geringen Menge an Milchprodukten vorgesehen [
3]. Eine potenziell insuffiziente Kalziumzufuhr wäre aus verschiedenen Gründen für Patient:innen mit DM2 ungünstig.
Ein Mangel kann die Entwicklung von Osteoporose und assoziierten Frakturen im höheren Lebensalter begünstigen [
13]. Dadurch sind viele Patient:innen mit DM2 allein wegen ihres Alters gefährdet. Zusätzlich führen makro- und mikroangiopathische Störungen bei DM2 zu erhöhter Knochenfragilität und einem erhöhten Risiko für Mikrorupturen [
23,
26]. Medikamentöse Therapien, insbesondere mit Insulin, können Hypoglykämien auslösen, welche das Sturz- und damit Frakturrisiko weiter steigern [
9]. Bei zusätzlichem Vorliegen einer diabetischen Nephropathie könnte ein Kalziummangel durch vermehrten renalen Verlust verstärkt werden und das Risiko damit weiter aggravieren.
Einige Daten deuten darauf hin, dass Kalzium ebenfalls vielfältige nichtskeletale Funktionen erfüllt. Eine erhöhte Kalziumzufuhr kann das Risiko reduzieren, an kardiovaskulären Erkrankungen und metabolischen Störungen wie DM2 zu erkranken [
7,
20]. Eine Kalzium-Supplementation könnte außerdem protektive Effekte auf das Blutfettwertprofil von übergewichtigen Patient:innen haben [
7].
Bei älteren Patient:innen mit DM2 könnte eine höhere Kalziumaufnahme als in der PHD vorgeschlagen gerechtfertigt sein, z. B. durch Umstieg auf ein kalziumhaltiges Mineralwasser [
27]. Darüber hinaus existieren – wenn auch hochverarbeitete – pflanzliche Produkte, die u. a. mit Kalzium angereichert sind. Beispielsweise könnte über den Verzehr eines kalziumreichen Sojaquarks eine pflanzliche Proteinquelle bedient werden.
Auf die ausreichende Zufuhr von Protein, Vitamin B12, Kalzium und Zink achten
Notwendig für einen normalen Kalziumhaushalt ist auch eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhr, weswegen dieses ggf. supplementiert werden sollte [
20].
Eisen
Es bestehen häufig Bedenken, dass bei fehlender oder geringer Fleischzufuhr eine Eisenmangelsituation begünstigt werden könnte. Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass ein Eisenüberschuss mit der Entwicklung eines DM2 assoziiert sein könnte, bzw. dass sich die Blutzuckerstabilität bei Patient:innen mit DM2 durch eine reduzierte Eisenzufuhr erhöht [
8,
24]. Ebenso scheint Eisen eine Rolle in der Entstehung von DM2-Komplikationen, wie etwa mikroangiopathischen Störungen und Atherosklerose, zu spielen [
24].
Eine Eisenzufuhr im niedrigen empfohlenen Bereich durch Umsetzung der PHD könnte daher positiv auf den Krankheitsverlauf wirken. Zusätzlich gilt es, Nahrungsmittel geschickt miteinander zu kombinieren, um die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Nahrungsmitteln zu verbessern.
Zink
Zink spielt u. a. bei Synthese, Speicherung und Sekretion von Insulin eine wichtige Rolle. Bei DM2 kann es infolge einer Hyperglykämie und Proteinurie zu einer erhöhten renalen Zinkexkretion kommen [
2]. Bei nachlassender Nierenfunktion können die Zinkverluste zunehmend ansteigen, wodurch sich bei nicht ausreichender Aufnahme eine Mangelsituation entwickeln kann. Daher sollte auf eine angemessene Zinkzufuhr geachtet und bei Bedarf eine Supplementation empfohlen werden. Diese könnte einen antidiabetischen Effekt haben, zur Senkung des Blutzuckerspiegels und assoziierter metabolischer Störungen beitragen und sich positiv auf Sekundärfolgen der Erkrankung auswirken [
2].
Individuelle Gegebenheiten berücksichtigen
Der situations- und krankheitsbezogene Kontext der Patient:innen sollte in der Beratung zur PHD bei DM2 berücksichtigt werden. Haben ältere Patient:innen bspw. aufgrund von neurologischen Defiziten Probleme, frisches Gemüse selbst zu schneiden, kann teilweise auch auf preisgünstigeres, zerkleinertes Tiefkühlgemüse oder Konservenware zurückgegriffen werden.
Durch eine empathische Begleitung bei der Ernährungsumstellung, die auch „Ausrutscher“ toleriert, könnte langfristig eine Verhaltensänderung mit verbessertem Gesundheitszustand der Patient:innen erreicht werden [
16].
Patient:innen positiv und individuell begleiten
Zudem sollte betont werden, dass die Empfehlung hinsichtlich der Supplementation einzelner Nährstoffe nicht pauschal ausgesprochen, sondern immer individuell entschieden werden sollte.
Ernährung im Fokus
Bei einer Lebensstilveränderung verlassen Menschen ihre Komfortzone. Es ist empfehlenswert, Patient:innen wenn möglich an eine qualifizierte Ernährungsberatung anzubinden, die sich mit pflanzenbasierter Ernährung im Sinne der PHD auskennt. Hierzu fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) seit 2023 ein neues Projekt der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), mit dem Ziel, die Planetary Health Diet in der Ausbildung von Diätassistent:innen zu verankern. Diese können damit nicht nur zu Expert:innen für Ernährung, sondern auch zu damit verbundenen Nachhaltigkeitsfragen geschult werden [
10].
Hausärzt:innen als Vertrauenspersonen können ihren Patient:innen mit DM2 dabei helfen, ein neues Gesundheitsbewusstsein zu entwickeln und sie in ihrer Umstellung hin zu einer klimafreundlichen, gesünderen Lebensweise positiv begleiten.
Begleitend zum Ernährungsthema kann auch das Motivieren zu mehr Bewegung günstige Auswirkungen auf das Klima haben (Co-Benefit): Wird beispielsweise häufiger das Auto stehen gelassen und stattdessen Fahrrad gefahren, kann zugleich die Insulinsensitivität der Körperzellen verbessert, einem Muskelabbau entgegengewirkt sowie der eigene CO2-Fußabdruck gesenkt werden.
Lust auf mehr zum Thema Klimaschutz in der Allgemeinmedizin? Im Rahmen eines Projekts der Deutschen Bundesstiftung Umwelt wird am Allgemeinmedizinischen Institut am UKE in Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Universität Würzburg aktuell ein Leitfaden zum Thema Klimasensible Gesundheitsberatung für Hausärztliche Praxen entwickelt. Im Anschluss ist eine DEGAM-S1-Handlungsempfehlung für 2024 geplant.
Fazit für die Praxis
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Von der Umsetzung klimasensibler Lebensstilempfehlungen profitieren Mensch und Planet.
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Patient:innen können auf die Zusammenhänge zwischen Ernährungssektor und Klima aufmerksam gemacht und zur Ernährungsumstellung motiviert werden.
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Der Abgleich der Planetary Health Diet (PHD) mit den Ernährungsempfehlungen für Typ-2-Diabetes (DM2) legt nahe, dass die PHD bei Menschen mit DM2 zu einer besseren Blutzuckerkontrolle beitragen kann.
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Um Patient:innen bei einer nachhaltigen Ernährungsumstellung zu unterstützen, kann zudem die Anbindung an eine qualifizierte Ernährungsberatung erfolgen.
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Die täglichen Bemessungsgrundlagen der PHD sollten individuell angepasst werden.
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Bei begründetem Verdacht eines Mangels sollten Vitamin B12, Kalzium, Zink oder Eisen supplementiert werden.
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Die Eisenzufuhr kann im niedrignormalen Bereich gehalten werden.
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Eine Vitamin-B12-Substitution wird vor allem bei Patient:innen unter Therapie mit Metformin empfohlen.
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Patient:innen mit diabetischer Nephropathie bedürfen gesonderter Aufmerksamkeit.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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