Automatisierte Insulinabgabe auch bei Typ-2-Diabetes von Vorteil?

Ergebnisse der 2IQP-Studie legen nahe, dass eine automatisierte Insulinabgabe (AID) auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eine strengere Kontrolle des Langzeitblutzuckers erlaubt. Allerdings bleiben Fragen offen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wird bei Personen mit Typ-2-Diabetes (T2D) ihre bisherige Insulintherapie auf eine automatisierte Insulinabgabe (AID) umgestellt, lässt sich der Langzeitblutzucker (HbA1c) dadurch tiefer senken als mit den bisherigen Applikationsformen – auch, wenn parallel noch mit GLP1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmern behandelt wird. Dafür sprechen Daten der randomisierten kontrollierten Studie 2IQP (n = 319), die jetzt ein Team um Yogish Kudva vom Jaeb Center for Health Research in Tampa, FL/USA, im New England Journal of Medicine veröffentlicht hat [1]. Während der HbA1c innerhalb des dreizehnwöchigen Follow-up im AID-Arm im Mittel um 0,9 Prozentpunkte (von 8,2% auf 7,3%) zurückgegangen war, sank der Langzeitblutzucker in der Kontrollgruppe nur um 0,3 Prozentpunkte (von 8,1% auf 7,7%; entspricht einer adjustierten mittleren Differenz zwischen beiden Armen von –0,6 Prozentpunkten; p < 0,001). Der Zusatznutzen der AID habe auch diversen Subgruppenanalysen Stand gehalten, etwa mit Blick auf Geschlecht, Ethnie, BMI oder Medikation (Nichtinsulinblutzuckersenker). Auch wenn viele T2D-Erkrankte inzwischen mit GLP-1-Rezeptoragonisten oder SGLT2-Inhibitorem behandelt werden würden, sehen Kudva et al. ihre Ergebnisse als Beleg dafür, dass selbst diese Patientinnen und Patienten noch von einer AID profitieren könnten. Obgleich sich die Kernergebnisse der 2IQP-Studie zunächst vielversprechend anhören, ist zu beachten, dass die einschlägige deutsche S3-Leitlinie derzeit eine Insulinpumpentherapie bei Typ-2-Diabetes als „selten indiziert“ einstuft – und überhaupt die Indikation zur Insulintherapie vergleichsweise streng stellt (siehe [2] und unten). Vergleich mit AID bei Typ-1-Diabetes „Der positive Effekt der AID, den wir in unserer Kohorte von insulinbehandelten Typ-2-Diabetes-Patientinnen und -Patienten festgestellt haben, war ähnlich hoch wie der, der in randomisierten, kontrollierten Studien mit Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes [T1D] beobachtet wurde“, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Kudva. Motivator für die Studie sei nämlich der Umstand gewesen, dass es bisher keine Daten von ausreichender Qualität zur AID bei T2D gegeben habe (anders als bei T1D). Relevant sei in diesem Kontext auch, dass man in der 2IQP-Studie keine neuen Sicherheitssignale registriert habe, die speziell in der T2D-Population aufgetreten seien. Sicherheit der AID Hypoglykämien seien bereits vor der Randomisierung selten gewesen, was sich auch danach nicht substanziell verändert habe, berichtet das Studienteam. Im AID-Arm war es zu einem schweren hypoglykämischen Ereignis gekommen, dessen Ursache jedoch unklar geblieben und mit oralen Kohlenhydraten (ohne Glukagon) behandelt worden sei. Das AID-System hätte in diesem Fall aber funktioniert wie vorgesehen, schreiben die Forscherinnen und Forscher. In keinem der beiden Arme war es zu diabetische Ketoazidosen oder hyperosmolaren hyperglykämischen Syndromen gekommen. In der AID-Gruppe waren bei 13 Patientinnen und Patienten insgesamt 20 „nicht schwerwiegende gerätebedingte Hyperglykämieereignisse“ eingetreten, die primär auf Ausfälle des Infusionssets zurückgeführt worden seien. Insgesamt lag die Rate an unerwünschten Ereignissen (AE) bei 30% im AID- und bei 18% im Kontrollarm. Das Gros der AE hätte indes nichts mit dem AID zu tun gehabt, so die Einschätzung von Kudva et al. Empfehlung der Redaktion Fortbildung zu Prävention, Therapie und Folgeerkrankungen DIAD – Die Initiative gegen Diabetes und Adipositas von Springer Medizin Live-Webinare und aktuelle Fortbildungsartikel sind das Herzstück von DIAD – der Initiative gegen Typ-2-Diabetes und Adipositas von Springer Medizin, gemeinsam mit Gesundheitspartnern. Die interprofessionelle Zusammenarbeit steht dabei im Fokus. Wir halten Sie zu Prävention, neuen Therapien und optimierter Patientenversorgung informiert! Gewichtszunahme unter AID? In der AID-Gruppe hatten die Behandelten im Studienzeitraum durchschnittlich mehr zugenommen (plus 2,4 kg) als diejenigen im Kontrollarm (plus 0,9 kg). Dazu schreibt das Team um Kudvan: „Obwohl wir den Mechanismus für diese leichte Gewichtszunahme, die im Zusammenhang mit einer Reduktion der täglichen Insulingesamtdosis beobachtet wurde, nicht kennen, gehören zu den möglichen Erklärungen eine verringerte Glukosurie, insbesondere bei den Patientinnen und Patienten, die höhere HbA1c-Ausgangswerte hatten – oder eine erhöhte Kalorienaufnahme.“ Methodisches in aller Kürze und weitere Ergebnisse Während die AID-Gruppe von ihrem bisherigen Insulinregime auf eine AID umgestellt wurde, führte die Kontrollgruppe ihre jeweilige Insulinbehandlung unverändert weiter. Beide Gruppen wurden im Rahmen der Studie mit Sensoren zum Continuous Glucose Monitoring (CGM) ausgestattet, wobei ein Großteil in beiden Armen auch zuvor schon CGM-System genutzt hatte. Eine Insulinpumpe war dagegen nur von 4% der Stichprobe vor der Studienteilnahme genutzt worden. Das Team sieht seine Ergebnisse daher auch als Indiz dafür, dass „frühere Erfahrungen mit einer Insulinpumpe oder eine umfassende Schulung in Kohlenhydratzählmethoden keine Voraussetzungen für die erfolgreiche und sichere Anwendung einer AID zur Verbesserung der Glykämie bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes sind“. Die zufällige Verteilung auf die Studienarme erfolgte im Verhältnis 2:1 (AID: n = 215; Kontrollgruppe: n = 104). Primärer Endpunkt der Studie war der HbA1c-Wert nach dreizehn Wochen. Sekundäre Endpunkte basierten auf mittels CGM erfassten Werten, darunter zum Beispiel die Time In Range (TIR; Zeit im Blutzuckerzielbereich). Mit Blick auf die TIR hatte die AID-Gruppe ebenfalls die Nase vorn: „Die durchschnittliche Zeit, in der die Patientinnen und Patienten einen Glukosespiegel von 70 bis 180 mg pro Deziliter hatten, war mit der AID 3,4 Stunden länger pro Tag als mit CGM allein.“ Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer waren im Mittel 58 Jahre alt, wobei die Spanne zwischen 19 und 87 Jahren lag. Gut die Hälfte waren Frauen. Rund 40% identifizierten sich als Angehörige einer ethnischen Minorität, die Stichprobe kann damit also als recht divers gelten. Was sagt die Leitlinie? Zur AID (oder verwandten Stichworten wie HCL [(„hybrid closed loop“]) finden sich in der aktuellen Version der S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes keine Aussagen. Das Suchstichwort „Pumpe“ erbringt einen Hinweis zur CSII (Continuous Subcutaneous Insulin Infusion), zu der folgende Einschätzung abgegeben wird: „CSII (Pumpe) bei Typ-2-Diabetes selten indiziert“ (zu finden in Tabelle 27: Formen der Insulintherapie). Im Kapitel zur medikamentösen Therapie heißt es zu Insulinen unter anderem: „Für den Nutzen der Insulintherapie in Bezug auf patientenrelevante Langzeit-Endpunkte liegen wenig belastbare Hinweise von sehr geringer Aussagesicherheit vor. Gleichzeitig kann die Insulintherapie zu Hypoglykämien und Gewichtszunahme führen sowie eine Belastung (Injektionen, Anpassung des Alltags) darstellen.“ „Die Indikation für die dauerhafte Insulintherapie sieht die Leitliniengruppe daher erst dann gegeben, wenn andere, im Nutzen besser belegte Handlungsoptionen ausgeschöpft sind. Sie spricht daher eine starke Empfehlung für die Bedingungen aus, unter denen die Indikation zur Insulintherapie geprüft werden soll. Situationen, in denen eine Insulintherapie notwendig ist, sind hiervon ausgenommen und werden zusätzlich genannt.“ „Die Leitliniengruppe nimmt aus ihrer klinischen Erfahrung als Versorgungsproblem wahr, dass die Indikation zur Insulintherapie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes teilweise zu zeitig gestellt wird und eine einmal begonnene Insulintherapie nicht wieder deeskaliert wird, auch wenn die Indikation nicht mehr besteht. In anderen Situationen, in denen eine Insulintherapie ggf. auch nur temporär sinnvoll ist, wird sie erfahrungsgemäß zu zögerlich initiiert.“ Alle Details und weitere Informationen entnehmen Interessierte der Leitlinie online [2]. Die Indikation zur Insulintherapie (und ihrer Deeskalation) ist ausführlich im Abschnitt 5.5.7.1 beschrieben. Das Wichtigste in Kürze Frage: Kann eine automatisierte Insulinabgabe (AID) die Langzeitblutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetes (T2D) verbessern? Ergebnisse: Daten der 2IQP-Studie legen nahe, dass eine automatisierte Insulinabgabe (AID) auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eine strengere Kontrolle des Langzeitblutzuckers erlaubt, als dies mit herkömmlichen Formen der Insulinversorgungder Fall ist. Allerdings fand sich ein Hinweis auf eine etwas höhere Gewichtszunahme in der AID-Gruppe. Bedeutung: Das Studienteam sieht in der AID eine sichere und effektive Option zur Langzeitblutzuckerkontrolle bei insulinbehandelten Personen mit T2D. Einschränkung: Sehr kurzer Follow-up (13 Wochen). Unklar, wieviel Zeit zum AID-Training nötig war. AID hat derzeit keinen (expliziten) Stellenwert in der einschlägigen deutschen S3-Leitlinie.

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