Eradizieren oder nicht eradizieren: Ist die Gretchenfrage gelöst?

Zwar hat der Hype um Helicobacter pylori seit seinem Durchbruch Ende der 90er Jahre nachgelassen. In der täglichen Praxis gibt es aber nach wie vor Diskussionsbedarf – um die richtigen Behandlungsstrategien, die Bedeutung des Keims bei Dyspepsie und, topaktuell, in der Krebsimmuntherapie. Eradizieren oder nicht eradizieren: Das ist noch immer die Gretchenfrage bei einer H. pylori Infektion. „Wird der Keim gefunden“, sieht Professor Colm O'Morain, Irland, „eine ganze Reihe an Indikationen für die Eradikation“: gastroduodenale Ulzera, MALT-Lymphome, die funktionelle Dyspepsie, gastrische Atrophie und intestinale Metaplasie sowie eine positive Familienanamnese für Magenkrebs. Aber auch bei Eisenmangelanämie, B12-Mangel, idiopathischer Purpurea und der Beginn einer Langzeittherapie mit NSAID ist eine Eradikation in Betracht zu ziehen. Komplexe Therapieregimes mit guter Verträglichkeit Die Strategien gegen den Magenkeim sind in den letzten Jahren wesentlich komplexer geworden, die klassische Triple-Therapie ist ins Abseits geraten. „Alles ist besser als die klassische Tripeltherapie“, betonte O'Morain, so etwa die Amoxi-dual-Therapie, die Levotherapie, die Bismuth-Quadrupeltherapie, die Nicht-Bismuth-Quadrupel-Therapie, die Hybridtherapie oder auch die sequentielle Therapie. Ob die gewählte Therapie aber tatsächlich greift, hänge allerdings wesentlich von der Adhärenz des Patienten ab. Sie wird beeinflusst von der Komplexität der Therapie, der Therapiedauer, der Aufklärung des Patienten, der Wirksamkeit der Therapie, nicht zuletzt aber auch von der Motivation des Arztes. Relevant sind auch die Nebenwirkungen. Doch die Eradikationstherapien scheinen im klinischen Alltag sicher zu sein, wie Daten aus dem europäischen Register zum H. pylori-Management zeigen (1). Dort wurden die Nebenwirkungen unter einer Eradikationstherapie über sieben Tage bei 22.000 Patienten unter Real-World-Bedingungen erfasst. Bei 23 Prozent der Patienten trat mindestens eine Nebenwirkung auf. Geruchsstörungen und Diarrhoe mit jeweils 7%, Erbrechen mit 6% und Abdominalschmerz mit 3% waren die häufigsten Begleiterscheinungen. Davon waren 57% mild und nur 0,08% schwerwiegend. Auch die intestinale Mikrobiota im Darm scheint durch die Therapie kaum beeinflusst zu werden. O'Morain fand in eigenen Studien keinen Unterschied vor und nach H. pylori-Eradikation. Seine Forderung: ein Antibiotic Stewardship auch mit Blick auf die H. pylori-Therapie. Dyspepsie? Kaum strukturelle Veränderungen Werden Patienten mit Dyspepsie gastroskopiert, finden sich, laut einer Metaanalyse, bei 13,4% eine erosive Ösophagitis, bei acht Prozent ein peptisches Ulkus und bei 0,25 Prozent ein gastrointestinales Karzinom. Bei den übrigen konnten sich keine strukturellen Veränderungen feststellen lassen. Die Pathophysiologie der Dyspepsie ist unklar. Folgende Faktoren gelten allerdings als relevant für die Pathogenese, nämlich H. pylori-Infektionen, enterische Infektionen, Stress, Angst und Depression, sowie Motilitäts- und Akkommodationsstörungen, verzögerte Magenentleerung und viszerale Hypersensitivität. Was tun bei Dyspepsie unklarer Genese? Eine H. pylori-Infektion ist bei etwa fünf Prozent der Dyspepsien mit im Spiel, wobei derzeit über die „richtige“ Terminologie diskutiert wird: H. pylori-assoziierte Dyspepsie oder H. pylori-positive funktionelle Dyspepsie? Ergebnis offen. Das Management der noch nicht untersuchten Dyspepsie ist laut Professor Alexander Ford, School of medicine Leeds, UK, ein „klassisches medizinisches decision making Problem“. Dabei gilt: Ist der Keim da, sollte er auch eradiziert werden. Als mögliche Strategien nannte er: rasche gastrointestinale Endoskopie, Test auf H. pylori mit Eradikation bei positivem Befund (test and treat), empirische Säuresuppression, symptombasiertes Management. Ähnlich die Empfehlungen einer aktuelleren Studie aus dem Jahr 2019. Danach gilt als optimales Management der nicht untersuchten Dyspepsie die test & treat-Strategie, gefolgt von sofortiger Endoskopie, test & scope und, am Schluss, die empirische Säuresuppression (2). Ungünstig: H. pylori und KIT H. pylori spielt nach aktuellen Untersuchungen auch in der Krebsimmuntherapie eine Rolle. H. pylori-Seropositivität ist assoziiert mit einer reduzierten Wirksamkeit der anti-PD1-Immuntherapie, erläuterte Ford. Dies habe einen ungünstigen Effekt auf das Überleben. Die reduzierte Response scheint auch nach einer Eradikation unverändert (3). Literatur 1.) Nyssen OP et al. Adverse Event Profile During the Treatment of Helicobacter pylori: A Real-World Experience of 22,000 Patients From the European Registry on H. pylori Management (Hp-EuReg) Am J Gastroenterol. 2021 Jun 1;116(6):1220-1229 2.) Eusebi LH et al. Effectiveness of management strategies for uninvestigated dyspepsia: systematic review and network meta-analysis. MJ. 2019 Dec 11;367:l6483. doi: 10.1136/bmj.l6483 3.) Oster P et al. Helicobacter pylori infection has a detrimental impact on the efficacy of cancer immunotherapies. Gut. 2021 Jul 12;gutjnl-2020-323392. doi: 10.1136/gutjnl-2020-323392 Quelle: UEG-Week 2021, 3. 10. 2021, Session: “Role of Helicobacter pylori in diseases and symptoms” Diese Berichterstattung wurde durch finanzielle Unterstützung des Unternehmens Janssen-Cilag GmbH ermöglicht. Das Unternehmen hatte keinen Einfluss auf die Inhalte der Berichterstattung.

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