Gebrochene Elle als Hinweis auf häusliche Gewalt

Eine isolierte, nicht dislozierte Ulnaschaftfraktur bei einer jüngeren Frau kann ein Hinweis darauf sein, dass die Patientin geschlagen wurde. Das legt eine Studie aus dem Brigham and Women’s Hospital in Boston nahe, in der 62 Fälle aufgearbeitet wurden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Frauen, die von ihrem Partner misshandelt werden, scheuen sich häufig, davon zu berichten, einerseits, um ihren Mann zu decken, möglicherweise aber auch aus Angst vor dessen Rache. Dem Arzt bieten sich Gelegenheiten, solchen Gewaltexzessen auf die Spur zu kommen, wenn die Betroffenen sich mit typischen Verletzungen in der Praxis oder Notaufnahme präsentieren. Typische „Parier-Fraktur“ Ob speziell Frakturen der Elle als „Marker“ für häusliche Gewalt dienen können, hat ein Team des Brigham and Women’s Hospital in Boston, Massachusetts, untersucht. Die isolierte Ulnaschaftfraktur wird im englischen Sprachraum auch als „Nightstick-Fracture“ bezeichnet: Gemeint ist der Knüppel des Streifenpolizisten, der vor allem nachts zum Einsatz kommt. Bei einer solchen gewaltsamen Begegnung hebt das Opfer typischerweise reflexhaft den Arm, um den Kopf zu schützen. Der niedersausende Stock bringt dann bevorzugt die Elle im mittleren Schaftbereich zum Brechen, wohingegen der Radius in der Regel heil bleibt. Die Notfallradiologin Dr. Bharti Khurana und ihr Team haben die Daten von 62 Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren ausgewertet, die sich zwischen 2005 und 2019 mit einer isolierten Ulnafraktur in einem von drei großen universitären Kliniken im Nordosten der USA vorgestellt hatten. In zwölf Fällen (19%) hatte die Patientin selbst angegeben, durch ihren Partner verletzt worden zu sein. Hinzu kamen acht Fälle, in denen Gewalt in der Beziehung als mögliche Ursache für die Verletzung im Raum stand (z. B. wenn die Patientin an einem Gewaltpräventionsprogramm teilgenommen hatte oder hinweisende Begleitverletzungen, z. B. im Gesicht, vorlagen). Wie Khurani et al. berichten, hatte ein regelrechtes Screening auf Partnergewalt mit entsprechendem Vermerk in der Krankenakte nur in knapp 23% aller Fälle stattgefunden. Fehlende Dislokation Vom Typ her handelte es sich bei fast allen Verletzungen (95%), bei denen man von häuslicher Gewalt ausging, um eine nicht dislozierte Ulnafraktur. Bei gut der Hälfte war die Elle im mittleren Schaftbereich gebrochen. Beide Merkmale trafen in Fällen ohne entsprechende Hinweise nur in jeweils 43% zu. In diesen Fällen hatten die Frauen als Unfallmechanismus am häufigsten einen Motorradunfall, einen Sturz oder eine Kollision mit einem festen Gegenstand angegeben (z. B. „beim Skifahren gegen einen Baum geprallt“ oder „beim Joggen gegen einen Zementpfosten gerannt“). Die Energie, die z. B. bei einem Motorrad- oder Skiunfall auf den Unterarm einwirkt, ist in der Regel deutlich größer als bei einem einhändig ausgeführten Schlag. Dies erklärt den Forschern zufolge die Unterschiede bei den Verletzungstypen. Sturz auf die Hand führt eher zur Radiusfraktur Stürze als Ursache waren allerdings auch von 30% der Frauen genannt worden, bei denen zumindest ein dringender Verdacht auf Partnergewalt bestand oder eine solche nachweislich stattgefunden hatte. Allerdings komme eine isolierte Ulnafraktur „typischerweise nicht beim Sturz auf die ausgestreckte Hand“ vor, betonen Khurana und ihr Team. Dieser Unfallmechanismus führe eher zur Radiusfraktur. Bei den bestätigten Gewaltopfern unter den Patientinnen fiel außerdem auf, dass sie die Notaufnahme deutlich häufiger, nämlich im Schnitt siebenmal gegenüber einmal, aufgesucht hatten. Die insgesamt niedrige Fallzahl lässt die Forscher vermuten, dass betroffene Frauen mit ihren Verletzungen nicht immer medizinische Hilfe suchen. Täten sie es jedoch, habe man als Arzt die besondere Chance, Spuren von Gewalt frühzeitig als solche zu identifizieren. Damit könne man den Patientinnen helfen, sich aus dem Teufelskreis von Misshandlung und Verschweigen zu befreien. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig liegt bei isolierten Ulnafrakturen eine vom Partner ausgehende Gewalteinwirkung zugrunde? Antwort: Von 62 Fällen ließ sich Partnergewalt als Ursache in 12 bestätigen, in weiteren 8 Fällen vermuten. Typischerweise waren solche Fraktur nicht disloziert und betrafen den mittleren Schaftbereich der Ulna. Bedeutung: Isolierte Ulnafrakturen können, insbesondere wenn sie nicht disloziert sind, auf Gewalt in der Partnerschaft hinweisen. Einschränkung: Retrospektive Studie, kleine Fallzahl; subjektive Berichte.

Springer Medizin

Gebrochene Elle als Hinweis auf häusliche Gewalt

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