Vorhaben
Zum 15.06.2017 konnte mit dem Transfer und der Implementierung des Modellprojekts „Adaption und Umsetzung des Lübecker Modells Bewegungswelten in der Modellregion Pankow – Niedrigschwellige Bewegungsangebote in Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen“ begonnen werden. Die Laufzeit des durch die BZgA beauftragten und geförderten Projekts beträgt eineinhalb Jahre (15.07.2017–31.12.2018).
Unter Berücksichtigung bezirklicher Besonderheiten und etablierter Strukturen übernimmt der QVNIA e. V. als Träger die zentrale bezirkliche Koordination. Weitere Partner, die die Umsetzung des kooperativen Modellprojekts steuernd begleiten, sind das Bezirksamt Pankow mit der Abteilung „Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes“ (QPK) und das Zentrum für Bewegungsförderung Berlin (ZfB Berlin) in Trägerschaft von Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V., gefördert durch die SenGPG. Das ZfB Berlin ist eine etablierte Koordinierungsstelle für Bewegungsförderung auf Landesebene. Seine Aktivitäten und Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, niedrigschwellige Bewegung zu fördern und diese bedarfsgerecht und zielgruppenspezifisch in Lebenswelten nachhaltig zu verankern, um Berlinern in benachteiligten Lebenslagen bewegungsförderliche und bewegungsfreundliche Rahmenbedingungen als Beitrag für ein gutes und gesundes Leben zu bieten [
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Im Rahmen der Projektlaufzeit wurden sich folgende Ziele gesetzt:
Übergeordnetes Ziel:
Implementierung eines niedrigschwelligen Bewegungsangebotes in Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen des altersgerechten Wohnens
1, um die Gesundheit und Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern und zu erhalten. Der Erhalt und Ausbau der Selbsthilfefähigkeit, Mobilität, Beweglichkeit, geistigen Leistungsfähigkeit älterer Menschen sowie die Stärkung sozialer Kontakte nehmen hierbei eine zentrale Rolle ein.
Formulierte Unterziele:
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Verbindliche und nachhaltige Netzwerkerweiterung zur Umsetzung, u. a. durch die Qualifizierung von LMB-Übungsleitern, kommunale Strukturentwicklung
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Etablierung des LMB in bis zu 30 vollstationären Pflegeeinrichtungen/Einrichtungen des altersgerechten Wohnens Pankows
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Qualitätsentwicklung und -sicherung
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Sicherung der Nachhaltigkeit
Zur Erreichung der genannten Ziele übernimmt der QVNIA e. V. in der bezirklichen Projektsteuerung, -umsetzung und -begleitung die zentrale Rolle. Er übernimmt sowohl die Gewinnung als auch die Begleitung der teilnehmenden Einrichtungen und Übungsleitenden. Zur Qualitätssicherung setzt er u. a. partnerübergreifende Qualitätszirkel um sowie weitere qualitätssichernde Instrumente (z. B. Coachings der Übungsleitenden, Auswertung und Controlling der Beteiligung, Befragungen der beteiligten Akteure zur Wirksamkeit auf Teilnehmerebene, Zufriedenheitsgespräche mit den handelnden Akteuren). Neben der regionalen Öffentlichkeitsarbeit zielt die regionale Etablierung des Programms mittels der Netzwerkstrukturen auf die nachhaltige Verankerung des Programmes ab.
Die Übernahme der Aufgabenbereiche erfolgt einerseits durch die Geschäftsführung des QVNIA e. V., andererseits auch durch einen Projektmitarbeiter als sportliche Leitung mit der Qualifikation Sportwissenschaft und LMB-Trainer.
Zur bezirklichen politischen Verankerung des Modellprojektes liegt die Schirmherrschaft bei dem Pankower Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Facility Management und Gesundheit und wird durch die dort ansässige Organisationseinheit QPK unterstützt. Das ZfB Berlin unterstützt im Rahmen der Prozessbegleitung die Umsetzung und den Transfer auf Landes- und Bundesebene. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit, kontinuierlichen Steuerung sowie Begleitung der Projektumsetzung in Pankow werden mit den Kooperationspartnern (QVNIA e. V., Bezirksamt Pankow, ZfB Berlin) Steuerungsrunden durchgeführt.
Die formative Evaluation des Projektes wurde von der Universität Bielefeld übernommen.
Umsetzung und Zwischenergebnis
Aktuell setzen insgesamt 21 vollstationäre Einrichtungen, eine Tagespflege sowie zwei altersgerechte Wohnanlagen das LMB unter Begleitung des QVNIA e. V. um. Bis auf eine haben alle Einrichtungen ihren Standort in Pankow. Somit konnten 80 % aller potenziellen Settings für das Programm durch den QVNIA e. V. in Pankow erreicht werden. Die Anleitung der Bewegungsgruppen erfolgt aktuell mithilfe von über 30 qualifizierten LMB-Übungsleitern.
Regionaler Implementierungspfad
Die Gewinnung der Partner erfolgte mehrschrittig. Im ersten Schritt wurden Informationsveranstaltungen umgesetzt und alle potenziellen Einrichtungen zum LMB schriftlich informiert. Anschließend wurde telefonisch Kontakt aufgenommen. Mit interessierten Einrichtungen erfolgte eine Inhouseschulung unter Beteiligung der Einrichtungsleitung, teilweise der Pflegedienstleitung und/oder Qualitätsbeauftragten sowie beispielsweise auch ausgewählter Mitarbeitender aus der Pflege und Betreuung. Die Schulung diente der Erläuterung des kompletten Verfahrens zur Umsetzung des LMB.
Auf Grundlage einer schriftlichen Interessensbekundung wurde u. a. eine Person bestimmt, die die langfristige Projektverantwortung in der jeweiligen Einrichtung übernehmen sollte. Nach einer Einschätzung der Einrichtung durch den QVNIA e. V., wählte dieser eine geeignete Person als LMB-Übungsleiter aus und fragte diese an. Im Anschluss kam es zum Vertragsabschluss zwischen dem QVNIA e. V., der Übungsleitung und der jeweiligen Einrichtung, um die Kooperation verbindlich zu regeln.
Zur Unterstützung der Zusammenstellung der Bewegungsgruppe wurde ein sogenanntes Schnuppertraining entwickelt. Dieses wird in der Einrichtung durchgeführt und hat einen zeitlichen Umfang von einer Stunde. Es dient der gesamten Bewohnerschaft und allen Mitarbeitenden als offenes Angebot zur Information und Möglichkeit, erste praktische Erfahrungen mit dem LMB zu sammeln. Das Schnuppertraining hat sich als besonders förderlich für die Gründung und interne Bekanntmachung einer Bewegungsgruppe erwiesen.
Die interessierten Teilnehmer melden sich im Nachgang schriftlich über die einrichtungsspezifische Projektleitung an, die in Abstimmung mit dem verantwortlichen Arzt steht.
Teilnahme am Bewegungsprogramm
Unter Erfüllung der Teilnahmevoraussetzungen (mindestens einmal wöchentlich Unterstützungsbedarf in der Pflege, stehfähig ggf. mit Hilfsmittel, kognitiv befähigt und motiviert zur kontinuierlichen Teilnahme) nehmen regelmäßig im Durchschnitt acht bis zwölf Personen zweimal wöchentlich zu je 45 min an den Bewegungsgruppen des LMB teil. Das LMB ist ein vollstandardisiertes Bewegungsprogramm. Insgesamt werden in Berlin-Pankow aktuell 17 unterschiedliche Bewegungswelten durchgeführt. Als Bewegungswelten werden Themen verstanden, wie z. B. „am Strand“ oder „im Wald“, „Apfelernte“ oder „Hausbau“. Eine Bewegungseinheit steht jeweils unter einem vom Übungsleiter ausgewählten Thema. Zu den Bewegungswelten liegt ein standardisiertes Bewegungsprogramm vor. Zur Ergebnissicherung werden die Beteiligung und Kontinuität der Teilnehmenden über den QVNIA e. V. ausgewertet und in Zwischengesprächen mit den Übungsleitenden und der Einrichtung reflektiert und dokumentiert. Aktuell ist eine hohe Kontinuität in den LMB-Gruppen zu verzeichnen, was mit einer hohen Motivation und Freude der Teilnehmer zu begründen ist. Momentan läuft eine Befragung der Teilnehmenden seitens des QVNIA e. V. im Rahmen der Qualitätssicherung. Mit Ergebnissen ist zum Ende des Jahres 2018 zu rechnen. Austritte aus den LMB-Gruppen erfolgen aktuell nur, wenn der gesundheitliche Allgemeinzustand sich verschlechtert.
Ergänzend zum Bewegungsprogramm erhalten die Teilnehmer zu den umgesetzten Bewegungswelten ein tägliches Bewegungsprogramm („Mein tägliches Bewegungsprogramm“, MTB), welches selbstständig bis zu fünfmal täglich durchgeführt bzw. durch die Betreuungsassistenz vor Ort angeleitet wird. Die Akzeptanz dieses „Moduls“ ist unterschiedlich. Einige Teilnehmer setzen es mit hoher Motivation um und haben sogar „Lerngruppen“ gegründet. Dies zeigt auch die soziale Komponente des Programms auf. Überwiegend benötigen jedoch die Teilnehmenden außerhalb der Gruppen Anleitung und Motivation durch die Betreuungs- oder Pflegekräfte, was aufgrund mangelnder personeller Ressourcen nicht immer gelingen kann.
Aktuell wird in jeder der 21 Einrichtungen eine Bewegungsgruppe durchgeführt. In einzelnen Einrichtungen besteht das Interesse, zusätzlich eine weitere Gruppe zu eröffnen. Derzeit nutzen um die 240 Teilnehmer das LMB in Berlin-Pankow. Pro Einrichtung sind es durchschnittlich 11 % der Bewohner- bzw. Gästeschaft, die an dem Bewegungsprogramm teilnehmen. Aktuell werden ausgewählte Einrichtungen ergänzend in ihrer Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, um auch Interessenten aus dem Quartier an dem Programm partizipieren zu lassen. Aspekte wie Haftungsrecht und auch Mobilität/Transfer zu den Bewegungsgruppen stellen in Teilen eine operative Herausforderung dar.
Einbindung qualifizierter Übungsleitender
Die LMB-Bewegungsgruppen werden von qualifizierten LMB-Übungsleitern durchgeführt. Pro Einrichtung gibt es eine hauptverantwortliche und eine stellvertretende Übungsleitung. Die Sicherstellung von Vertreterlösungen übernimmt zusätzlich die sportliche Leitung des QVNIA e. V.
Die Akquise der Übungsleitung erfolgte über die schriftliche Ansprache aller Physio- und Ergotherapeuten Pankows, über die Berliner Universitäten im Bereich Sportwissenschaft, Pankower Sportvereine sowie über Übungsleiterportale. Die Voraussetzungen für die Qualifizierung zur LMB-Übungsleitung sind anhand von definierten Grundqualifikationen formuliert (siehe Beitrag von Ralf et al. in diesem Heft).
Bei Interesse am Programm bzw. zum kollegialen Austausch besteht das kostenfreie Angebot der Hospitation in einer Bewegungsgruppe. Das Schulungsprogramm ist vollstandardisiert, jedoch an regionale organisatorische Rahmenbedingungen angepasst. Es wurde anfänglich eng durch das Referenzteam in Lübeck begleitet und wird nun eigenständig durch den QVNIA e. V. für den Berliner Raum durchgeführt. Die Schulung ist aktuell kostenfrei und steht auch bundesweit für Interessierte zur Verfügung. Aufbauend auf der Grundqualifikation erfolgt eine Weiterqualifizierung mit insgesamt 15 Unterrichtseinheiten zum LMB.
Bisher erfolgten in Berlin-Pankow insgesamt sechs Schulungen zur Übungsleitung mit 63 Teilnehmern, von denen 50 für Berlin-Pankow weiterqualifiziert wurden. Somit konnte ein Übungsleiterpool aufgebaut werden. In insgesamt acht Einrichtungen werden die Bewegungsgruppen von den weiterqualifizierten internen LMB-Übungsleitern (in den Einrichtungen angestellte Ergo- bzw. Physiotherapeuten) durchgeführt, in 15 Einrichtungen durch externe LMB-Übungsleitende. Nach Abschluss der Grundqualifizierung erfolgt nach ein- bis zweimonatiger praktischer Tätigkeit ein Coaching durch die sportliche Leitung im QVNIA e. V. Nach erfolgreicher Umsetzung erfolgt die Lizenzausstellung durch das Referenzzentrum in Lübeck. Die kontinuierliche Begleitung der Übungsleitenden erfolgt regional durch den QVNIA e. V.
Umsetzung des LMB in den teilnehmenden Einrichtungen
Zum Start der Bewegungsgruppe erhält die Einrichtung ein Set von Materialien, den sogenannten Lübecker Bewegungskoffer. Im Rahmen eines vom QVNIA e. V. begleiteten Kennenlerntreffens werden die Übungsleiter über die Teilnehmenden, die Zusammenarbeit und die örtlichen Gegebenheiten informiert.
In der Regel werden die Teilnehmer von ihrem Betreuungspersonal zu den Gruppen gebracht und später abgeholt, wenn dies nicht selbstständig erfolgen kann. Zudem ist die Beteiligung des Betreuungspersonals eine wichtige Unterstützung für den Übungsleitenden auch bei der Durchführung des täglichen Bewegungsprogramms (MTB). Gestützt wird die Zusammenarbeit zwischen Betreuungskraft und Übungsleitung durch eine Fortbildung seitens des QVNIA e. V. Hier werden Grundlagen und Besonderheiten zur Bewegung bei älteren Menschen mit präventivem Ansatz sowie praktisch die Anleitung der MTB vermittelt. Insbesondere wird auf die korrekte Durchführung geachtet. Die Fortbildung ist für Pflege(fach)kräfte geöffnet, um auch hier die Zusammenarbeit aller Professionen zu befördern, den Stellenwert der Prävention zu vermitteln und eine Integration des Programms in den Pflegeprozess zu erreichen.
Kontinuierliche Qualitätssicherung und Projektsteuerung
Nach erfolgreichem Start des Programms erfolgen in regelmäßigen Abständen kurze Zufriedenheitsgespräche sowohl mit den Akteuren der Einrichtung, in erster Linie mit dem Projektverantwortlichen, als auch mit den Übungsleitern, um die Umsetzung reibungslos durchzuführen und Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des Programms zu erhalten. Bei der Rechnungslegung durch die Übungsleitenden werden stichprobenartig die Planungs- und Dokumentationsbögen qualitativ ausgewertet. Die quantitative Auswertung der Beteiligung erfolgt über die anonymisierten Teilnehmerlisten. Auch dies dient sowohl der Qualitätssicherung als auch der Projektsteuerung.
Seit dem Projektstart wurden insgesamt drei Qualitätszirkel (QZ) unter Beteiligung von Wissenschaftlern und Mitarbeitern des Referenzzentrums Lübeck durchgeführt. An den QZ nahmen ebenfalls die Projektleitungen der Einrichtungen sowie die Betreuungskräfte und Übungsleitenden teil. Die Moderation und Ergebnissicherung erfolgte durch den QVNIA e. V. sowie das ZfB Berlin. Zentrales Thema der QZ war die professions- und einrichtungsübergreifende Auswertung des Umsetzungsprozesses sowie des Konzeptes als solches. Im Ergebnis konnten wertvolle Erkenntnisse zur Weiterentwicklung gewonnen werden. Ein QZ diente darüber hinaus zur Lizenzverlängerung der LMB-Übungsleitenden. Es erfolgte eine Nachschulung mit drei Unterrichtseinheiten seitens des Referenzzentrums in Lübeck. Aktuell werden Gespräche zur Sicherung der Nachhaltigkeit und Fortführung des Programms in Pankow sowie zu einer möglichen Ausweitung in Berlin geführt.