Bei älteren Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz kann eine akute Harnwegsinfektion trotz antibiotischer Therapie gefährlich werden: In einer britischen Studie waren die Raten der Klinikeinweisungen wegen akuten Nierenversagens oder Sepsis abhängig von der eGFR deutlich erhöht.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Eine eingeschränkte Nierentätigkeit ist im Alter ein häufiges Phänomen. Etwa 20% der über 65-Jährigen weisen zu niedrige Filtrationsraten auf. Neueren Forschungsergebnissen zufolge steigt damit auch das Risiko einer akuten Harnwegsinfektion (HWI) – und diese kann gerade bei bereits vorgeschädigten Nieren fatale Folgen haben, wie Haroon Ahmed von der Cardiff University School of Medicine und sein Team berichten.
Mit schlechteren Nierenwerten steigt das Risiko
In ihrer Kohortenstudie mit 116.945 Patienten konnten die Forscher zeigen, dass das Risiko einer Klinikeinweisung nach einer verdachtsweise antibiotisch behandelten akuten HWI deutlich stieg, wenn die Nierenwerte im Vorfeld schlecht waren. Dieser Zusammenhang verstärkte sich mit abnehmender Nierenfunktion.
Ahmed und Kollegen wählten aus einem britischen Register Patienten über 65 aus, die sich wegen einer akuten HWI beim Hausarzt vorgestellt hatten. Deren Ausgangs-Kreatininwert musste von einer Visite innerhalb der letzten zwei Jahre bekannt sein.
Um herauszufinden, welche Rolle die Nierenfunktion zum Ausgangszeitpunkt für den Krankheitsverlauf spielte, verglichen die Forscher vier Gruppen von Patienten: solche mit eGFR-Werten zwischen 45 und 59, zwischen 30 und 44, zwischen 15 und 29 sowie unter 15 ml/min/1,73 m2. Als Referenz galten Patienten mit einer eGFR von ≥ 60. Demgegenüber war das Risiko für eine Klinikeinweisung innerhalb der nächsten 14 Tage aufgrund der HWI in den vier Gruppen mit mittelgradig bis stark erniedrigten Werten um relative 14%, 25%, 76% bzw. 68% erhöht. Die Einweisungsraten aufgrund eines akuten Nierenversagens stiegen um den Faktor 1,57, 3,21, 6,70 bzw. 4,53. In Bezug auf eine Sepsis wurden signifikante Risikoanstiege ab einer eGFR unter 45 ml/min/1,73 m2 festgestellt (OR 1,70, 2,72, 4,24).
Innerhalb eines Monats nach dem Praxisbesuch wegen der akuten HWI kam es zu 1162 Todesfällen. Die Sterberate war bei Patienten mit einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 um relative 63% gegenüber denjenigen mit normaler oder nur leicht eingeschränkter Nierenfunktion erhöht.
Welche Rolle spielt das Antibiotikum?
Ahmed und sein Team nahmen auch die Auswirkungen der unterschiedlichen therapeutischen Konzepte unter die Lupe. Das am häufigsten verschriebene Antibiotikum war Trimethoprim, gefolgt von Nitrofurantoin. Dabei war Letzteres mit deutlich weniger Risiken verbunden: Die Rate der Einweisungen wegen akutem Nierenversagen war bei den HWI-Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion unter Nitrofurantoin um bis zu 55% niedriger als unter Trimethoprim. In der Gruppe mit einer eGFR zwischen 45 und 59 kam es signifikant seltener zu erneuten Arztbesuchen und Verschreibungen wegen Harnwegssymptomen und die Sterberate sank insgesamt um bis zu 40%. Dies, so Ahmed et al., sei möglicherweise mit der günstigeren Resistenzlage zu erklären (in England sind 34% der Escherichia coli-bedingten HWI resistent gegenüber Trimethoprim, dagegen nur 2,7% gegenüber Nitrofurantoin).
Wie die Forscher betonen, traten unerwünschte Arzneimittelreaktionen unter Nitrofurantoin nicht häufiger auf.
Gemäß der britischen Arzneimittelregulationsbehörde (UK Medicines and Healthcare Products Regulation Authority) darf die Substanz in Großbritannien ab einer eGFR von mindestens 45 verabreicht werden. Im Gegensatz dazu ist Nitrofurantoin in Deutschland bei jeglicher Niereninsuffizienz kontraindiziert.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Wie gefährlich ist eine akute Harnwegsinfektion bei älteren Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion? Antwort: Das Risiko für akutes Nierenversagen, Sepsis und Tod stieg mit sinkender eGFR. Bedeutung: Die Autoren fordern gezielte Strategien zur Risikoreduktion bei älteren HWI-Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Einschränkung: Die HWI war nicht mikrobiologisch bestätigt. Es handelt sich um eine retrospektive Studie, die den kausalen Zusammenhang zwischen gewählter Therapie und Krankheitsverlauf nicht beweisen kann. |