In unserer Klinik stellte sich ein 20-jähriger Patient mit neu aufgetretenen schmerzhaften, vesikulösen Hautveränderungen zervikal linksseitig vor. In der Anamnese waren keine Vorerkrankungen bekannt; der Patient nahm keine Medikamente ein. Eine vermehrte UV-Exposition wurde verneint. Der Patient berichtete, 14 Tagen zuvor die erste SARS-CoV-2-Impfung mittels des Vektor-Impfstoffes Vaxzevria® (Fa. AstraZeneca, Cambridge, Großbritannien) erhalten zu haben.
Klinischer Befund
In der dermatologischen Untersuchung präsentierten sich im Bereich der Dermatome C3–4 linksseitig multiple, gruppiert stehende Vesikulae auf erythematösem Grund (Abb. 1). Laborchemisch fanden sich ebenso wie in der Röntgenuntersuchung des Thorax keine relevanten pathologischen Befunde. Serologisch wurde das Vorliegen einer Infektion mit humanem Immundefizienzvirus (HIV) sowie Hepatitis-Virus A–C und ausgeschlossen. Der mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) auf eine COVID-19-Infektion untersuchte Nasen-Rachen-Abstrich war negativ.
Abb. 1
Multiple, herpetiform gruppiert stehende Vesikulae auf erythematösem Grund in den Dermatomen C3–4 linksseitig
×
Anzeige
Diagnose und Therapie
Wir stellten die Diagnose eines mehrsegmentalen Zosters der Dermatome C3–4 linksseitig bei einem ansonsten gesunden 20-Jährigen nach SARS-CoV-2-Impfung und leiteten eine intravenöse Behandlung mittels Aciclovir 750 mg 3‑mal/Tag sowie eine begleitende analgetische Therapie ein, worunter sich der Befund rasch besserte.
Diskussion
Ein Zoster wird durch die endogene Reaktivierung latenter Varizella-Zoster-Viren (VZV) bedingt, die nach einer Windpockenerkrankung oder -lebendimpfung zeitlebens in den Ganglien der Hinterwurzeln verbleiben. Zunehmendes Lebensalter, Immunsuppression und hohe UV-Exposition sind bekannte Provokationsfaktoren [1, 2]. Das Auftreten eines Zosters im Rahmen einer COVID-19-Infektion wurden bereits mehrfach beschrieben [3, 4]. Auch Vakzinierungen, wie beispielsweise gegen Tollwut, Influenza- und Hepatitis-A-Virus, können Trigger für Zoster darstellen. Als eine zentral relevante Ursache wurde eine transiente Lymphopenie nach Impfung diskutiert [5].
Seit Beginn der Vakzinierungen gegen SARS-CoV‑2, konnten wir in unserer Klinik wiederholt einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten eines Zosters beobachten. In einer aktuellen Zusammenstellung der publizierten Literatur wurden 52 Patienten mit Zoster nach COVID-19-Impfung beschrieben. Lediglich einer der Patienten hatte eine Vakzinierung mittels Vektorimpfstoff erhalten, bei allen anderen Patienten waren es mRNA-Impfstoffe. Meist entwickelte sich der Zoster nach der ersten Impfung; der Zeitraum zwischen Vakzinierung und ersten Anzeichen des Zosters betrug 1 bis 26 Tage [6, 7].
Durch den Stufenplan der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) wurde in Deutschland, ebenso wie in vielen Ländern weltweit, für die COVID-19-Impfstrategie eine Priorisierung insbesondere in Abhängigkeit von dem Lebensalter und den Vorerkrankungen festgelegt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die bislang publizierten Patienten mit Zoster nach Vakzinierung gegen SARS-CoV‑2 meist ein hohes Lebensalter und/oder entsprechende Vorerkrankungen aufwiesen. Es wurden jedoch zuletzt auch Fälle von Zoster nach COVID-19-Impfungen bei gesunden, jungen Patienten ohne Risikofaktoren publiziert. Die jüngsten dieser Patienten waren 21 bzw. 23 Jahre alt [5, 8]. Aktuell wurde in Deutschland die Priorisierung für die COVID-19-Vakzinierung aufgehoben, sodass sich nun jeder aus der Bevölkerung ab dem 12. Lebensjahr impfen lassen kann [9]. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft auch noch jüngere Kinder geimpft werden.
Anzeige
Zu den häufigsten beschriebenen kutanen Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfung zählen neben Erythemen (0,05 % Biontech vs. 0,06 % Moderna vs. 0,01 %) und Schwellungen (0,06 % Biontech vs. 0,1 % Moderna vs. 0,02 % AstraZeneca) auch makulopapulöse Arzneimittelexantheme (< 0,1 % Moderna) und Urtikaria (0,2 % Moderna) [10]. In einer aktuellen spanischen Studie konnten innerhalb eines Zeitraums von bis zu 21 Tagen 405 Patienten mit kutanen Nebenwirkungen identifiziert werden. Hier wurde eine VZV-Reaktivierung bei 10,1 % der Patienten beobachtet, wobei diese nach der Erst- häufiger als nach der Zweitimpfung auftrat (63,4 % vs. 36,6 %). In dieser Gruppe hatten 68,3 % der Betroffenen den Impfstoff von Biontech, 14,6 % von Moderna und 17,1 % von AstraZeneca erhalten [11].
Eine COVID-19-Infektion verläuft bei jüngeren Menschen in der Regel mild. Dennoch zeigte eine US-amerikanische Studie, dass 21 % der über 3200 Patienten mit einer COVID-19-Infektion im Alter zwischen 18 und 34 Jahren intensiv- und 10 % beatmungspflichtig waren. Verstorben sind rund 2,7 % der untersuchten jungen Patienten [12].
Fazit für die Praxis
Dieser Fallbericht zeigt den weltweit bisher jüngsten publizierten gesunden Patienten mit Zoster nach COVID-19-Impfung.
Klinisch tätige Ärzte sollten wissen, dass es auch bei jungen, ansonsten gesunden Menschen nach COVID-19-Impfung zu einem Zoster als seltene Komplikation kommen kann.
Das Zoster-Risiko sollte den Patienten und ggf. Eltern vor einer anstehenden Impfung bekannt sein und bei der Entscheidung mit berücksichtigt werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
V. Lebedeva, C. Müller und J. Dissemond geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med Dermatologie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Dermatologie, den Premium-Inhalten der dermatologischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten dermatologischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Antibiotikaengpass in Deutschland – Wie hängen Pneumokokken und akute Otitis media damit zusammen? Antwort, Hintergründe & Handlungsempfehlungen >>> hier!
Als eines der global führenden Gesundheitsunternehmen besitzt MSD mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Impfstoffen. Hier finden Sie Informationen zu einigen der von der STIKO empfohlenen Immunisierungen, z.B. der MMRV- und der HPV-Impfung sowie der Pneumokokken-Impfung für Senioren.
Das consilium Allgemeinmedizin/Geriatrie von InfectoPharm vermittelt Ihnen Expertenwissen zu Themen aus Ihrer alltäglichen Praxis. Dabei geht es in der Regel um aktuelle spannende Patientenfälle, relevante Therapiefragen oder Fragen zu geeigneten diagnostischen Maßnahmen sowie möglichen Differenzialdiagnosen. Machen Sie sich selbst ein Bild!