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Erschienen in: Die Ophthalmologie 12/2019

Open Access 27.11.2019 | Verletzungen des Auges | Leitthema

Landesweite Studien aus den Niederlanden und Finnland zur Häufigkeit von Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper unter dem Einfluss verschiedener Schutzmaßnahmen

verfasst von: Jan Tjeerd de Faber, Tero T. Kivelä, Ameli Gabel-Pfisterer

Erschienen in: Die Ophthalmologie | Ausgabe 12/2019

Zusammenfassung

Feuerwerksbedingte Augenverletzungen treten weltweit v. a. bei privaten Feuerwerken auf. Zwei Register aus Finnland über 20 Jahre und aus den Niederlanden über 10 Jahre haben die Auswirkungen von Öffentlichkeitsarbeit und gesetzlichen Regelungen untersucht. Die Häufigkeit von Feuerwerksverletzungen in diesen beiden Ländern wurde in den letzten 10 Jahren auf etwa die Hälfte reduziert, indem die Anzahl der zulässigen Stunden für private Feuerwerke und strengere Vorschriften für die Verwendung von Feuerwerkskörpern festgelegt wurden. Zudem wurde die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und die Verwendung von Schutzbrillen empfohlen und erleichtert. Obwohl mit diesen Maßnahmen die Gesamtzahl der Verletzungen zurückgegangen ist, scheint die Schwere der Augenverletzungen in den Niederlanden möglicherweise aufgrund des höheren Gehalts an Schwarzpulver in Feuerwerkskörpern zuzunehmen. Vor allem Jungen und junge Männer sind von Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper betroffen, ebenso wie Zuschauer, die von mehr als der Hälfte der Verletzungen betroffen sind. Es ist noch viel zu tun, um Feuerwerke sicherer zu machen – eine Herausforderung für alle länderübergreifenden ophthalmologischen Organisationen wie European Society of Ophthalmology (SOE) und International Council of Ophthalmology (ICO) und die nationalen Gesellschaften gleichermaßen. Aber jedes Auge, das vor schweren Verletzungen bewahrt werden kann, ist die Mühe wert.
Hinweise
Die englische Version dieses Beitrags ist unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s00347-019-00996-4 zu finden.
Der Beitrag wurde übersetzt von Dr. Ameli Gabel-Pfisterer, Potsdam.
Augenverletzungen durch Feuerwerk treten auf der ganzen Welt typischerweise an Feiertagen wie Silvester in Europa, in Indien und einigen anderen asiatischen Ländern an Diwali (15. Kartik, ein Monat im indischen Kalender), in Großbritannien am Guy Fawkes Day (4. November) und in den USA am Independence Day (4. Juli) auf. Für diese Feiertage können in vielen Ländern Feuerwerkskörper an private Verbraucher verkauft und von diesen genutzt werden. Die Häufigkeit von feuerwerksbedingten Augenverletzungen ist sehr unterschiedlich. In einigen Ländern sind sie selten bis fast nicht vorhanden (Australien, Irland), während in Ländern, in denen es keine Beschränkungen für die Verwendung von Feuerwerkskörpern gibt, die jährliche Inzidenz auf bis zu 40 pro 1 Mio. Einwohner steigen kann. In diesem Beitrag beschreiben wir die Unterschiede in der Häufigkeit dieser Augenverletzungen in verschiedenen Ländern und wie sie durch Informationskampagnen, Sicherheitsempfehlungen oder gesetzliche Regulationen zum Absatz oder Gebrauch von Feuerwerkskörpern beeinflusst werden.
Augenverletzungen im Zusammenhang mit privatem Feuerwerk stellen ein ernsthaftes globales Problem dar. Die Hälfte der Verletzten sind Kinder, und ein Zehntel der Verletzten erblindet dauerhaft [5]. Länder mit restriktiven Feuerwerksvorschriften melden fast 90 % weniger Augenverletzungen als Länder ohne solche Vorschriften. Der Präsident der European Society of Ophthalmology (SOE) hat einen weltweiten Aktionsplan zur Prävention von Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper initiiert, der unter anderem auch vom International Council of Ophthalmology (ICO), der American Academy of Ophthalmology (AAO) und der International Agency for Prevention of Blindness (IAPB) unterstützt wird. Die SOE hat ein Online-Register für feuerwerksbedingte Augenverletzungen entwickelt, um Daten zu sammeln. Die Niederländische Gesellschaft für Augenheilkunde (NOG) mahnt strengere Regelungen im privaten Umgang mit Feuerwerkskörpern an und empfiehlt Einzelpersonen den Gebrauch von Schutzbrillen [24, 6]. Die Augenklinik der Universität Helsinki arbeitet seit 2 Jahrzehnten eng mit der finnischen Augenärztlichen Gesellschaft und der Finnischen Agentur für Sicherheit und Chemikalien zusammen. Sie organisiert nationale Datenerhebungen, hat sich erfolgreich für ein gezieltes Verbot der gefährlichsten Feuerwerkskörper eingesetzt und weitere Gesetzesänderungen auf der Grundlage der erhobenen Daten eingefordert. Ähnliche regulatorische Prozesse sind weltweit in anderen Ländern erforderlich. In dieser Studie möchten wir den Einfluss von öffentlichen Kampagnen und Änderungen der Gesetzgebung zum Schutz der Menschen vor schmerzhaften und visusmindernden Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper untersuchen.

Material und Methoden

In den Niederlanden wird seit 11 Jahren jährlich in den Tagen um Silvester eine Erhebung von Daten von Patienten mit feuerwerksbedingten Augenverletzungen durchgeführt, die von Augenärzten gesehen und behandelt werden. In den 2 Wochen um Silvester von 2008 bis 2019 stand allen niederländischen Augenärzten eine Website zur Verfügung. Nachdem Daten von allen diensthabenden niederländischen Augenärzten in diesem Zeitraum gesammelt wurden, wurde eine Telefonumfrage an allen Kliniken durchgeführt, um die Teilnahmequote zu überprüfen. In den 11 Jahren der Umfrage wurde eine Teilnahmequote von 92–96 % verzeichnet.
In Finnland wurde in den letzten 20 Jahren eine ähnliche Umfrage durchgeführt, die alle Krankenhäuser umfasst; sie erfasst keine Bagatellverletzungen, die von Allgemeinmedizinern ohne Rücksprache mit einem Augenarzt behandelt werden können. Die Daten aus Finnland sind hier für 2009 bis 2019 aufgeführt, um eine Vergleichbarkeit mit den niederländischen Daten zu ermöglichen. Beide Umfragen beinhalten Fragen zu Alter, Geschlecht, Unfallablauf (Zuschauer oder aktiver Feuerwerker), Art des Feuerwerks, Ausmaß der Verletzung, Therapie und angenommener Prognose. Wir korrelieren die Gesamtzahlen zeitlich mit durchgeführten öffentlichen Kampagnen und Gesetzesänderungen, um deren Auswirkungen auf die Inzidenz zu veranschaulichen.

Ergebnisse

Alter und Geschlecht

In den Niederlanden und in Finnland sind die meisten Verletzten junge Männer. Weniger als 10 % der Verletzten sind weiblich, 50 % sind Zuschauer.
Das mittlere Durchschnittsalter in den Niederlanden während der 11 Jahre der Erhebung variierte zwischen 23 und 27 Jahren und der Median des Alters zwischen 18 und 23 Jahren. Eine Verschiebung zu höheren Altersgruppen deutet auf einen besseren Schutz von Kindern hin. Das jüngste Opfer in den Niederlanden war dennoch ein 3‑jähriger Zuschauer (Tab. 1).
Tab. 1
Alter der Verletzten in den Niederlanden (Mittel und Median) in den 11 Jahren der Umfrage
Jahr
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018/19
Mittleres Alter
23,3
23,1
24,5
27,3
24,3
25
25,5
26,2
26,2
25,2
25,3
Alter Median
18
19
21
23
20
21
21,5
21,0
23
21
22
In Finnland lag das Durchschnittsalter über die 11 Jahre bei 25 Jahren und der Median bei 20 Jahren. Der jüngste Patient war ein 4‑jähriger Zuschauer.

Feuerwerkskörper

In den Niederlanden haben Raketen (25 %), Knallkörper (35 %) und Römische Lichter (11 %) die meisten Augenverletzungen verursacht. Ein ähnliches Spektrum an auslösenden Feuerwerkskörpern wurde auch in Finnland festgestellt. Aber selbst Wunderkerzen können zu schweren Augenverletzungen führen. Feuerwerksbatterien, die nur einmal gezündet werden müssen, um mehrfache Effekte auszulösen, haben in der Öffentlichkeit einen sicheren Ruf. In den Niederlanden haben sie jedoch bis zu 20 % der schwereren Augenverletzungen mit dauerhaften Schäden am Auge verursacht.

Inzidenz

Die Inzidenz feuerwerksbedingter Augenverletzungen hat im Beobachtungszeitraum aufgrund von verstärkter Öffentlichkeitsarbeit und strengeren Vorschriften von 16 bis 18 auf 8 Verletzungen pro 1 Mio. Einwohner in den Niederlanden und von 9 auf 2 Verletzungen pro 1 Mio. Einwohner in Finnland abgenommen (Abb. 1).

Zuschauer („Bystander“) und „Selbstzünder“

Der Anteil der verletzten „Selbstzünder“, die das Feuerwerk selbst gezündet haben, lag in beiden Ländern im Beobachtungszeitraum zwischen 40 und 70 %, was nahelegt, dass im Mittel rund die Hälfte der Verletzten Zuschauer und Passanten sind (Abb. 2).

Sicherheitsmaßnahmen

Zeitliche Begrenzung

In den Niederlanden wurde im Jahr 2015 die Zeit während der privates Silvesterfeuerwerk gezündet werden darf, von 16 auf 8 Stunden reduziert (siehe Abb. 3). In Finnland trat eine vergleichbare Einschränkung bereits 2010 in Kraft (Abb. 4).

Schutzbrillen

Eine nationale Kampagne zur Stärkung der Sicherheitsmaßnahmen war in den Niederlanden recht erfolgreich [3, 4]. Die Verwendung von Schutzbrillen hat insgesamt zugenommen, sie werden aber nicht immer von Selbstzündern und nur selten von Umstehenden getragen. In Finnland wird die Verwendung von Schutzbrillen seit 1999 befürwortet, und ist seit 2010 für alle Selbstzünder gesetzlich vorgeschrieben. Jedem, der sich an Silvester im Freien bewegt, wird ebenfalls empfohlen, eine Schutzbrille zu tragen.

Beschränkungen des Handels und der Auswahl von Feuerwerkskörpern

Seit dem Jahr 2010 dürfen in Finnland Feuerwerkskörper nur noch an Volljährige abgegeben werden. Darüber hinaus wurden ab 2010 in Finnland 2 Klassen kleinerer Feuerwerkskörper, die über mehrere Jahre die meisten Augenverletzungen verursacht hatten, verboten: Römische Kerzen mit einem Durchmesser von weniger als 20 mm und kleine Flaschenraketen. Man kann einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Augenverletzungen beobachten, seitdem all diese Vorschriften ihre Wirkung entfalten (Abb. 4).
Eine weitere Schlussfolgerung der 11-jährigen Umfrage in den Niederlanden ist, dass zwar weniger Augenverletzungen auftreten, der Anteil der bleibenden Augenschäden jedoch leicht zugenommen hat (Tab. 2). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass seit 2014 in den Niederlanden größere Mengen Schießpulver (bis zu 200 g) pro Projektil verwendet werden dürfen. Während der 11-jährigen Umfrage erlitten 2350 niederländische Verletzte 2898 verletzte Augen; 1021 Augen trugen dauerhafte Schäden davon, 190 erblindeten und 76 Augen mussten entfernt werden.
Tab. 2
Elf Jahre Augenverletzungen durch Feuerwerk in den Niederlanden
Augenverletzungen
2008/2009
2009/2010
2010/2011
2011/2012
2012/2013
2013/2014
2014/2015
2015/2016
2016/2017
2017/2018
2018/2019
Patienten
259
308
251
217
271
245
210
160
176
120
132
Aktiver Feuerwerker
109
148
126
108
158
147
98
95
95
72
76
Umstehende
150 (58 %)
160 (52 %)
125 (50 %)
109 (50 %)
113 (42 %)
98 (40 %)
112 (53 %)
65 (41 %)
81 (46 %)
48 (40 %)
56 (42 %)
Augen
309
358
307
256
331
311
268
200
224
157
176
Vorübergehender Schaden
203
242
190
151
227
213
171
127
144
98
111
Dauerhafter Schaden
106 (34 %)
116 (32 %)
117 (38 %)
105 (41 %)
104 (31 %)
98 (32 %)
97 (36 %)
73 (37 %)
80 (36 %)
59 (38 %)
65 (37 %)
Visusverlust
44
51
36
59
57
55
31
29
37
23
11
Erblindete Augen
20
22
16
21
25
20
10
15
19
11
10
Entfernte Augen
14
9
7
9
8
10
6
1
5
5
2
Im Gegensatz dazu hat Finnland die zulässige Menge an Schießpulver in Raketen im Jahr 2010 von 200 g auf 75 g reduziert, und der größte Durchmesser der „aerial shells“ (Luftgranaten) wurde auf 28 mm begrenzt. Im gleichen Zeitraum von 11 Jahren erlitten 236 Verletzte Augenverletzungen. Davon hatten 50 Augen eine dauerhafte Visusminderung, 184 Augen erlitten leichte Verletzungen ohne bleibende Schäden. Allerdings erlitten 117 Augen Verletzungen von mittlerer Schwere, wie z. B einer verzerrten Pupille, aber ohne dauerhaften Sehverlust. Insgesamt gesehen mussten jedoch keine Augen entfernt werden. In beiden Ländern hat sich der Prozentsatz der Patienten mit Verletzungen, die einen bleibenden Schaden am Auge hinterlassen, nicht verbessert (Abb. 5).

Diskussion

Die nationalen Register in den Niederlanden und in Finnland zeigen, dass die Inzidenz der feuerwerksbedingten Augenverletzungen in beiden Ländern unter dem Einfluss von Öffentlichkeitsarbeit und Überarbeitung der gesetzlichen Vorschriften, wie z. B. der zeitlichen Begrenzung von privatem Feuerwerk von 16 auf 8 h gesunken ist. Ein Verbot bestimmter Arten von Feuerwerkskörpern und Kampagnen zum Tragen von Schutzbrillen haben ebenfalls dazu beigetragen, die Zahl der Augenverletzungen in beiden Ländern zu verringern [6]. Andererseits hat in den Niederlanden offenbar der Anstieg des Sprengstoffgehalts in Feuerwerkskörpern gemäß EU-Norm die Zahl der schweren Augenverletzungen erhöht.

Auswirkungen auf die Inzidenzraten durch Vorschriften für den Einsatz von Feuerwerkskörpern und Sicherheitsmaßnahmen

In Finnland forderte im Juni 2019 eine an das Parlament gerichtete Bürgerpetition gesetzliche Regelungen zum Verbot aller privat genutzten Feuerwerkskörper oberhalb Kategorie F1. Um angenommen zu werden, muss eine Petition in 6 Monaten mindestens 50.000 Unterschriften erhalten; die beantragte Gesetzesvorlage erreichte diese Zahl im Dezember 2018 bereits innerhalb von 3 Wochen.
Eine an Eltern und Kinder gerichtete nationale Kampagne, die auf die Gefahren von Feuerwerken hinweist, hat in Holland dazu beigetragen, die Zahlen von jungen Opfern zu reduzieren [3, 4]. Neben der Empfehlung, sich während des Feuerwerks in Gebäuden aufzuhalten, werden Kinder zum Tragen von Schutzbrillen motiviert, indem diese in einigen Gemeinden (z. B. in Rotterdam) kostenlos in Grund- und Mittelschulen verteilt werden.
Obwohl das Tragen von Schutzbrillen bei Feuerwerken zugenommen hat, werden sie in den Niederlanden nur von wenigen erwachsenen Selbstzündern und noch seltener von Zuschauern getragen.
In Finnland trägt die Mehrheit der Selbstzünder eine Schutzbrille, was zu einem Rückgang der schwersten Verletzungen geführt hat (Tab. 3). Da Schutzbrillen die Schwere von Augenverletzungen reduzieren können, sind penetrierende Verletzungen heute selten geworden, und das Risiko, ein Auge zu verlieren, ist in Finnland stark gesunken.
Tab. 3
11 Jahre Augenverletzungen durch Feuerwerk in Finnland
Augenverletzungen
2008/2009
2009/2010
2010/2011
2011/2012
2012/2013
2013/2014
2014/2015
2015/2016
2016/2017
2017/2018
2018/2019
Patienten
47
40
27
21
15
11
7
31
12
12
13
Aktiver Feuerwerker
31
N/A
20
14
11
4
3
23
7
6
10
Umstehende
16
N/A
7
7
4
7
4
8
5
6
3
Augen
50
N/A
N/A
N/A
18
14
8
37
12
13
13
Milde Verletzung
24
23
N/A
13
5
8
3
16
5
6
2
Mäßige Verletzung
12
13
N/A
4
5
2
3
10
5
4
8
Schwere Verletzung
11
4
N/A
4
5
1
1
5
2
2
3
N/A unvollständige oder fehlende Daten

Erhöhung der Zahl schwerer Augenverletzungen durch höhere Mengen an Sprengstoffen

Eine weitere Schlussfolgerung dieser 11-jährigen Untersuchung ist, dass in den Niederlanden zwar weniger Augenverletzungen auftreten, der Prozentsatz der bleibenden Schäden an den Augen jedoch zugenommen hat. Dies ist hier wohl auf den höheren Gehalt von Schwarzpulver je Projektil zurückzuführen, der sich im Rahmen der EU-Richtlinie geändert hat. So sehen wir einerseits weniger Augen mit Feuerwerksverletzungen, aber mehr Augen mit schweren Verletzungen, die wegen der erhöhten Sprengkraft mit dauerhaften Schäden rechnen müssen.

Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper als globales Problem

Die SOE hat mit Unterstützung des ICO kürzlich die erste internationale Umfrage zu feuerwerksbedingten Augenverletzungen durchgeführt. Aus 25 Ländern wurden 425 Verletzte gemeldet, was verdeutlicht, dass es sich um ein globales Problem handelt, von dem in der vorliegenden Arbeit nur die Spitze des Eisbergs sichtbar wird. Die Mehrheit der Patienten waren Männer (90 %) und Kinder, und 50 % waren Zuschauer; 12 % der Unfälle endeten mit einem blinden Auge, und 5 % der Augen mussten entfernt werden. Die weltweiten Daten sind mit denen der niederländischen Umfrage vergleichbar (Tab. 4).
Tab. 4
SOE(European Society of Ophthalmology)-Umfrage 2017/18: n = 475 Verletzte aus 25 Ländern
Argentinien
Guatemala
Pakistan
Australien
Ungarn
Philippinen
Bangladesch
Indien
Russland
Brasilien
Indonesien
Ruanda
Kanada
Irland
Suriname
Tschechien
Italien
Großbritannien
China
Litauen
USA
Curaçao
Mexico
Deutschland
Niederlande
n = 475; 50 % der Verletzten waren Umstehende oder Passanten (35 % erlitten einen dauerhaften Schaden, 12 % erblindeten nach Gesetz, 5 % Enukleationen, 90 % Männer, 50 % Kinder oder Jugendliche)
Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage unter diensthabenden Augenkliniken, die von 2016 bis 2019 durchgeführt wurde, fanden bei rund 1400 Patienten eine deutlichen Überzahl von Männern (75 %) im jüngeren Alter (60 % waren 25 Jahre oder jünger) und Zuschauern oder Passanten (60 %). Begleitende Verletzungen des zweiten Auges, des Gesichts und der Hände waren häufiger bei Kindern, die überwiegend durch Knallkörper verletzt wurden. Diese Daten sind vergleichbar mit den Ergebnissen aus den Niederlanden, wo die Vorschriften ähnlich sind, und zeigen deutlich die Notwendigkeit effektiverer Schutzmaßnahmen und intensiver Öffentlichkeitsarbeit (s. diese Ausgabe).
Die Daten zeigen die Notwendigkeit und den Effekt effektiver Schutzmaßnahmen und intensiver Öffentlichkeitsarbeit
In Australien sind seit 1987 keine privaten Feuerwerke mehr erlaubt. Seither wurden keine feuerwerksbedingten Augenverletzungen beschrieben. Es gibt jedoch eine Ausnahme: In den Northern Territories (Hauptstadt: Darwin) wird der Territory Day (1. Juli) gefeiert, der die einzige Ausnahme vom totalen Verbot von privaten Feuerwerken darstellt. Die einzigen australischen Augenverletzungen durch Feuerwerk 2018 wurden daher in Darwin beschrieben. In der Republik Irland trat bereits 1875 ein Feuerwerksverbot in Kraft, hier können die Verbraucher heute Feuerwerkskörper der Kategorie F1 mit sehr geringer Gefährdung (z. B. Tischfeuerwerk, Weihnachtskracher und einige Wunderkerzen) erwerben. Professionelle Feuerwerksshows sind ebenfalls erlaubt. Die an das finnische Parlament gerichtete Bürgerpetition hat sich eine vergleichbare Regelung zum Ziel gesetzt. Evidenz dazu legt die Studie von Wisse vor, die eine Reduktion der Feuerwerksbedingten Verletzungen um 87 % durch ein Verbot von privatem Feuerwerk zeigt [7].
In den Vereinigten Staaten wurden 2017 etwa 1300 Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper behandelt, 36 % bei Kindern unter 15 Jahren, und 50 % der Patienten waren jünger als 20 Jahre, so die Consumer Product Safety Commission (CPSC) [1]. Acht Betroffene starben nach Feuerwerksunfällen. Augenverletzungen machten 14 % und Verbrennungen 53 % der feuerwerksbedingten Verletzungen aus, die in Notfallambulanzen und -kliniken behandelt wurden. Knallkörper und Raketen verursachten mehr als die Hälfte der Verletzungen. Für die Datenerhebung wurde das National Electronic Injury Surveillance System (NEISS) verwendet. Aus diesen Daten geht hervor, dass zwischen 1999 und 2017 schätzungsweise 40 Personen pro 1 Mio. Einwohner Feuerwerksverletzungen erlitten haben. Männer machten dabei 70 % aller Verletzten aus. Rund 50 % dieser Augenverletzungen betrafen Umstehende oder Passanten was vergleichbar ist mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie.

Was können Augenärzte tun, um feuerwerksbedingte Augenverletzungen zu vermeiden?

Das öffentliche Bewusstsein für die Gefahr von Verletzungen durch Feuerwerkskörper muss geweckt werden. Dies erfordert eine verstärkte Aufklärung der Öffentlichkeit, insbesondere in der Zeit um die betroffenen Feiertage. Als Augenärzte müssen wir die Aufmerksamkeit der Medien nutzen, um die Öffentlichkeit zu warnen, und uns für Veränderungen der gesetzlichen Regelungen einsetzen. Mit dem Ziel, den privaten Konsum von Feuerwerkskörpern zu reduzieren, haben Augenärzte in den Niederlanden ein 10-Stufen-Programm entwickelt, um die Öffentlichkeit zu informieren und die Wahrnehmung des Problems durch die Gesetzgeber zu stärken [3].
Die 10 Schritte des gesellschaftlichen Aktionsplans für „Ärzte auf den Barrikaden“ sind:
  • Machen Sie eine Bestandsaufnahme des Problems und erklären Sie der Öffentlichkeit, warum eine gesellschaftliche Veränderung notwendig ist.
  • Machen Sie sich die Daten zu eigen und erklären Sie in einfachen Worten Ihre medizinische Expertise des Problems.
  • Fassen Sie die Daten zusammen und veröffentlichen Sie sie.
  • Schaffen Sie Verständnis und Unterstützung für Ihre lokalen, nationalen und internationalen Kollegen.
  • Binden Sie die Medien ein (Social Media, TV, Radio, Printmedien).
  • Schaffen Sie Unterstützung in der Bevölkerung.
  • Erstellen Sie eine Community und starten Sie eine eigene Website.
  • Seien Sie gerüstet für Gegenangriffe etwa wegen des kommerziellen Interesses der Feuerwerksindustrie.
  • Bieten Sie eine sichere Alternative, wie z. B. öffentliches professionelles Feuerwerk.
  • Erstellen Sie einen mittelfristigen und einen langfristigen Plan und bleiben Sie dran.

Schlussfolgerung

Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper treten weltweit auf, am häufigsten dort, wo es keine oder nur unzureichende gesetzliche Regulierungen gibt. In Ländern, in denen die Verwendung von privaten Feuerwerken begrenzt ist, werden weniger Verletzungen registriert. Diese Regelungen zielen darauf ab, die zulässigen Zeiten für den Verkauf und die Verwendung von Feuerwerkskörpern zu begrenzen, das zulässige Alter für die Verwendung von Feuerwerkskörpern zu erhöhen und gezielte Verbote für bestimmte besonders verletzungsgefährdende Produkte zu erlassen. Außerdem sollte für den Gebrauch von Schutzbrillen geworben werden.
Feuerwerksbedingte Augenverletzungen sind ein internationales Problem, das eine globale Lösung erfordert [5, 6]. Wo es offene Handelsgemeinschaften wie den EU-Binnenmarkt gibt, ist es schwierig, in einem Land Beschränkungen für den Verkauf bestimmter oder aller Arten von Feuerwerkskörpern zu schaffen. Der ungehinderte Waren- und Personenverkehr soll gewährleistet bleiben. Daher befürworten und unterstützen die überregionalen ophthalmologischen Organisationen (SOE, ICO, IAPB und Vision 2020) die Bemühungen um ein weltweites Verbot von privat genutzten Feuerwerkskörpern.

Fazit für die Praxis

  • Feuerwerksbedingte Augenverletzungen treten weltweit insbesondere bei privaten Feuerwerken auf.
  • Rund 75 % der Verletzten sind Jungen und Männer.
  • Etwa die Hälfte der Verletzten sind Zuschauer oder Passanten.
  • Schutzbrillen können Verletzungen verhindern und deren Schäden mindern.
  • In Ländern, in denen die Verwendung von privaten Feuerwerken begrenzt ist, werden weniger Verletzungen registriert.
  • Die ophthalmologischen Organisationen (DOG, SOE, ICO, IAPB und Vision 2020) befürworten und unterstützen die Bemühungen um ein weltweites Verbot von privat genutzten Feuerwerkskörpern.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

J.T. de Faber, A. Gabel-Pfisterer und T.T. Kivelä geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Literatur
2.
Zurück zum Zitat de Faber JT (2009) Fireworks injuries treated by Dutch ophthalmologists New Year 2008/09. Ned Tijdschr Geneeskd 153:A507PubMed de Faber JT (2009) Fireworks injuries treated by Dutch ophthalmologists New Year 2008/09. Ned Tijdschr Geneeskd 153:A507PubMed
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Zurück zum Zitat de Faber JTHN, van Zuilen M, Snouck Hurgronje M, Keunen J (2017) Social awareness campaign for a ban on consumer fireworks: 10 tips; doctor on the barricade. Ned Tijdschr Geneeskd 161:D2249PubMed de Faber JTHN, van Zuilen M, Snouck Hurgronje M, Keunen J (2017) Social awareness campaign for a ban on consumer fireworks: 10 tips; doctor on the barricade. Ned Tijdschr Geneeskd 161:D2249PubMed
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Zurück zum Zitat Toth G, Resnikoff S, de Faber JT, Nemeth J (2019) Preventing blindness and visual impairment in Europe: What do we have to do? Eur J Ophthalmol 29(2):129–132CrossRef Toth G, Resnikoff S, de Faber JT, Nemeth J (2019) Preventing blindness and visual impairment in Europe: What do we have to do? Eur J Ophthalmol 29(2):129–132CrossRef
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Zurück zum Zitat Wisse RP, Bijlsma WR, Stilma JS (2010) Ocular firework trauma: a systemic review on incidence, severity, outcome and prevention. Brit J Ophthalmol 94(12):1586–1591CrossRef Wisse RP, Bijlsma WR, Stilma JS (2010) Ocular firework trauma: a systemic review on incidence, severity, outcome and prevention. Brit J Ophthalmol 94(12):1586–1591CrossRef
Metadaten
Titel
Landesweite Studien aus den Niederlanden und Finnland zur Häufigkeit von Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper unter dem Einfluss verschiedener Schutzmaßnahmen
verfasst von
Jan Tjeerd de Faber
Tero T. Kivelä
Ameli Gabel-Pfisterer
Publikationsdatum
27.11.2019
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Ophthalmologie / Ausgabe 12/2019
Print ISSN: 2731-720X
Elektronische ISSN: 2731-7218
DOI
https://doi.org/10.1007/s00347-019-00998-2

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