Versagen Provokationstests am Knie bei Adipositas?

Mit der Interpretation von Provokationstests nach einer Knieverletzung sollte man vor allem bei übergewichtigen Patienten vorsichtig sein. So wird ein vorderer Kreuzbandriss mit Schublade und Lachmann nicht unbedingt zuverlässig erkannt. Meniskustests dagegen liefern häufig falsch positive Resultate. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Orthopädische Untersuchungstechniken stoßen bei übergewichtigen Patienten nicht selten an ihre Grenzen. Wie eine Studie aus Israel nahelegt, gilt das besonders für Provokationstests am Kniegelenk: So wurde ein vorderer Kreuzbandriss (VKR) mit vorderer Schublade, Lachmann-Test oder Pivot-Shift-Test bei Adipösen (BMI ≥ 30 kg/m2) bei weniger als der Hälfte der Fälle korrekt erkannt. Ein positives Testergebnis war allerdings in allen Fällen sehr verlässlich: Die Spezifitäten erreichten bei Patienten mit Adipositas jeweils 100%, und auch bei „leichteren“ Übergewichtigen kamen die VKR-Tests durchweg auf über 90%, wobei der Pivot-Shift-Test mit 100% in allen BMI-Klassen am besten abschnitt. Nach Gilat und seinem Team heißt das: „Ein positives Ergebnis bei einem gut durchgeführten Kreuzbandtest weist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einen tatsächlichen Kreuzbandriss hin.“ Meniskustests oft falsch positiv Bei den Meniskustests nahm zwar die Sensitivität mit steigendem BMI zu. Dafür kam es bei übergewichtigen und adipösen Patienten sehr oft zu falsch positiven Ergebnissen. Ein positiver medialer Meniskustest schien dabei zuverlässiger zu sein als ein positiver lateraler Test. Das beste Ergebnis lieferte der Thessaly-Test mit einer Spezifität von 68% bei Übergewichtigen. Mit knapp 63% schnitt der Apley Grind hier am schlechtesten ab. Gilat und Kollegen empfehlen daher, positive Befunde im Meniskustest bei übergewichtigen und adipösen Patienten generell zurückhaltend zu interpretieren. Mit den Meniskustests werde in erster Linie geschaut, ob sich Schmerzen auslösen lassen. Es gebe allerdings Hinweise darauf, dass Patienten mit Adipositas von vornherein eine niedrigere Schmerzschwelle haben. Außerdem seien nicht nur Meniskusrisse, sondern auch ein höherer BMI per se mit dem Auftreten von schmerzhaften Gelenkergüssen assoziiert. Die geringe Sensitivität der Kreuzbandtests wiederum erklären Gilat und seine Fachkollegen damit, dass diese Tests bei dickeren Knien schwerer durchzuführen seien. An der retrospektiven Studie hatten 210 erwachsene Patienten und Patientinnen (80% Männer) mit Knietrauma teilgenommen. In allen Fällen hatte man zunächst eine routinemäßige körperliche Untersuchung mit Inspektion, Palpation, ROM-Tests sowie Provokationstests durchgeführt. Dabei wurden mögliche Verletzungen am vorderen Kreuzband mit vorderem Schubladentest, Lachmann- und Pivot-Shift-Test abgeklärt, die Menisken wurden mit Tests nach McMurray, Apley Grind und Thessaly untersucht. Mehr als die Hälfte mit Gewichtsproblem Der mediane BMI der Teilnehmenden lag bei fast 27, das Durchschnittsalter bei 42 Jahren. 35% waren übergewichtig und 23% adipös. In den meisten Fällen (45%) hatten die Betroffenen über diffuse Schmerzen in der Kniegegend geklagt, bei 36% konnten die Schmerzen dem medialen Kompartiment zugeordnet werden, bei 17% dem lateralen. Um die Verdachtsdiagnosen zu verifizieren, hatte man in allen Fällen auch eine Arthroskopie durchgeführt, und zwar nach median dreieinhalb Monaten. Dabei wurde bei insgesamt 51% der Patienten ein VKR diagnostiziert und in 88% ein Meniskusriss (65% medial, 42% lateral). „Provokationstests auf VKR bleiben hochspezifisch“ Die Forscher fassen ihre Ergebnisse wie folgt zusammen: „Provokationstests auf vordere Kreuzbandrisse sind bei adipösen Patienten weniger sensitiv, bleiben aber hochspezifisch. Provokationstests auf Meniskusrisse sind bei Patienten mit überdurchschnittlichem BMI wahrscheinlich relativ sensitiv, dafür aber weniger spezifisch, vor allem beim medialen Meniskusriss.“ Orthopäden seien daher gut beraten, den Einfluss des BMI auf das Untersuchungsergebnis bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen Einfluss hat der BMI des Patienten auf das Ergebnis gängiger Provokationstests am Knie? Antwort: Vorderer Schubladentest, Lachmann- und Pivot-Shift-Test waren bei Adipösen signifikant weniger sensitiv als bei Normal- und leicht Übergewichtigen, dafür jedoch relativ spezifisch. Meniskustests waren mit steigendem BMI zunehmend sensitiv, aber weniger spezifisch. Bedeutung: Ein positiver Kreuzbandbefund im Provokationstest ist auch bei Übergewicht relativ verlässlich, dagegen sollten positive Befunde im Meniskustest generell mit Vorsicht interpretiert werden. Einschränkung: Retrospektive Studie; nur Patienten mit Arthroskopie.

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