Vitamin-A-Derivate im Einsatz

Systemische Vitamin-A-Derivate werden bei verschiedenen Hautkrankheiten schon seit Jahren erfolgreich eingesetzt, z. B. bei Akne, Psoriasis, Ichthyosis oder Hyperkeratosen. Große Hoffnungen werden derzeit auf Alitretinoin gesetzt, das mittlerweile auch in Deutschland und der Schweiz spezifisch zur Behandlung des chronischen therapierefraktären Handekzems zugelassen ist. Prof. Dr. Jean-Hilaire Saurat gab auf der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie einen Überblick über die verschiedenen Vitamin-A-Derivate. Vitamin A entsteht bei der Verstoffwechselung verschiedener Nahrungsmittel wie Möhren oder Eidotter und wird vom Körper in verschiedene Vitamin-A-Säure-Derivate umgewandelt. Von den bisher in der Dermatologie eingesetzten Vitamin-A-Derivaten, wie z. B. Isotretinoin oder Acitretin ist bekannt, dass sie die Keratinozytenproliferation hemmen. Sie werden bei verschiedenen Hautkrankheiten, die mit Hyperkeratose einhergehen, eingesetzt. Prof. Dr. Jean-Hilaire Saurat aus Genf gab auf der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie in Basel einen Überblick über alle Vitamin-A-Derivate, die derzeit therapeutisch eingesetzt werden. Kaum bekannter Wirkmechanismus Obwohl Retinoide bereits seit den 80er Jahren therapeutisch eingesetzt werden, ist ihr molekularer Wirkmechanismus bis heute nur unvollständig geklärt. Fest steht, dass es verschiedene Retinoidrezeptoren gibt, welche als Transkriptionsfaktoren im Zellkern den Zellzyklus modulieren. An diese sogenannten RAR- und RXR-Rezeptoren (α–γ) binden die therapeutisch eingesetzten Vitamin-A-Derivate mit unterschiedlichenAffinitäten. Weitere Rezeptoren und Interaktionen werden vermutet, sind jedoch bislang nicht identifiziert. Zu den natürlich vorkommenden Vitamin-A-Derivaten zählen 13-cis-RA-Isotretinoin und 9-cis-RA-Alitretinoin. Alitretinoin (sog. 9-cis-Retinsäure) wie auch das Isotretinoin (13-cis-Retinsäure) sind natürlich vorkommende Abkömmlinge der Vitamin-A-Säure, während Acitretin, Adapalen, Tazaroten und Bexaroten synthetisch hergestellt werden. Ihr genauer Wirkmechanismus ist bisher nicht ausreichend untersucht. Alle Vertreter dieser Gruppe sind teratogen. Daher muss bei Frauen im gebärfähigen Alter eine Schwangerschaft vor, während und nach der Therapie sicher ausgeschlossen werden.Die Behandlung mit Vitamin-A-Derivaten ist seit langem ein etablierter und effektiver Therapiebaustein in der Dermatologie. Da auch Nebenwirkungen, wie z. B. Veränderungen im Lipidstoffwechsel, auftreten können, sind eine sorgfältige Indikationsstellung und Aufklärung des Patienten sowie ein strukturiertes Patientenmanagement sehr wichtig. Isotretinoin Der Wirkstoff Isotretinoin wurde bei der Suche nach einem Krebsmittel zufällig entdeckt und ist das therapeutische Vitamin-A-Derivat der ersten Generation. Das Molekül kommt in geringer Dosierung natürlich im menschlichen Körper vor und wird in Metaboliten umgewandelt, die sebosuppressiv wirken [1]. Es wird daher bei schweren Formen der Akne angewandt. Ein spektakulärer Selbstmordfall eines Patienten unter Isotretinoin-Therapie in den USA ließ in der Vergangenheit den Verdacht aufkommen, das Medikament verursache psychologische Probleme wie beispielsweise schwere Depressionen. Eine Auswertung der verfügbaren Daten entkräftete diese Vermutung jedoch, betonte Saurat mit Blick auf neuere Studien zu diesem Thema [2–4]. „Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass Isotretinoin Depressionen verursacht oder Suizidgedanken hervorruft.“ so der Experte. Acitretin Acitretin ist die Erstlinientherapie fürtherapieresistente neutrophile/pustuläre Eruptionen sowie Ichthyosis und Morbus Darier. Bei diesen Krankheiten sind bereits kleine Dosen wirksam. Auch zur Behandlung der Nagelpsoriasis eignet sich der Wirkstoff. Eine Studie mit 36 Patienten, die 2009 in den „Archives of Dermatology“ veröffentlicht wurde, zeigte, dass Acitretin in geringer Dosierung (0,2–0,3mg/kgKG/Tag) die Nagelsymptome von Psoriasis-Patienten mildert [5]. Bei 25% der Patienten wurde die vollständige bzw. nahezu vollständige Remission am Nagel erreicht. Weitere 25% reagierten mit einer moderaten, 33% mit einer leichten Verbesserung. 11% der Patienten reagierten nicht auf die Behandlung. Zur Behandlung der klassischen bzw. systemischen Psoriasis sind hohe Dosen des Wirkstoffs notwendig. Und im Vergleich zu anderen Therapieoptionen wie Biologika, PUVA, Cyclosporin oder Methotrexat ist Acitretin selbst dann weniger wirksam (Daten stammen nicht aus einer direkten Vergleichsstudie). Acitretin sollte daher nicht als Medikament der ersten Wahl bei Psoriasis eingesetzt werden. Auch die Hoffnung, Acitretin eigne sich zur Chemoprophylaxe von Hautkrebs, hat sich bislang nicht erfüllt. Bexaroten Bexaroten wird zur Behandlung kutaner T-Zell-Lymphome eingesetzt – systemisch und, in Kombination mit Steroiden und PUVA, auch topisch. Bekannt ist, dass Bexaroten spezifisch an die RXR-Rezeptoren bindet und dadurch antiproliferativ wirkt. Es leitet Apoptosen ein. Über komplexe, noch unverstandene Interaktionen nimmt der Bexaroten-RXR-Komplex zudem Einfluss auf verschiedene endokrine Signaltransduktionswege – mit weitreichenden Folgen. Saurat wies besonders darauf hin, dass die TSH-Synthese gehemmt wird: Bexaroten kann als gravierende Nebenwirkung eine zentrale Hypothyreose induzieren [6]. Alitretinoin Die 9-cis-Retinsäure Alitretinoin nimmt laut Saurat eine gewisse Sonderstellung unter den Vitamin-A-Derivaten ein. Weil das Wirkprofil der Vitamin-A-Derivate nicht vollständig geklärt ist, sind die Einsatzgebiete der einzelnen Retinoidpräparate eigentlich nicht streng abgrenzbar. Die einzelnen Präparate werden gemäß der Studienlage und therapeutischer Erfahrungen bevorzugt bei einem Krankheitsgebiet angewendet. Alitretinoin, ein natürlicher Ligand aller RAR- und RXR-Rezeptoren, ist dagegen das erste evidenzbasierte und spezifisch zugelassene Therapeutikum zur Behandlung des schweren chronischen Handekzems, das nicht mehr auf potente topische Kortikosteroide anspricht. Tatsächlich begründeten zwei Schweizer Ärzte diese Indikation bereits 1999. Sie berichteten in der Zeitschrift „Dermatology“, dass sie 38 Patienten mit chronischem Handekzem erfolgreich mit Alitretinoin behandelt hatten: 55% der untersuchten Patienten reagierten auf die topische Behandlung mit einem sehr guten und 34% mit einem guten Ansprechen [7]. Auf Phase-II-Niveau zeigten Ruzicka et al. in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Parallelgruppen-Studie, an der 319 Patienten teilnahmen, dass die statistisch signifikante Wirkung von oral verabreichtem Alitretinoin gegenüber Placebo klar dosisabhängig ist [8]. Die Forscher verglichen das Profil von Alitretinoin in den Dosierungen 10 mg, 20 mg und 40 mg mit Placebo und leiteten ab, dass Wirkung und Nebenwirkung im Dosisbereich zwischen10 und 30 mg im besten Verhältnis für eine therapeutische Anwendung stehen. Die BACH-Studie, die größte je in dieser Indikation durchgeführte placebokontrollierte, doppelblinde Parallelgruppen-Studie mit 1032 Patienten, konnte dies in Phase III bestätigen: In der Studie wurde die Wirksamkeit von 10 bzw. 30 mg Alitretinoin über einen Zeitraum von zwölf oder 24 Wochen bei Patienten mit chronischem, gegenüber hoch potenten Kortikosteroiden refraktärem Handekzem untersucht [9]. Unter der 30-mg-Dosierung erreichte fast die Hälfte (49%) der Patienten eine vollständige bzw. fast vollständige Abheilung der Effloreszenzen – unter 10 mg waren es 27,5%, unter Placebo 16,6%. Die häufigste Nebenwirkung der Behandlung waren Kopfschmerzen (19,8% resp. 10,8% vs. 6,4%). Diese treten meist am Anfang der Therapie auf, sind transient und gut mit klassischen Schmerzmitteln behandelbar. Der Schlüssel zur Weiterentwicklung der Vitamin-A-Derivate wird laut Saurat in Zukunft die Identifikation sämtlicher Retinoid-Rezeptoren sein. Literaturliste beim Verlag

Springer Medizin

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