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Erschienen in:

Open Access 08.08.2024 | Vitrektomie | Originalien

Prädiktive Parameter für den anatomischen Operationserfolg bei durchgreifenden Makulaforamina

Eine retrospektive Auswertung von 391 Augen

verfasst von: C. von Goscinski, N. Gözlügöl, T. Schick, V. Schöneberger, C. Gietzelt, L. Altay, C. Cursiefen, Univ.-Prof. Dr. med. F. Schaub

Erschienen in: Die Ophthalmologie | Ausgabe 9/2024

Zusammenfassung

Hintergrund

Das durchgreifende Makulaforamen stellt eine seltene Erkrankung dar, bei der nicht alle Defekte mittels primärer chirurgischer Intervention verschlossen werden können.

Ziel der Arbeit

Charakterisierung eines umfangreichen Patientenkollektivs dieser seltenen Erkrankung und Detektion möglicher prädiktiver Faktoren für den anatomischen Behandlungserfolg.

Material und Methoden

Retrospektive Analyse aller konsekutiven idiopathischen durchgreifenden Makulaforamina im Zeitraum März 2008 bis Juni 2019 an der Universitätsaugenklinik Köln. Untersucht wurden u. a. epidemiologische Daten, präoperative Parameter (Foramengröße) und Operationstechnik in Bezug auf die Verschlussrate nach primärer Operation.

Ergebnisse

Die anatomische Verschlussrate bei idiopathischen Makulaforamina nach primärer Operation lag bei 83,6 %. Es konnte kein Einfluss des Alters, des Geschlechts oder des Linsenstatus auf die Verschlussrate aufgezeigt werden. Die identifizierten prognostisch günstigen Faktoren in Bezug auf den anatomischen Operationserfolg waren: eine kleine Foramengröße, eine kurze Symptomdauer, die Durchführung einer transkonjunktivalen 23-Gauge Vitrektomie sowie die Anwendung der invertierten Flap-Technik der Membrana limitans interna (ILM).

Schlussfolgerung

Die operative Behandlung des durchgreifenden Makulaforamens stellt aufgrund guter Erfolgsaussichten eine wertvolle Behandlungsoption dar. Eine zeitnahe Intervention nach Diagnosestellung mittels 23-Gauge-Vitrektomie und ILM-Flap mit Gastamponade scheint für das Outcome am günstigsten zu sein.
Hinweise
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Das Makulaforamen zählt zu den Erkrankungen der vitreoretinalen Grenzfläche. Unter einem durchgreifenden Makulaforamen versteht man einen Defekt im Bereich der Fovea centralis, der alle neuroretinalen Schichten der Netzhaut betrifft, von der Lamina limitans interna (ILM) bis zum retinalen Pigmentepithel reichend [3]. Die Behandlung erfolgt in aller Regel mittels Vitrektomie, ILM-Peeling und Gastamponade. Trotz der chirurgischen Fortschritte bleibt ein anatomischer Behandlungserfolg (Foramenverschluss) bei einer kleinen Gruppe an Patienten bislang dennoch aus.
Man unterscheidet je nach Ätiologie zwischen primären und sekundären Makulaforamina (MF). Bei primären (idiopathischen) Makulaforamina (IMF) wird angenommen, dass eine vitreomakuläre Traktion durch eine inkomplette Abhebung der hinteren Glaskörpergrenzmembran ursächlich für deren Entstehung ist [11].
Sekundären MF hingegen liegen andere pathologische Entstehungsmechanismen zugrunde, so können unter anderem hohe Myopie [11] sowie ein Trauma zu einem sekundären MF führen [14]. Besteht nach operativer Versorgung weiterhin ein MF, so bezeichnet man dieses als persistierend [20].
IMF stellen mit über 90 % die häufigste Entität der MF dar [17]. Sie treten vorwiegend in der fünften bis siebten Lebensdekade auf [16], wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (ca. 75 % der Betroffenen sind weiblich) [5]. Die Prävalenz liegt bei 33/100.000 in der Altersgruppe >55 Jahre [18]. Ist bereits ein Auge an einem MF erkrankt, liegt das Risiko, innerhalb der nächsten 4–6 Jahre an dem Partnerauge ein IMF zu entwickeln, bei 7–15 % [23].
Die Pathogenese idiopathischer Makulaforamina ist bis heute nicht vollständig geklärt. Gass postulierte 1988, dass eine tangentiale Traktion der Glaskörpergrenzmembran auf die Fovea ursächlich für die Entstehung eines IMF sei [6]. Heute geht man aufgrund von Ergebnissen, die mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) gewonnen wurden, davon aus, dass primär eine anterior-posteriore Traktion ausgeübt wird. Kommt es zu einer Verflüssigung des Glaskörpers und zu einer Abnahme der vitreoretinale Adhäsion, so löst sich meist der hintere Glaskörpercortex von der ILM. Erfolgt dies nur partiell, kommt es zu einer pathologischen Glaskörperadhärenz, welche einen anterior-posterioren Zug auf die Fovea ausübt. Als Folge entsteht ein intraretinaler Spaltraum, und eine intraretinale Zyste bildet sich aus [8]. Durch weiter bestehende anterior-posteriore Traktion entsteht ein Defekt in der Photorezeptorschicht, und die inneren Netzhautschichten werden involviert, sodass ein durchgreifendes MF entsteht [7].
Die International Vitreomacular Traction Study Group entwickelte 2013 eine neue Klassifikation auf Basis der OCT. Diese richtet sich sowohl nach der Lochgröße als auch nach der Glaskörpersituation und dem Entstehungsmechanismus [3]. Gemessen wird die Lochgröße anhand des kleinsten horizontal gemessenen linearen Abstands der den Rand des Foramens bildenden Strukturen in der OCT, wobei die ILM nicht berücksichtigt wird [25]. Ein kleines durchgreifendes MF wird definiert als ein Foramen, das 250 μm nicht überschreitet, ein mittleres liegt zwischen 250–400 μm, und ein großes Foramen ist definiert als größer als 400 μm. Neben der Lochgröße berücksichtigt die Klassifikation, ob eine vitreomakuläre Traktion vorhanden ist [3].
Ein spontaner Verschluss eines IMF ist möglich, jedoch selten [4].
Kelly und Wendel beschrieben 1991 erstmalig die Vitrektomie als operative Methode zur Therapie des IMF [12]. Durch die Vitrektomie mit anschließender Endotamponade mit Gas gelang es Kelly und Wendel, eine anatomische Verschlussrate von 58 % zu erzielen [12]. Mittlerweile stellt die Pars-plana-Vitrektomie (PPV) mit Endotamponade den Goldstandard in der Therapie durchgreifender MF dar [2]. Postoperativ erfolgt meist eine „Kopftieflagerung“ [15]. Diese Lagerung wird insbesondere bei größeren Makulaforamina für die ersten postoperativen Tage empfohlen (z. B. 3–5 Tage), damit der Auftrieb der Gasblase dazu beiträgt, das Makulaloch zu verschließen. Um tangential auf die Makula wirkende Kräfte durch epiretinale Membranen zu eliminieren, wird zusätzlich zur PPV ein Peeling der ILM durchgeführt [28]. Als Weiterentwicklung beschrieben Michalewska et al. 2010 erstmalig die invertierte ILM-Flap-Technik zur Behandlung großer MF (> 400 µm) [19]. Die Technik basiert auf der Annahme, dass Müller-Zell-Fragmente, welche an der ILM anheften, Zytokine produzieren, die eine reparative Gliose induzieren und so den Lochverschluss fördern [27].
Trotz der Weiterentwicklung der Operationstechniken erfolgt in 5–20 % der Fälle kein vollständiger Verschluss des Foramens nach dem ersten operativen Eingriff [1, 24].
Ziel dieser Arbeit war die Beschreibung eines umfangreichen Patientenkollektivs der Universitätsaugenklinik in Köln mit einem durchgreifenden MF mit Analyse der verschiedenen Entitäten der MF sowie die Identifikation relevanter Faktoren in Bezug auf den anatomischen und funktionellen Behandlungserfolg nach Vitrektomie mit ILM-Peeling, ggf. invertierter ILM-Flap-Technik und zumeist Gasendotamponade.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Ein- und Ausschlusskriterien

Zur Charakterisierung der Gesamtkohorte wurden alle konsekutiven Augen mit einem MF eingeschlossen, die sich von März 2008 bis Juni 2019 an der Augenklinik der Universitätsklinik Köln zur operativen Intervention vorstellten.
Zu den Ausschlusskriterien bei der Analyse prädiktiver Parameter auf den anatomischen Behandlungserfolg bei IMF zählten: Myopie gleich oder höher als −6 Dioptrien, das Vorliegen anderer therapiebedürftiger Makulopathien, die Anamnese einer Netzhautablösung bzw. eines okulären Traumas, das Vorliegen eines unkontrollierten Glaukoms, eine akute vaskuläre oder inflammatorische vitreoretinale Erkrankung, ein persistierendes MF sowie Aphakie. Es wurden nur Augen in die Studie eingeschlossen, deren Diagnose mittels einer OCT der Makula bestätigt wurde und bei denen ausreichende Daten bezüglich des präoperativen Visus, der Operationstechnik sowie der operativen Komplikationen vorlagen.
Alle Untersuchungen wurden in Übereinstimmung mit den ethischen Standards der zuständigen Ethikkommission (Ethikvotum 20-1043) sowie auf Grundlage der revidierten Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes von 1983 und den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen durchgeführt.

Datenerhebung

Die relevanten Daten (Epidemiologie, anatomische Charakteristika, Visus, Operationstechnik, Behandlungserfolg, Komplikationen) wurden aus den elektronischen Patientenakten ORBIS (Fa. Agfa HealthCare GmbH, Bonn, Deutschland) und CGM MEDISTAR (Fa. CompuGroup Medical Deutschland AG, Koblenz, Deutschland) entnommen. Zusätzliche Charakteristika der MF wurden aus den durchgeführten Untersuchungen mittels OCT extrahiert.
Bei allen eingeschlossenen Augen wurde präoperativ mindestens eine Untersuchung der Makula mit einem SD-OCT (Fa. SPECTRALIS® HRA + OCT, Heidelberg Engineering GmbH, Heidelberg, Deutschland) durchgeführt. Alle Untersuchungen erfolgten nach einem standardisierten Protokoll des Geräteherstellers. Es wurde je Untersuchung eine Rasterscan-Aufnahme der Makula, bestehend aus mindestens 37 B-Scans à 512 A-Scans in einem Scanwinkel von 30° × 20°, vorgenommen. Die Foramengröße wurde gemäß der International Vitreomacular Traction Study Group durch Messung der engsten Stelle der Apertur („minimum linear width“) ermittelt [3]. Die Messung erfolgte manuell mithilfe der Caliper-Funktion der Software Heidelberger Eye Explorer (Heidelberg Engineering GmbH, Heidelberg, Deutschland) durch einen geschulten Untersucher. Der Lochverschluss wurde als Anlage der Lochränder aneinander in der SD-OCT-Untersuchung definiert.

Operative Intervention bei IMF

In allen Fällen erfolgte entweder eine nahtfreie, transkonjunktivale 23-Gauge(G)- oder eine 20-G-PPV mit ILM-Peeling. Die Endotamponade erfolgte mittels Gastamponade (SF6 20 %) oder Silikon (Siluron 2000®), wobei die Gasendotamponade als Standard galt. Lediglich bei Augen mit zeitgleich bestehenden peripheren Befunden, welche einer Silikonöltamponade bedurften, bei alten atrophen Foramina oder bei Unfähigkeit zur Kopftieflagerung wurde eine Silikontamponade erwogen. In einigen Fällen wurde eine invertierte ILM-Flap-Technik angewandt. Die Entscheidung zur Operationsmethode und Flap-Technik lag beim Operateur. Zumeist wurde im Verlauf der Zeit bei größeren Foramina die invertierte ILM-Flap-Technik bevorzugt. In phaken Augen mit Katarakt erfolgte vor der PPV eine bimanuelle Phakoemulsifikation über einen Clear-Cornea-Schnitt von 2,8 mm mit Implantation einer kapselsackfixierten Hinterkammerlinse. Bei Vorliegen von Netzhautforamina oder Degenerationsarealen wurde während der Operation eine Laserretinopexie oder Kryotherapie durchgeführt.
Nach der Operation wurden die Patienten angewiesen, eine Kopftiefhaltung mit Gesicht nach unten über mindestens 7 Tage einzunehmen.
In Fällen mit sehr kleinen Makulaforamina wurde in der Regel direkt vor der Operation erneut eine Makula-OCT durchgeführt, um einen Spontanverschluss oder auch die Tendenz zum Spontanverschluss auszuschließen.

Statistik

Zur statistischen Auswertung wurden die Daten mithilfe der Software SPSS Statistics (Version 26.0.0, IBM, New York, USA) deskriptiv und auf statistische Signifikanz mittels Mann-Whitney-U-Test (keine Normalverteilung) ausgewertet. Das Signifikanzniveau wurde auf 0,05 festgelegt. Zur Beurteilung des Einflusses multipler Variablen wurde eine logistische Regressionsanalyse durchgeführt.

Ergebnisse

Gesamtkohorte

Es wurden 391 Augen mit MF identifiziert. Davon war bei 349 (89,3 %) ein IMF vorhanden. Bei 15 (3,8 %) Fällen lag ein MF nach Amotio vor, bei 12 Augen (3,1 %) ein persistierendes Foramen, bei 5 Augen (1,3 %) ein myopes MF, bei 4 Augen (1 %) ein traumatisches MF und bei 3 Augen (0,8 %) ein MF bei Sprungtuchamotio. In 3 Fällen war eine Zuordnung zu den bereits genannten Gruppen nicht möglich, da aufgrund multipler Voroperationen und Vorerkrankungen keine eindeutige Klassifizierung erfolgen konnte.
Die Tab. 1 gibt einen Überblick über die Alters- und Geschlechtsverteilung der Gesamtkohorte.
Tab. 1
Epidemiologie der Gesamtkohorte. Die Geschlechtsverteilung ist sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtkohorte ausgewiesen. Zusätzlich sind der Mittelwert (MW) des Alters sowie die Standardabweichung (SD) und das Alter der jüngsten (Min.) und der ältesten Patienten (Max.) pro Entität aufgeführt
Entität
Geschlecht
Alter
 
Männlich (%)
Weiblich (%)
MW
SD
Min.
Max.
Idiopathisch
107 (30,7)
242 (69,3)
67,6
8,4
38
89
Persistierend
3 (25)
9 (75)
67,0
9,4
45
78
Myopes Makulaforamen
1 (20)
4 (80)
57,0
16,1
42
78
Traumatisches Makulaforamen
3 (75)
1 (25)
16,3
16,3
5
35
Sonstiges
2 (66,7)
1 (33,3)
69,3
14,1
56
84
Sprungtuchamotio
0 (0)
3 (100)
60,7
2,1
59
63
Makulaforamen nach Amotio
8 (53,3)
7 (46,7)
61,5
7,8
47
74
In der Gesamtkohorte waren die Mehrzahl der Fälle mit 72,3 % (282 Fälle) phak, während 27,7 % pseudophak waren. Ein Patient war aphak. In der Gruppe der IMF waren 75,4 % phak (24,6 % pseudophak).

Idiopathische Makulaforamina

Epidemiologie und präoperative Parameter

Von den 349 Augen mit IMF konnten 329 Augen in die retrospektive Analyse eingeschlossen werden. Bei 63 von 329 Fällen (19,1 %) war das Partnerauge ebenfalls im Verlauf betroffen.
Die Abb. 1 zeigt die durchschnittliche präoperative Foramengröße, gemessen gemäß den Vorgaben der International Vitreomacular Traction Study Group [3]. Sie betrug im Mittel 338 ± 165 μm, die Spanne betrug 29 bis 928 μm. Bei 32,5 % der Fälle lag eine Foramengröße von über 400 μm vor.
Der bestkorrigierte präoperative Visus am betroffenen Studienauge lag im Durchschnitt bei 0,74 ± 0,29 in (logMAR). Der schlechteste Visus lag bei 1,7 und der beste bei 0,22 logMAR.

Chirurgische Intervention

In 76 % erfolgte eine nahtfreie, transkonjunktivale 23-Gauge(G)-PPV mit ILM-Peeling, 24 % erhielten eine 20-G-PPV. Die Endotamponade erfolgte in 98,8 % der Fälle mit einem Luft-Gas-Gemisch mit Schwefelhexafluorid (SF6 20 %). In 6,1 % der Fälle wurde eine kombinierte Operation mit vorheriger bimanueller Phakoemulsifikation mit Implantation einer im kapselsackfixierten Hinterkammerlinse durchgeführt. Bei 12,5 % wurde die Präparation eines ILM-Flaps anstelle eines konventionellen ILM-Peelings durchgeführt.

Analyse des Behandlungserfolgs nach Verschlussrate

Ein anatomischer Erfolg (Lochverschluss nach primärer Operation) wurde bei 83,6 % der Fälle erreicht (OCT-basiert). In den Fällen, bei denen keine postoperative Wiedervorstellung in der Klinik erfolgte, wurde davon ausgegangen, dass das Foramen postoperativ verschlossen war (26,7 %), der Einschluss dieser Gruppe hat keinen Einfluss auf die Signifikanz der Ergebnisse. Die Tab. 2 zeigt den Vergleich zwischen persistierenden und geschlossenen IMF.
Tab. 2
Gegenüberstellung des anatomischen Behandlungserfolgs (Lochverschluss) in Abhängigkeit von präoperativ erfassten Parametern nach operativer Behandlung der idiopathischen Makulaforamina. Mithilfe des Mann-Whitney-U-Tests wurde ermittelt, ob ein statistisch signifikanter Einfluss der aufgeführten präoperativen Parameter auf das Ergebnis der Operation angenommen werden kann (Signifikanzniveau <0,05). Bei der Geschlechtsverteilung ist in den übrigen Fällen das Merkmal „männlich“ erfasst, beim Linsenstatus „pseudophak“. Statistisch signifikante Ergebnisse sind fettgedruckt
Postoperativer Status
Geschlecht
Alter
Linsenstatus
Partnerauge betroffen
Symptomdauer
Foramendurchmesser
 
Weiblich
(Jahre)
Phak
Ja
(Wochen)
(µm)
Geschlossen
189 (68,7 %)
67,5 ± 8,3
202 (73,5 %)
49 (17,8 %)
13,0 ± 4,6
317 ± 56
Persistierend
39 (72,2 %)
68,1 ± 8,8
44 (81,5 %)
14 (25,9 %)
20,9 ± 1,4
445 ± 64
p
0,611
0,457
0,215
0,171
0,017
<0,001
rMWU
0,028
0,041
0,068
0,076
0,145
0,282
Als signifikante Parameter konnten die Symptomdauer (p = 0,017), jedoch nur mit schwachem Effekt (rMWU = 0,145), sowie die präoperative Foramengröße (p < 0,001; rMWU = 0,282) identifiziert werden (Abb. 2). Der Mittelwert bei den postoperativ geschlossenen Foramina lag bei 317 μm, bei den persistierenden Foramina wurde ein Mittelwert von 445 μm errechnet. Die untersuchten Vergleichsgruppen unterschieden sich damit statistisch signifikant (p < 0,001) in der präoperativen Foramengröße. Betrachtet man die Verschlussrate nach der aktuellen Stadieneinteilung, zeigt sich in der Gruppe bis 250 µm eine Verschlussrate von 91,1 %, in der zwischen 250 und 400 µm beträgt sie 90,8 %, und ab 400 µm sinkt sie auf 68,2 %.
In der ILM-Flap-Gruppe war ein Foramenverschluss häufiger (p = 0,033). Es wurde ein schwacher Effekt ermittelt (rMWU = 0,117).
In 6,1 % der Fälle wurde die PPV mit einer Kataraktoperation kombiniert. Untersucht man die Vergleichsgruppen (IMF geschlossen versus IMF persistierend) bezüglich der Häufigkeit der intraoperativ durchgeführten Kataraktoperation, so war kein statistisch signifikanter Unterschied (p = 0,091) vorhanden. Weiterhin zeigte sich ein höherer Behandlungserfolg nach 23-G-PPV im Vergleich zur 20-G-PPV (p = 0,014; rMWU = 0,135; Tab. 3).
Tab. 3
Anatomischer Behandlungserfolg in Abhängigkeit von der Operationstechnik. Statistisch signifikante Ergebnisse sind fettgedruckt
Postoperativer Status
Operationsmethode
Kombinierte Katarakt-Operation
Operationstechnik
 
20 G
23 G
Nein
Ja
Mit ILM-Peeling
Mit ILM-Flap
Geschlossen
59 (21,5 %)
216 (78,5 %)
261 (94,9 %)
14 (5,1 %)
236 (85,8 %)
39 (14,2 %)
Persistierend
20 (37,0 %)
34 (63,0 %)
48 (88,9 %)
6 (11,1 %)
52 (96,3 %)
2 (3,7 %)
p
0,014
0,091
0,033
rMWU
0,135
0,093
0,117
ILM Membrana limitans interna

Multivariate Analyse

Mittels einer logistischen Regression (Tab. 4) wurden folgende Parameter als unabhängige Variablen in Bezug zum anatomischen Operationserfolg analysiert: Präoperativ gemessene Foramengröße, angegebene Symptomdauer, Operationsmethode (20-G- oder 23-G-PPV), Operationstechnik (ILM-Peeling oder ILM-Flap). Die Area Under The Curve (AUC) der ROC-Kurve des Modells beträgt 0,771.
Tab. 4
Logistische Regressionsanalyse
Abhängige Variable
Unabhängige Variablen
p-Wert
OR
Anatomischer Operationserfolg (0: persistierend, 1: geschlossen)
Foramengröße (µm)
<0,001
0,995
Symptomdauer (Wochen)
0,049
0,981
Operationsmethode (0: 20 G, 1: 23 G)
0,041
2,234
Operationstechnik (0: ILM-Peeling, 1: ILM-Flap)
0,007
8,838
ILM Membrana limitans interna; OR Odds Ratio
Die Verwendung eines ILM-Flaps anstelle eines ILM-Peelings erhöhte die Wahrscheinlichkeit für einen Lochverschluss um das 8,838-Fache.

Komplikationen

Eine Endophthalmitis wurde in 0,5 % der Fälle in der Gruppe der postoperativ geschlossenen IMF dokumentiert. Bei den persistierenden Foramina war kein Fall mit postoperativer Endophthalmitis zu verzeichnen. Bei 1,9 % der Fälle mit postoperativ persistierendem MF trat eine Amotio auf, bei den geschlossenen Foramina in 4,8 %. Fast alle Fälle mit persistierendem MF hatten ein Makulaödem postoperativ (96,3 %), bei den geschlossenen Foramina waren es 2,1 %. Defekte in der ellipsoiden Zone der Photorezeptorschicht waren in der Gruppe der persistierenden MF in allen Fällen (100 %) vorhanden, in der Gruppe der geschlossenen Foramina bei 41,7 % vorliegend.

Funktioneller Behandlungserfolg

Der beste durchschnittliche Visuswert (logMAR) innerhalb des ersten Jahres lag in der Gruppe der geschlossenen Foramina bei 0,37 ± 0,27 logMAR mit signifikanter Besserung im Vergleich zu präoperativen Werten (p < 0,001). Nach dem abgeschlossenen ersten Jahr postoperativ ergab sich ein durchschnittlicher Visus von 0,32 ± 0,31 logMAR.
Bei persistierenden MF lag der durchschnittliche Visuswert bei 1,02 ± 0,34 logMAR postoperativ.

Diskussion

Die ermittelten Ergebnisse der Studie lassen sich gut in den Kontext der bereits vorhandenen Literatur einordnen. 89,3 % der Gesamtkohorte zeigte ein IMF, was in etwa den Daten der Literatur entspricht. Mc Cannel et al. ermittelten 2009 einen Anteil der IMF an allen Entitäten in einer vornehmlich kaukasischen Population in Minnesota von 90,6 %, wobei die insgesamt untersuchte Fallzahl mit 85 Augen deutlich unter der hier beschriebenen lag [14].
Das Durchschnittsalter der Patienten in der Gesamtkohorte lag bei 66,7 Jahren. In der The Beijing Eye Study 2005 berichteten Wang et al. über ein Durchschnittsalter von 70 Jahren [30]. Bei den Patienten mit IMF lag in der vorliegenden Studie das Durchschnittalter leicht über der Gesamtkohorte bei 67,6 Jahren und entspricht dem von Sen et al. 2008 publizierten durchschnittlichen Alter von 67,46 Jahren [26]. Betrachtet man die Altersverteilung in den übrigen Subgruppen, ist festzustellen, dass in der Gruppe der traumatischen MF das Durchschnittsalter mit 16,3 Jahren deutlich geringer ausfiel. Da hier ein Trauma ursächlich für das Vorliegen eines MF war, war ein geringeres Durchschnittsalter in dieser Gruppe zu erwarten.
Bezüglich der Geschlechtsverteilung der Gesamtkohorte fiel auf, dass Frauen in etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Eine Inzidenz dieser Größenordnung wurde ebenfalls in anderen Studien beobachtet [6]. Die Rolle von Östrogen bei der Entstehung von MF wird kontrovers diskutiert. Während Inokuchi et al. einen möglichen Einfluss von Östradiol auf die Pathogenese postulierten [9] und James et al. eine hohe Inzidenz von systemischer Östrogentherapie bei Patienten*innen mit MF feststellten [10], kam die Eye Disease Case-Control Study Group zu dem Ergebnis, dass die Östrogen-Einnahme keinen begünstigenden Einfluss auf die Entstehung von MF habe [22].
Die durchschnittlichen Foramengrößen lagen außer bei zwei Entitäten zwischen 321 und 388 μm. Deutlich höhere Foramengrößen zeigten sich bei der Gruppe der traumatischen (706 µm) und persistierenden MF (565 µm). Bei persistierenden Foramina könnte dies auf eine Lochvergrößerung bei längerem Bestehen des Foramens zurückzuführen sein. Wie erwartet liegt die Verschlussrate bei Foramengrößen über 400 µm mit 68,2 % deutlich unter der für kleine Foramina gemessenen Verschlussrate.
Limitationen der Studie sind insbesondere das retrospektive Design, daher die fehlende Möglichkeit zur Randomisierung in Bezug auf die Operationstechniken. Eine weitere Limitation dieser Studie ist ein möglicher Selektionsbias, da ggf. vermehrt Patienten mit MF in eine Universitätsklinik überwiesen werden, bei denen die Operation Komplikationen erwarten lässt, wie beispielsweise besonders große oder persistierende Foramina. Die hohe Anzahl an Patienten und das weite Einzugsgebiet der Universitätsklinik Köln minimiert allerdings diesen Effekt. Des Weiteren führten über die Dauer der 11 Jahre mehrere Operateure die Operation durch.
In 83,6 % der Fälle mit IMF konnte ein Lochverschluss nach primärer Operation erzielt werden. Die Analyse des anatomischen Behandlungserfolgs in beiden Vergleichsgruppen (geschlossen versus persistierend) ergab, dass sich diese weder in der Geschlechtsverteilung noch im Alter oder im Linsenstatus statistisch signifikant unterschieden und diese Faktoren somit kein prädiktives Potenzial für den anatomischen Erfolg der Operation haben. Ebenfalls scheint der Aspekt, ob das Partnerauge betroffen ist, keinen prädiktiven Faktor für den Lochverschluss darzustellen. Anders verhält es sich bei der Symptomdauer, sodass eine frühzeitige operative Intervention des IMF innerhalb weniger Wochen ratsam ist. Es zeigte sich ein bereits aus der Literatur bekannter Effekt der Foramengröße auf die Verschlussrate [32]. Wir können daher bestätigen, dass der präoperativen Foramengröße eine wichtige Bedeutung für die Prognose des Operationserfolgs zugesprochen werden kann.
Die behandelten Patienten wurden angewiesen, postoperativ eine Kopftieflagerung einzuhalten für wenige Tage nach der Operation, um den Auftrieb der Gasblase zu nutzen, unabhängig von der Foramengröße, Symptomdauer oder anderen Faktoren. Neuere Studien zeigen, dass diese Lagerung lediglich bei großen Foramina (> 500 µm) für den anatomischen Erfolg relevant zu sein scheint [29].
Außerdem konnten im Rahmen dieser Studie Unterschiede im Erfolg in Abhängigkeit des Operationszugangs (20 G versus 23 G) detektiert werden. Die 23-G-Vitrektomie war der 20-G-Vitrektomie überlegen. In der Literatur zu findende Vorteile der 23-G-PPV liegen in einer geringeren Rate an operationsassoziierten Netzhautlöchern, einer geringeren Operationsdauer sowie einem angenehmeren Heilungsverlauf [31]. Anders als in der hier vorgestellten Studie konnte die Studie von Krishnan et al. keinen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Verschlussrate zwischen 20- und 23-Gauge-Vitrektomie feststellen [13].
Die ILM-Flap-Technik konnte zudem bessere anatomische Ergebnisse erzielen. So konnten die in einer prospektiven klinischen Studie von Michalewska et al. veröffentlichten Ergebnisse, die eine Überlegenheit der ILM-Flap-Technik zum konventionellen ILM-Peeling zeigten [19], in dieser deutlich größeren Studie bestätigt werden. Shiode et al. postulierten 2018, dass die ILM als Gerüst für die Proliferation und Migration von Müller-Zellen fungieren könnte und darüber hinaus von der ILM zur Verfügung gestellte Wachstumsfaktoren einen Lochverschluss begünstigen könnten [27]. Auch wenn die ILM-Flap-Technik dem konventionellen ILM-Peeling hinsichtlich des anatomischen Erfolgs überlegen scheint, findet man in der Literatur bezüglich des Visusergebnisses kontroverse Angaben, sodass der Einfluss auf das funktionelle Ergebnis für diese Operationstechnik noch unklar ist [21].
Zusammenfassend konnten eine kleine Foramengröße sowie eine kurze Symptomdauer als prognostisch günstige Faktoren im Hinblick auf einen postoperativen Lochverschluss für unsere Kohorte aus den Studienergebnissen abgeleitet werden. Da es bei einem abwartenden Verhalten präoperativ auch zu einer Vergrößerung des Loches kommen kann, ist eine operative Intervention innerhalb weniger Wochen nach Diagnosestellung des Makulaforamens anzuraten. Die Symptomdauer ist klinisch nicht selten schwer zu erfassen. Eine operative Versorgung ist in aller Regel für alle Augen mit IMH sinnvoll und empfohlen, unabhängig von der Symptomdauer. Prognostisch günstig für den anatomischen Operationserfolg scheint in unserer Kohorte außerdem die Durchführung einer transkonjunktivalen 23-G-PPV mit Präparation eines ILM-Flaps. Durch die Wahl dieser Operationstechnik konnte die Verschlusswahrscheinlichkeit erhöht werden.

Fazit für die Praxis

  • Das Makulaforamen ist eine seltene Erkrankung der vitreoretinalen Grenzfläche, bei der Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
  • Der Goldstandard in der Behandlung ist die PPV mit ILM-Peeling und Gastamponade.
  • Der anatomische Behandlungserfolg (Lochverschluss) beim idiopathischen MF nach Erstoperation liegt bei über 80 % mittels Vitrektomie, Peeling der Membrana limitans interna und Gastamponade.
  • Bei sehr kleinen Foramina (< 250 µm) liegt die Erfolgsrate bei über 90 %.
  • Die Erfolgsrate kann durch zeitnahe operative Intervention, die Anwendung der transkonjunktivalen trokargestützten Vitrektomietechnik sowie der invertierten ILM-Flap-Technik positiv beeinflusst werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. von Goscinski, N. Gözlügöl, T. Schick, V. Schöneberger, C. Gietzelt, L. Altay, C. Cursiefen und F. Schaub geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Eine Genehmigung der Auswertung durch die lokale Ethikkommission wurde eingeholt (ID 20-1043). Von allen beteiligten Patient/-innen liegt eine Einverständniserklärung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Prädiktive Parameter für den anatomischen Operationserfolg bei durchgreifenden Makulaforamina
Eine retrospektive Auswertung von 391 Augen
verfasst von
C. von Goscinski
N. Gözlügöl
T. Schick
V. Schöneberger
C. Gietzelt
L. Altay
C. Cursiefen
Univ.-Prof. Dr. med. F. Schaub
Publikationsdatum
08.08.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Ophthalmologie / Ausgabe 9/2024
Print ISSN: 2731-720X
Elektronische ISSN: 2731-7218
DOI
https://doi.org/10.1007/s00347-024-02100-x

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