Erschienen in:
15.07.2016 | Epilepsie | Leitthema
Vom Mythos zum Logos
verfasst von:
Dr. med. et lic. Phil. Florian Losch
Erschienen in:
Clinical Epileptology
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Ausgabe 4/2016
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Zusammenfassung
Über „de morbo sacro“ des Hippokrates schwärmte der deutsche Philologe Ulrich von Wilamowitz vor 100 Jahren: „Das ist eine … Lehre von hoher Bedeutung: liegt doch in ihr eine Ahnung des Nervensystems und die Postulierung eines einheitlichen Zentrums aller menschlichen Tätigkeit … sie hat auch philosophisches Interesse“ [
1]. Die Absicht dieses Beitrags besteht darin, zu zeigen, dass diese Lehre eine so hohe Bedeutung hat, nicht, weil Hippokrates auch philosophisches Interesse hatte. Genau das Gegenteil ist der Fall; nur durch die grundlegend philosophisch ausgerichtete Denkhaltung der Ärzte dieser Zeit war eine Theorie-Bildung wie die des Hippokrates überhaupt möglich. Im Folgenden werden die Voraussetzungen umrissen, aufgrund derer sich aus zunächst mythischen Rahmenbedingungen eine naturphilosophische Medizin entwickeln konnte. „Nichts entsteht aus nichts, sondern alles aus einem bestimmten Grund“ lehrt Demokrit [
2]. Das philosophische Interesse der Ärzte konnte aber erst erwachen, nachdem die Bedeutung eines Paradigmas, das ausnahmslos auf göttlichen Einfluss als Begründung menschlicher Erkrankungen verwies, an Bedeutung verloren hatte. Für das Verständnis dieses Bedeutungsverlustes eignen sich besonders die homerischen Epen, da in ihnen einerseits noch einmal die lange vergangene mythische Zeit besungen wird, andererseits aber schon auf höchstem ästhetischen Niveau die beginnende neue Denkrichtung aufscheint.