Erschienen in:
01.09.2006 | Übersichten
Vorausverfügter Behandlungsverzicht bei Verlust der Selbstbestimmbarkeit infolge persistierender Hirnerkrankung
verfasst von:
Prof. Dr. H. Lauter, H. Helmchen
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 9/2006
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Zusammenfassung
Dargestellt wird der aktuelle Stand der Diskussion um die ethische und rechtliche Klärung der Verbindlichkeit und Reichweite von Patientenverfügungen (PV), die einen Behandlungsverzicht bei Verlust der Selbstbestimmbarkeit infolge persistierender oder progredienter Hirnkrankheiten fordern. Am Beispiel von Demenz und „Wachkoma“ – Zustände mit zunehmender Bedeutung für den Psychiater – wird die Verbindlichkeit der PV in all jenen Fällen relativiert, in denen Irreversibilität und Vollständigkeit des Verlustes von Wachbewusstsein nicht sicher prognostiziert werden können. Unklarheit besteht auch in Bezug auf ihre Reichweite, da rechtlichen Vorschlägen zu ihrer Beschränkung auf todesnahe Krankheitszustände andere Vorschläge gegenüber stehen, die eine solche Beschränkung ablehnen; hinzu kommt medizinisch die Unsicherheit, das Kriterium der unmittelbaren Nähe des Todes bei irreversiblen und lebensbegrenzenden Krankheiten eindeutig feststellen zu können. Ethisch steht das höchstrichterlich bestätigte Selbstbestimmungsrecht des Kranken, der mit seiner PV eine lebenserhaltende und einwilligungspflichtige Behandlung bei den genannten Zuständen ablehnt, der ärztlichen Pflicht gegenüber, Leben zu erhalten und zum Wohl des Kranken zu handeln. Dadurch bedingte Gewissenskonflikte bei beteiligten Ärzten, Pflegepersonen, Angehörigen oder Nahestehenden, insbesondere auch bei Bevollmächtigten, sollten durch eine eingehende Diskussion zwischen allen an der Entscheidung Beteiligten einer möglichst konsensuellen Lösung zugeführt werden, die dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Willen möglichst nahe kommt.