Erschienen in:
22.06.2016 | Ernährung | Leitthema
Warum essen Männer wie sie essen?
Überlegungen aus ernährungs- und geschlechtersoziologischer Perspektive
verfasst von:
Dr. Margareta Büning-Fesel, Prof. Dr. Jana Rückert-John
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 8/2016
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Zusammenfassung
Die Ernährungsweisen der Geschlechter unterscheiden sich, wobei das männliche Essverhalten als „ungesünder“ im
Vergleich zum weiblichen bewertet wird. Die Ernährung von Männern und Frauen folgt weniger einer biologischen Bestimmung,
sie ist vielmehr ein Resultat gesellschaftlicher Geschlechterrollenerwartungen. So gelten zum Beispiel Fleisch und Alkohol als „starke“ Nahrungsmittel und sind deshalb männlich konnotiert. Obst und Gemüse werden demgegenüber als „schwache“, das heißt weibliche Nahrungsmittel, gesehen. Dabei wird übersehen, dass „typisch“ weibliche Ernährungsweisen oft einer Attraktivitätsorientierung folgen und mit einem restriktiven Essverhalten einhergehen. Die konstatierte „gesündere“ Ernährung von Frauen geht auch einher mit einem höheren Ernährungswissen und ausgeprägteren Ernährungskompetenzen. Hierbei muss allerdings kritisch hinterfragt werden, ob aufgrund der gesellschaftlich zugewiesenen weiblichen Verantwortung für Ernährungs-, Versorgungs- und Pflegeaufgaben männliche Familien- und Haushaltsmitglieder nicht selten von ihrer Verantwortung für die eigene Gesundheit befreit werden beziehungsweise im Gegenzug Männer diese auch gerne den Frauen überlassen. Häufig ist ein Wissens- und Kompetenzvorsprung der Frauen in Fragen einer gesunden Ernährung und der Lebensmittelzubereitung ein Hinderungsgrund für Männer, sich hierbei mehr zu engagieren und einzubringen.
Eine Betonung der beobachteten Geschlechterdifferenzen ist im Rahmen der Ernährungs- und Gesundheitskommunikation nicht immer zielführend und kann Gefahr laufen, Geschlechterrollenstereotypen zu reproduzieren oder andere wirkmächtigere soziale Kategorien zu vernachlässigen. Alternative Strategien bestehen darin, den „essenden Menschen“ in den Mittelpunkt zu stellen und dabei eine geschlechtsneutrale Kommunikations- und Beratungsstrategie zu verfolgen.