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19.09.2022 | Online-Artikel

Depressionen erkennen

Wenn Kinder nicht mehr leben wollen

Während des Lockdowns haben Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen – so eine aktuelle Studie. Auch unabhängig von der Pandemie kann die Trennung der Eltern oder ein Todesfall in der Familie eine Depression auslösen. Lesen Sie hier bei welchen Symptomen Sie bei Ihren kleinen Patientinnen und Patienten genauer hinschauen sollten.

Wie zeigt sich eine Depression bei Kindern?

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Vorschulalter sind ca. 1 % der Kinder, im Grundschulalter ca. 2 % und bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren etwa 3 bis 10 % betroffen. Die Symptome depressiver Kinder hängen vom Alter und vom Entwicklungsstadium, dem familiären Umfeld und den geistigen Fähigkeiten ab. Grundsätzlich gilt: Je jünger Kinder sind, umso eher klagen sie über körperliche Symptome, wie Kopf- oder Bauchweh. Jüngere Kinder können ihr Empfinden auch oft noch nicht so gut in Worte fassen – hier sollte daher verstärkt auf Mimik und Gestik, aber auch auf den Umgang mit anderen Kindern und ihr Spielverhalten geachtet werden [1, 2].

Welche Symptome „typisch“ für bestimmte Altersgruppen sind, sehen sie in den nachfolgenden Abbildungen.

Kleinkind (0-3 Jahre)

  • vermehrtes Weinen
  • ausdrucksarmes Gesicht
  • leicht reizbar
  • überanhänglich, Kind kann schlecht alleine sein
  • selbst-stimulierendes Verhalten: Schaukeln des Körpers, exzessives Daumenlutschen
  • Teilnahmslosigkeit
  • Spielunlust oder auffälliges Spielverhalten
  • gestörtes Essverhalten (z.B. „Wiederkäuen“)
  • Schlafstörungen

Vorschulkind (3-6 Jahre)

  • trauriger Gesichtsausdruck
  • verminderte Gestik und Mimik
  • leicht irritierbar, stimmungslabil, auffällig ängstlich
  • mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen
  • Teilnahmslosigkeit und Antriebslosigkeit, introvertiertes Verhalten
  • vermindertes Interesse an motorischen Aktivitäten
  • innere Unruhe und Gereiztheit, zerstörerisches und aggressives Verhalten
  • Ess- und Schlafstörungen

Schulkind (6-13 Jahre)

  • Sprechen über Traurigsein
  • Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, verschlechterte Schulleistungen
  • Ängstlichkeit (Verlustangst, Zukunftsangst)
  • unangemessene Schuldgefühle und Selbstkritik („Ich bin so dumm“)
  • psychomotorische Hemmung (langsame Bewegung etc.)
  • Appetitlosigkeit
  • (Ein-) Schlafstörung
  • Suizidgedanken

Jugendlicher (ab 13 Jahre)

  • vermindertes Selbstvertrauen, Selbstzweifel
  • Ängste, Lustlosigkeit, Konzentrationsmangel
  • Stimmungsschwankungen
  • Leistungsstörungen
  • Gefühl, sozialen und emotionalen Anforderungen nicht gewachsen zu sein
  • Gefahr der Isolation und des sozialen Rückzugs
  • psychosomatische Beschwerden (z.B. Kopfschmerzen)
  • Gewichtsverlust
  • Schlafstörungen
  • Alkohol- / Drogenkonsum
  • Suizidgedanken / -versuch

Jugendliche haben 20-fach erhöhtes Suizidrisiko

Wenn alles zu viel wird und hoffnungslos scheint, sehen Depressive manchmal nur noch einen Ausweg: Suizid. Auch bei Kindern und Jugendlichen können solche Gedanken aufkommen. Selbstmorde sind im Kindesalter zwar noch sehr selten, zählen aber zu den häufigsten Todesursachen im Jugendalter. Jugendliche haben sogar ein bis zu 20-fach erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten. Mädchen und junge Frauen begehen Versuche am häufigsten, dennoch versterben Jungen im Vergleich bis zu dreimal so häufig durch einen vollendeten Suizid [2].

COVID-Update: Mehr depressive Symptome und Suizidversuche

Neue Ergebnisse der COPSY-Studie (COrona und PSYche) zeigen, dass sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland im Verlauf der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Fast jedes dritte Kind leidet nach der weiten Welle unter psychischen Auffälligkeiten. Zusätzlich haben depressive sowie psychosomatische Symptome, Sorgen und Ängste seit der ersten Welle weiter zugenommen [3].

Des Weiteren sind zum Ende des zweiten Lockdowns etwa viermal so viele Kinder und Jugendliche wegen eines Suizidversuches auf eine Kinderintensivstation gekommen wie im Frühjahr vor der Pandemie. An der Untersuchung dazu beteiligten sich 27 Kinderintensivstationen. Die Studie hat noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Die Zahlen sind daher vorsichtig zu interpretieren [4].

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Da die betreuende Kinderärztin bzw. der Kinderarzt das Kind regelmäßig sieht und schon länger kennt, sind diese meist die erste Anlaufstelle für betroffene Kinder und ihre Eltern. Die Behandlung sollte dann jedoch durch Fachärztinnen und Fachärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erfolgen.

Genauso wie Erwachsene mit einer Depression, brauchen auch jüngere Betroffene Hilfe. Die Therapie von Depressionen bei Kindern sollte immer an den jeweiligen Entwicklungsstand und an die jeweilige Lebenssituation des Kindes angepasst werden (wie z. B Alter, schulisches und familiäres Umfeld). Da vor allem jüngere Kinder psychische Vorgänge noch nicht ausreichend reflektieren können, sind psychotherapeutische Maßnahmen eher problematisch. Erst später, beispielsweise ab dem Schulalter, ist eine verhaltenstherapeutische Behandlung sinnvoll. Wichtig ist dabei auch, immer die Eltern des Kindes mit einzubeziehen – ein gutes familiäres Umfeld ist für das Kind essenziell [1].

Eine Behandlung bei Kindern und Jugendlichen kann folgende Bestandteile umfassen:

  • Alters- bzw. entwicklungsgerechte Aufklärung vom Kind und dessen Familie
  • Psychotherapie unter Einbezug der Familie/Bezugspersonen
  • Interventionen in der Familie zur Verminderung der Symptomatik und Verbesserung der familiären Beziehung
  • Ggf. medikamentöse Therapie

Einsatz von Antidepressiva bei Kindern

Der Einsatz von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen wird bereits seit einigen Jahren erforscht. Eine Metaanalyse im Fachmagazin „The Lancet“ betätigt, dass die meisten Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen mit Depressionen ein schlechtes Nutzen-Risiko-Verhältnis haben [5]. Ausreichende Wirksamkeitsbelege gibt es bislang nur für den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin – der auch für Kinder und Jugendliche (ab acht Jahren) zugelassen ist [1, 6]. Weitere Studien mit altersgruppenspezifischen Daten zur medikamentösen antidepressiven Behandlung bei Kindern und Jugendlichen sind notwendig.

Unterstützung für Ihre kleinen Patienten und deren Familie

Die Zeit in der Praxis ist meist eher knapp und viele Fragen ergeben sich bei den Familien auch erst zu Hause. Damit Dr. Google nicht überhandnimmt und Betroffene möglicherweise an falsche oder irreführende Informationen gelangen, können Sie den Jugendlichen und deren Familien die folgenden Internetseiten mit an die Hand geben.

FIDEO (Fighting Depression Online) ist ein Online-Informationsangebot mit integriertem Diskussionsforum für Jugendliche ab 14 bis 21 Jahren und ihre Familien zum Thema Depression.

[U25] Jugendliche helfen Jugendlichen ist ein Online-Suizidpräventions-Programm der Caritas.

Nummer gegen Kummer ist eine Beratung (per Telefon oder E-Mail) für Kinder, Jugendliche und deren Familie von professionellen Beratern oder von Jugendlichen für andere Jugendliche.

Literatur:

[1] Hegerl U, Niescken S. Depressionen bewältigen. Die Lebensfreude wiederfinden. Auflage 2013. TRIAS Verlag.
[2] Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Depression im Kindes- und Jugendalter. Online unter: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/depression-im-kindes-und-jugendalter (zuletzt aufgerufen am 28.01.2022).
[3] Ravens-Sieberer U. et al. Quality of life and mental health in children and adolescents during the first year of the COVID-19 pandemic: results of a two-wave nationwide population-based study. Eur Child Adolesc Psychiatry (2021). https://doi.org/10.1007/s00787-021-01889-1
[4] Der Spiegel. Corona: Was hinter der Studie zu mehr Suizidversuchen bei Kindern und Jugendlichen steckt. Online unter: https://www.spiegel.de/gesundheit/coronavirus-was-hinter-der-studie-zu-mehr-suizidversuchen-bei-kindern-und-jugendlichen-im-zweiten-lockdown-steckt-a-60f03d2b-2086-4711-ad60-42a820d4b2cb (zuletzt aufgerufen am 28.01.2022).
[5] Cipriani A et al. Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major depressive disorder in children and adolescents: a network meta-analysis. BMJ Open. 2018 Jan 5;8(1):e018357. Online unter: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)30385-3/fulltext (zuletzt aufgerufen am 03.03.2020).
[6] Fachinformation Fluoxetin-ratiopharm® 20mg Tabletten. Stand: Februar 2021.

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