Erschienen in:
23.06.2020 | Originalarbeit
Wie gut können Justizvollzugsbedienstete das Rückfallrisiko von Inhaftierten vorhersagen?
Eine Anwendung des Linsenmodells von Brunswik im niedersächsischen Frauenvollzug
verfasst von:
Dr. Susann Prätor, Marcel Guéridon, MSc
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 3/2020
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Zusammenfassung
Die Prognose erneuter Straftaten ist eine alltägliche und gleichermaßen komplexe Aufgabe des Justizvollzugs. Der vorliegende Beitrag widmet sich daher der Frage, inwieweit klinische Urteile von Justizvollzugsbediensteten über das Risiko erneuter Straffälligkeit mit der durch Auszüge aus dem Bundeszentralregister ermittelten Rückfälligkeit ehemals inhaftierter Frauen korrespondieren. Grundlage für diese Analyse sind das Linsenmodell von Brunswik und die Soziale Urteilsbildungstheorie (Social Judgement Theory), um sowohl die klinisch-intuitive Rückfallprognose der Bediensteten als auch das Kriterium der erneuten Rückfälligkeit nach Haftentlassung zu modellieren. Datengrundlage sind Angaben von Bediensteten über insgesamt 294 Frauen, die im niedersächsischen Justizvollzug inhaftiert waren. Im Rahmen von linearen bzw. logistischen Regressionsmodellen wurden unter Verwendung identischer Prädiktoren die von den Bediensteten subjektiv eingeschätzte Rückfallgefahr der Frauen sowie die tatsächliche Rückfälligkeit auf Basis der Bundeszentralregisterauszüge vorhergesagt. Die sich dadurch ergebenden Kennwerte des Linsenmodells sprechen dafür, dass insgesamt eine überzufällige Übereinstimmung zwischen Prognose der Bediensteten und der Legalbewährung nach Haftentlassung festzustellen ist, wobei für die Urteilsbildung der Bediensteten teilweise Faktoren bedeutsam sind, die für die Vorhersage der Legalbewährung keine Relevanz haben und vice versa.