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05.11.2024 | Online-Artikel

Stimmungstief richtig einordnen

Winterblues oder Depression?

„Am liebsten würde ich morgens einfach liegen bleiben…“ - Momente der Antriebslosigkeit und kurze Stimmungstiefs während der dunklen Jahreszeit kennt vermutlich jeder. Leidet die Psyche jedoch über mehrere Wochen, kann auch eine saisonal-abhängige Depression dahinterstecken. Wie kommt es eigentlich dazu? Bei welchen Anzeichen Sie handeln sollten und was Sie tun können, wenn es Sie selbst trifft.

Winterdepression erkennen

Von einer saisonal abhängigen Depression (seasonal affective disorder / SAD), auch „Winterdepression“ genannt, wird gesprochen, wenn sich die Symptome einer depressiven Episode ausschließlich und wiederholt zu einer bestimmten Jahreszeit, typischerweise im Herbst und Winter zeigen [1]. Neben den klassischen Symptomen einer Depression treten im Vergleich aber auch atypische Symptome auf [2]. Dazu zählen:

  • vermehrtes Schlafbedürfnis statt Ein- und Durchschlafstörungen und
  • Heißhunger statt Appetitverlust [2].

Was ist der Grund für eine SAD?

Die derzeit gängige Erklärung für eine saisonal abhängige Depression: Lichtmangel erhöht die Ausschüttung des schläfrig machenden Nervenbotenstoffes Melatonin und inaktiviert den Stimmungsaufheller Serotonin [3].

Aktuelle Studiendaten zu den Hintergründen

Eine aktuelle Longitudinalstudie (2016) von Mc Mahon und Kollegen untersuchte, wie bei Patientinnen und Patienten mit einer SAD die Serotonin-Transporter über die verschiedenen Jahreszeiten hinweg reguliert werden. Um den Unterschied zwischen der Bindung der Serotonin-Transporter zwischen den Gruppen und den Jahreszeiten zu erfassen, unterzogen die Forscher 23 gesunde Probanden mit niedrigen saisonalen Werten und 17 SAD-Patienten PET-Untersuchungen – jeweils zur Sommer- bzw. Winterzeit [4].

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Entwicklung der depressiven Symptome in den Wintermonaten mit der ausbleibenden Herunterregulation der Serotonin-Transporter-Werte verbunden ist – vor allem bei Patienten mit einem hohen Risiko für affektive Störungen. Die erhöhten Serotonin-Transporter-Werte könnten niedrige endogene Serotonin-Spiegel zur Folge haben und so zu depressiven Symptomen führen [4].

Die gesamte Studie „Seasonal difference in brain seortonin transporter binding predicts symptom severity in patients with seasonal affective disorder“ von Mc Mahon und Kollegen lesen Sie hier.

Was empfiehlt die Leitlinie bei SAD-Patienten?

Bei saisonal abhängiger Depression gilt gemäß Nationaler VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ die Lichttherapie, auch Phototherapie genannt, als Behandlung erster Wahl [Empfehlungsgrad A].1 Hierzu sollte eine Lichtquelle verwendet werden, die weißes, fluoreszierendes Licht abgibt, bei dem der UV-Anteil herausgefiltert wird und welche Lichtintensitäten von mindestens 2.500 Lux, besser jedoch 10.000 Lux und mehr erzeugt. Empfohlen werden mehrtägige bis mehrmonatige Anwendungen für 30 Minuten bis 2 Stunden pro Tag, bevorzugt morgens direkt nach dem Erwachen. Wichtig hierbei ist, dass die Augen bei der Therapie geöffnet sind und keine Sonnenbrille getragen wird [1].

Die Wirksamkeit von Lichttherapie bei Patienten mit einer SAD wurde belegt durch[1]:

  • eine Metaanalyse aus 23 randomisiert-kontrollierten Studien,
  • mehreren großen randomisiert-kontrollierten Studien, welche die Lichttherapie mit plausiblen Placebos verglichen haben,
  • Metaanalysen sowie
  • publizierten Leitlinien.

Um aktiv gegen Winterdepressionen anzugehen, empfehlen viele Experten außerdem regelmäßige Aktivitäten im Freien, wie spazieren gehen, Fahrrad fahren oder Langlaufen.

Für Ärztinnen und Ärzte: „Spektrum Depression“ auf Medbee

Weitere spannende Inhalte rund um das Thema Depressionen und Depressionstherapie finden Sie auf unserem Themenkanal „Spektrum Depression“ auf Medbee – der App für Mediziner*innen. Schauen Sie vorbei! 

Exkurs für Ärzte: Selbstmotivation für den Praxisalltag

Angestellte in einer Arztpraxis sind doppelt so häufig gefährdet, in eine Winterdepression zu verfallen – auch durch den möglicherweise tagtäglichen Umgang mit depressiven Patienten. Die Stimmung in ihrer Praxis können Sie möglicherweise auch durch eine kritische Analyse der Umstände verbessern, aber auch eine gesunde Portion Selbstmotivation kann Betroffenen Ärzten helfen [5]. Einen Rat, den Sie selbst beherzigen oder an ihre Angestellten weitergeben können: Stellen Sie sich in einem ruhigen Moment vor einen Spiegel und sagen Sie sich selbst:

„Ich erkenne an, dass es mir im Augenblick nicht gut geht. Ich kann aber etwas daran ändern. Ich kann Stressfaktoren reduzieren, dazulernen, andere um Rat fragen und mir Hilfe holen. Den ersten Schritt dahin, dass es mir besser geht, machte ich heute."

Unabhängig davon, ob es sich um Sie selbst, Ihre Angestellten oder Patienten handelt, eines sollte immer klar sein: Schuldzuweisungen helfen ebenso wenig, wie in eine Opferrolle zu verfallen oder in Selbstmitleid zu baden.

Mit der Selbstmotivation wird – psychologisch betrachtet – eine ausweglos erscheinende Situation bereinigt. Werden Sie oder auch Ihre Angestellten aktiv, statt darauf zu warten, dass sich alles von allein legt. Diese Portion Selbstmotivation wirkt nicht nur als Schutzschild im Arbeitsalltag, sondern kann auch einen positiven Nebeneffekt haben: Die gute Stimmung springt auf depressive Patienten über [5].

Was sonst noch in der kalten Jahreszeit wichtig ist

Licht & Luft lindern den Winterblues

Egal, ob ein Spaziergang oder der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt mit Freunden –Licht und Luft tanken tut immer gut. Die frische Luft und der Sauerstoff machen Sie fit. Tageslichtleuchten mit Blautönen können zusätzlich am Arbeitsplatz oder im Home-Office sinnvoll sein. Ab in die Sonne – auch ein Urlaub im Warmen kann sinnvoll sein [6].

Aktivität & Bewegung stärken das Wohlbefinden

Sport machen oder andere Aktivtäten bringen neben einer Verabredung mit Freunden Abwechselung in den tristen Alltag und stärken Ihr Wohlbefinden [6].

Die richtige Ernährung gibt Kraft

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung bringt Sie durch die kalte, dunkle Jahreszeit. Ggf. können Sie auch Ihren Vitamin D-Spiegel bestimmen lassen. Die Leitlinie zur Unipolaren Depression rät jedoch nur zur Substitution, sofern ein nachgewiesener Mangel besteht [1,6].

Last but not least steht auch die Psychotherapie zur Verfügung sowie verschiedene Unterstützungsprogramme bei den Krankenkassen [6].

Literatur:

[1] DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2. Stand 2022. Gültig bis Sept 2027 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2024).
[2] Stiftung Deutsche Depressions Hilfe. Winterdepression. Online erhältlich unter: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/winterdepression (zuletzt aufgerufen am 22.10.2024).
[3] Riederer M. Winterdepression und SAD: Ursachen, Symptome und Behandlung; https://www.br.de/nachrichten/wissen/herbst-wenn-die-stimmung-kippt-winterblues-oder-depression,R9qckEu (zuletzt abgerufen am 22.10.2024)
[4] Mc Mahon B et al. Seasonal difference in brain serotonin transporter binding predicts symptom severity in patients with seasonal affective disorder. BRAIN 2016: 139; 1605-1614.
[5] Wölker T. Tipps für die Arzthelferin. Platzverweis für den November-Blues in der Praxis. Ärzte Zeitung, 02.11.2010. Online erhältlich unter: https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/praxismanagement/personalfuehrung/article/626777/platzverweis-november-blues-praxis.html?sh=5&h=364525896 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2024).
[6] Winterblues – Tipps gegen das Stimmungstief. Psyche, DKV online. 

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