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Erschienen in:

01.03.2015 | Originalarbeit

„Wir wissen es alle, nur sprechen wir es nie aus.“

Institutionalisierte Uninformiertheit als Bedingung von Vulnerabilität beim Klonen und Organspende in Never Let Me Go

verfasst von: Solveig Lena Hansen, M.A., Dr. des. Sabine Wöhlke

Erschienen in: Ethik in der Medizin | Ausgabe 1/2015

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Zusammenfassung

Im Spielfilm Never Let Me Go werden Klone als vulnerable und heteronome Individuen dargestellt, die zur anonymen Organspende gezwungen werden. In diesem Beitrag wird die Darstellung dieser Figuren in ihrer individuellen Entwicklung und gesellschaftlichen Sozialisation unter der Frage untersucht, welche Bezüge sich zu bioethischen Aspekten ergeben. Die Klone befinden sich in einer Situation der „privilegierten Deprivation“: Aus Sicht der Zuschauer sind sie sozial benachteiligt und können sich nicht zu komplett autonomen Wesen entwickeln, aber aus ihrer eigenen Perspektive sind sie im dystopischen System immer noch „privilegiert“. Wir argumentieren, dass dieser Film auf symbolische Weise diejenigen Individuen fokussiert, die vom medizinischen Fortschritt nicht profitieren oder die nicht genügend Handlungsspielraum haben, um sich gegen geltende Praxen zu positionieren. Filme wie Never Let Me Go können deshalb ein Beitrag sein, um die Perspektive marginalisierter Personen im medizinischen System einzunehmen.
Fußnoten
1
Aus Kapazitätsgründen wird nur die männliche Form verwendet.
 
2
Never Let Me Go, UK/USA (2010).
 
3
Auf die historische Genese der Technologien kann hier aus Kapazitätsgründen nicht eingegangen werden, vgl., z. B. bei [11, 27, 28].
 
4
Die Tatsache, dass sich der Überblick über vulnerable Gruppen sowie die eigene Definition von Hurst auf konkrete soziale Akteure bezieht, Never Let Me Go jedoch fiktive Figuren entwirft, ist aus dieser Perspektive kein Widerspruch: Klone fungieren dann gerade als Symbol für ein strukturelles Vorhandensein von Vulnerabilität, das auf verschiedene Personen(gruppen) übertragen werden kann.
 
5
Die durch emotionale Bindungen möglichen offenen oder verdeckten Einflüsse potentieller Zwangsmechanismen in Familien lassen sich für Außenstehende nur schwer darstellen [30]. So können Unterstützungsleistungen in sozialen Gruppen (wie der Familie) als Handlungsprozesse internen oder externen Druck auslösen. Interner Druck kann dabei eine emotional aufgeladene Vorstellung sein, wie etwa eine Bringschuld; externer Druck kann z. B. eine angedeutete Erwartung von Familienmitgliedern gegenüber möglichen Spendern und Empfängern sein [24].
 
6
Der Begriff des sozialen Drucks beinhaltet das Gewicht der Erwartung, die an den anderen gestellt wird, sowie implizite oder explizite Drohungen des sozialen Ausschlusses aus der Gruppe ([32], S. 131). Dieser mögliche soziale Druck wird als überzeugendes Argument gegen eine Lebendspende angeführt. Das Verhältnis von familiärem oder gesellschaftlichem Druck einerseits und Autonomie andererseits kann zwar auch mit einer rein internalistischen Bestimmung von Autonomie problematisiert werden, muss aber auch die externalistischen Ermöglichungsbedingungen für autonome Entscheidungen fokussieren. So ist beispielsweise für eine autonome Entscheidung der Handlungsort nicht unwesentlich. Hierin liegt eine spezifische Asymmetrie zwischen der „wissenden Medizin“ und den „medizinischen Laien“, die allerdings nicht per se eine vulnerable Gruppe darstellen. Erst durch weitere soziale Faktoren werden Laien in bestimmten Kontexten zu sozial vulnerablen Individuen.
 
7
Zu diesem Zeitpunkt sind die Protagonisten 18 Jahre alt – d. h., dass sie 1967 geboren wurden; in dem Jahr, in dem laut Vorspann die Lebenserwartung über 100 Jahre beträgt. Ihre eigene Lebenserwartung von nur etwa 30 Jahren steht also in starkem Kontrast zu diesen Zahlen, die die machbaren Möglichkeiten verdeutlichen.
 
8
Mit „Vollendung“ wird der Zeitpunkt des Sterbens bezeichnet, an dem die überlebenswichtigen Organe wie das Herz von den Klonen gespendet werden.
 
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Metadaten
Titel
„Wir wissen es alle, nur sprechen wir es nie aus.“
Institutionalisierte Uninformiertheit als Bedingung von Vulnerabilität beim Klonen und Organspende in Never Let Me Go
verfasst von
Solveig Lena Hansen, M.A.
Dr. des. Sabine Wöhlke
Publikationsdatum
01.03.2015
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Ethik in der Medizin / Ausgabe 1/2015
Print ISSN: 0935-7335
Elektronische ISSN: 1437-1618
DOI
https://doi.org/10.1007/s00481-014-0331-7

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