Erschienen in:
24.05.2018 | Schwerpunkt: Das Dunkle – Originalarbeit
Zum Fressen gern – kulturgeschichtliche, psychodynamische und rechtliche Aspekte der Anthropophagie
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
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Ausgabe 2/2018
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Zusammenfassung
In der Mythologie, Religion und Literatur gibt es zahlreiche Beispiele für Kannibalismus, die über Jahrhunderte tradiert werden und wenig anstößig erscheinen, solange sie sich auf der symbolischen Ebene halten. Problematisch wird es allerdings, wenn kannibalische Impulse wörtlich genommen und in die Tat umgesetzt werden. Außer in extremen Notsituationen, in denen dieses seltene Phänomen noch nachvollziehbar erscheinen mag, kommt dies im Kontext gravierender Sexualstraftaten vor. Vor ca. 15 Jahren wurde in Deutschland der Fall eines Mannes bekannt, der über das Internet Partner gesucht und gefunden hatte, die sich auffressen lassen wollten. Das Einverständnis des Opfers irritierte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Justiz, die zunächst nicht wusste, wie die Tat juristisch angemessen zu bewerten sei. In einem ersten Verfahren vor dem Landgericht Kassel war der Mann im Januar 2004 nur wegen Totschlags zu einer zeitlichen Freiheitsstrafe von vergleichsweise wenigen Jahren verurteilt worden; ein Urteil, das vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurde. In einer neuen Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt wurde er im Mai 2006 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Folgenden wird aus einem psychoanalytischen Blickwinkel untersucht, inwieweit mythologische, religiöse und künstlerische Kannibalismusmodelle etwas grundlegend Anthropologisches zum Ausdruck bringen und wie das konkrete Beispiel vor diesem Hintergrund im Kontext psychoanalytischer Perversionskonzepte zu bewerten ist.