Erschienen in:
28.01.2019 | Schwangerschaftsabbruch | Originalarbeit
Zur Legitimität fremdnützigen Handelns in der Medizin und speziell in der Psychiatrie
verfasst von:
Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 1/2019
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Obwohl sich ärztliches Handeln im Wesentlichen und v. a. durch das Wohl des Patienten und seine Zustimmung legitimiert, können auch Interessen Dritter rechtfertigend wirken. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, unter welchen Umständen dies der Fall bzw. nicht der Fall ist. Dabei zeigt sich, dass fremdnütziges medizinisches Handeln insbesondere dann problematisch ist, wenn die Interessen Dritter alleiniger Rechtfertigungsgrund sind, wenn also ärztliches Handeln nicht dem Willen des Patienten entspricht und nicht auch seinem eigenen Wohl dient. Die Problematik wird an einer Reihe von Beispielen beleuchtet, insbesondere am Schwangerschaftsabbruch und an der Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in psychiatrischen und forensischen Kliniken gegen ihren Willen. Die fremdnützige Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in psychiatrischen Krankenhäusern scheint immer dann problematisch, wenn nicht sogar illegitim, falls dort eine Behandlung nicht durchgeführt werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob der freie, vorausverfügte oder mutmaßliche Wille des Betroffenen die Behandlung unmöglich macht, oder aber, ob es Behandlungsmöglichkeiten gar nicht gibt. Es scheint darüber hinaus fragwürdig, ob die Umsetzung von ausschließlich fremdnützigen Sicherungsmaßnahmen, die keinem Behandlungszweck dienen, durch Ärzte berufsethisch und -rechtlich zu rechtfertigen ist. Allerdings hat sich die medizinethische Literatur bisher kaum mit den Rechtfertigungsgründen fremdnütziger Zwangsmaßnahmen befasst, sodass hier erheblicher Forschungsbedarf zu bestehen scheint.