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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 4/2012

01.11.2012 | Übersicht

Zur Qualität forensischer Gutachten aus strafrechtlicher Sicht

verfasst von: Dr. jur. Thomas Wolf

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 4/2012

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Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die grundlegenden Anforderungen an Gutachten im Strafprozess, die in vielfältigen Aufgabenstellungen auftreten, dar, zeigt die Abgrenzungslinien zwischen Sachverständigem und Gericht auf, benennt wesentliche Fehlerquellen und ihre Ursachen und weist auf die Folgen schlechter Gutachten hin. Gefordert werden eine wesentliche Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Gutachter, aber auch der auftraggebenden Richter, Staatsanwälte und Vollzugsbeamten sowie eine neue Kultur des gegenseitigen Austausches.
Fußnoten
1
Beweistechnische Fragen wie die Bestimmung von Blutalkoholkonzentration oder Drogen, DNA-Spuren u.v.m. bleiben außer Betracht.
 
2
Die Begriffe „Beschuldigter“, „ Angeschuldigter“, „Angeklagter“, „Verurteilter“ und „Gefangener“ sind gesetzlich festgelegt (z. B. in § 157 StPO) und sollten vom Sachverständigen nicht verwechselt werden (Gefahr der Befangenheit!), wogegen er sich dadurch schützen kann, dass er stets vom „Probanden“ spricht oder einfach den Menschen bei seinem Namen nennt.
 
3
Und nicht selten überflüssigerweise: Nach der Rechtsprechung ist (auch) ein solches Gutachten nur erforderlich, wenn der dem Gericht unterstellte Sachverstand nicht ausreicht, und das ist nur in eher seltenen Konstellationen der Fall, z. B. bei Kindern unter 7 Jahren oder bei dem Verdacht einer psychischen Beeinträchtigung, die sich auf die Aussage auswirken kann.
 
4
Oft auch „Erkenntnisverfahren“ (Urteil: Erkenntnis) genannt; das „erkennende“ Gericht nennt der BGH oft auch „Tatgericht“ oder „Tatrichter“.
 
5
Auch die Vollstreckung einer Strafe kann schon im Urteil zur Bewährung ausgesetzt werden; dafür werden aber praktisch nie Gutachten eingeholt.
 
6
§ 56 Abs. 1 StGB: „Dabei sind namentlich [also gerade nicht abschließend] die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind“; für die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB zusätzlich „das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes und das Verhalten im Vollzug“.
 
7
§ 46 StGB, wiederum „namentlich“, „die Beweggründe und Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen“.
 
8
Vgl. dazu auch Urbaniok [4].
 
9
Schon BGH, Urteil v. 23.02.1966 – 2 StR 15/66.  BGHSt 21, 62.
 
10
Anders nur, wenn vorher eine Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht durch den Richter erfolgt ist; Gutachter sollten immer darauf bestehen, dass dies geschieht, bevor sie eine Person aus dem Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten explorieren.
 
11
Urteil v. 30.07.1999 – 1 StR 618/98. BGHSt 45, 164.
 
12
VRinBGH Rissing-van Saan, VRiBGH Nack, RiBGH Basdorf, Bode, Boetticher, Maatz und Pfister, VRiBGH a. D. Schäfer, Bundesanwälte Hannich und Altvater, Vollstreckungsrichter RiOLG Böhm und Müller-Metz sowie VRiLG Wolf, Kriminologe Schöch, Rechtsanwalt Deckers, forensische Psychiater Berner, Dittmann, Kröber, Leygraf, Müller-Isberner, Nedopil, Saß, Habermeyer, Sexualmediziner Beier und Bosinski und Rechtspsychologe Köhnken.
 
13
Boetticher et. al., für Schuldfähigkeitsgutachten NStZ 2005, 57 ff., für Prognosegutachten NStZ 2006, 537 ff.
 
14
Urteil v. 12.6.2008 – 3 StR 154/08, NStZ-RR 2008, 338; Urteil v. 14.04.2012 – 1 StR 15/12, juris.
 
15
BVerfG, Beschl. v. 10.2.2004 – 2 BvR 2029/01. NJW 2004, 739, 743.
 
16
Vgl. dazu FPPK 2007, 10 ff.
 
17
Vgl. dazu FPPK 2007, 10 ff.
 
18
Zum Beispiel LG Marburg, NStZ-RR 2006, 156 f.
 
19
BGHSt 49, [1]1, 151; im Fall hatte die (sachverständige!) Klinik einem Patienten Urlaub gewährt, in dessen Verlauf er Menschen tötete.
 
Literatur
1.
Zurück zum Zitat BGHSt (2004) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. BGHZ 139:16 BGHSt (2004) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. BGHZ 139:16
2.
Zurück zum Zitat NStZ (o J) Neue Zeitschrift für das Strafrecht. Jahr, Seite NStZ (o J) Neue Zeitschrift für das Strafrecht. Jahr, Seite
3.
Zurück zum Zitat Urbaniok (2007) Forensisch Operationalisiertes Therapie-Risiko-Evaluations-System. Bern Urbaniok (2007) Forensisch Operationalisiertes Therapie-Risiko-Evaluations-System. Bern
4.
Zurück zum Zitat Urbaniok (2012) Persönlichkeitstäter, Situationstäter und Prognostische Syndrome. Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern. Berlin Urbaniok (2012) Persönlichkeitstäter, Situationstäter und Prognostische Syndrome. Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern. Berlin
Metadaten
Titel
Zur Qualität forensischer Gutachten aus strafrechtlicher Sicht
verfasst von
Dr. jur. Thomas Wolf
Publikationsdatum
01.11.2012
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 4/2012
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-012-0177-0

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