Erschienen in:
20.06.2022 | Zwangsstörung | Leitthema
Neurobiologie der Zwangsstörung
verfasst von:
Prof. Dr. Dominique Endres, Katharina Domschke, Miriam A. Schiele
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 7/2022
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Zwangsstörung ist eine häufige psychische Störung, die zu einer enormen Einschränkung in der Lebensqualität führt. Kognitiv-behaviorale Erklärungsmodelle sind gut etabliert. Die zugrunde liegende Neurobiologie wurde in den letzten Jahren vermehrt wissenschaftlich untersucht.
Ziel der Arbeit
Übersicht über die aktuellen Forschungsbefunde und davon abgeleitete ätiopathophysiologische Überlegungen.
Material und Methoden
Überblick über genetische, epigenetische, strukturelle, funktionelle und neurochemische Veränderungen bei der Zwangsstörung sowie über mögliche organische Ursachen, die Symptome einer Zwangsstörung auslösen können.
Ergebnisse
Hinsichtlich der Zwangsstörung wird eine moderate Heritabilität angenommen. Auf molekularer Ebene scheinen genetische Varianten und epigenetische Veränderungen, vor allem in den serotonergen, dopaminergen und glutamatergen Systemen, an der Krankheitsentstehung beteiligt zu sein und die entsprechende Neurotransmission zu beeinflussen. Die kortiko-striato-thalamo-kortikalen Schleifensysteme werden neurochemisch moduliert, wobei ein Überwiegen des direkten, exzitatorischen „Pathway“ bei Zwangsstörungen angenommen wird. Neue Studienergebnisse geben auch Hinweise auf eine Beteiligung frontoparietaler und frontolimbischer Netzwerke. Symptome einer Zwangsstörung können zudem ursächlich organisch und so beispielsweise immunologisch bedingt sein.
Schlussfolgerung
Die Neurobiologie der Zwangsstörung ist partiell verstanden und wird in ein integratives neurobiologisches Modell eingeordnet. Für die seltenen sekundären, immunologischen Ursachen wurde kürzlich das Konzept der „autoimmunen Zwangsstörung“ vorgeschlagen. Ein zunehmend besseres Verständnis der Neurobiologie von Zwangsstörungen kann zukünftig im Optimalfall eine individualisierte, personalisierte Behandlung ermöglichen.