Erschienen in:
01.06.2008 | Aktuelles
Zwischen Patientenautonomie und ärztlicher Garantenstellung
Die Frage der Einwilligung von Patienten mit Bewusstseinsstörungen
verfasst von:
Prof. Dr. H.-C. Hansen, R. Drews, P.W. Gaidzik
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 6/2008
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Zusammenfassung
In der Versorgung von Patienten, deren Bewusstsein gestört ist, kann auf die übliche Einwilligungsprozedur in den ärztlichen Eingriff nicht zurückgegriffen werden. Die deutsche Rechtssprechung räumt auch hier der Patientenautonomie Vorrang ein und wählt als Lösungsweg das Konstrukt des mutmaßlichen Willens. Dieser ist einerseits – soweit möglich – von Dritten (Arzt, Angehöriger, Betreuer, Amtsgericht) sorgsam zu erkunden und zu berücksichtigen, wobei Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen einfließen können. Zwar ist die Diskussion über die Reichweite und den Verbindlichkeitsanspruch solcher Willensbekundungen seit langem im Gange und wird aktuell im politischen Raum im Hinblick auf gesetzgeberische Aktivitäten kontrovers diskutiert. Gegenwärtig bleiben aber die Anwendbarkeit, die Wirksamkeit und die Reichweite solcher Verfügungen im Einzelfall kritisch zu prüfen. Andererseits berechtigt und verpflichtet die Garantenstellung des Arztes dazu, unverzüglich bei unklarer Informationslage zur Rettung von Leib und Leben in die körperliche Unversehrtheit des Kranken einzugreifen.
Aufwand und Zeitraum zu dieser Entscheidungsfindung werden durch den Grad der Invasivität und die Dringlichkeit eines medizinischen Eingriffs mitbestimmt. Zwar lassen sich die Entscheidungen selbst als auch die Zeiträume bis zur Entscheidungsfindung wegen der Vielzahl der Einflussgrößen nicht standardisieren, sie orientieren sich aber derzeit an den in dieser Übersicht aufgezeigten Grundsätzen, Eckpunkten und beispielhaften Einzelfallentscheidungen. Grundsätzlich sollen die ärztlichen Überlegungen zur Schadensabwendung im Kontext der primär voraussehbaren Krankheitsdynamik ebenso wie die Aktivitäten zur Willenserkundung ausführlich dokumentiert werden.