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Erschienen in:

Open Access 14.10.2024 | Zyklus und Ovulationsstörungen | CME

Blutungsstörungen unter hormonellen Kontrazeptiva

verfasst von: Dr. med. Angela Niggli, Prof. Dr. med. Gabriele Susanne Merki-Feld

Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie | Ausgabe 4/2024

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Zusammenfassung

Hormonelle Kontrazeptiva wie Pillen und intrauterine Systeme (IUS) gehören zu den meistverwendeten Verhütungsmethoden. Rein gestagenhaltige Methoden wie Progestin-only-Pillen, Injektionen, Implantate oder IUS stellen für fast alle Frauen eine zuverlässige Option der Kontrazeption dar. Als häufige Nebenwirkung von hormonellen Kontrazeptiva treten Blutungsstörungen auf, deren genaue Ursachen noch ungeklärt sind und die je nach kontrazeptiver Methode variieren können. Unakzeptable Blutungen sind für die Nutzerin belastend und einer der häufigsten Gründe für das Absetzen einer kontrazeptiven Methode. Therapieoptionen bei Blutungsstörungen umfassen unter anderem die Gabe von Östrogenen, Gestagenen oder nichtsteroidalen Antirheumatika.
Hinweise

Wissenschaftliche Leitung

Bettina Toth, Innsbruck
Michael von Wolff, Bern
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Lernziele

Nach Absolvieren dieser Fortbildungseinheit …
  • können Sie die wichtigsten Ursachen und Differenzialdiagnosen von Blutungsstörungen unter hormonellen Kontrazeptiva benennen.
  • identifizieren Sie die wichtigsten diagnostischen Schritte.
  • kennen Sie die verschiedenen Blutungsprofile der unterschiedlichen kontrazeptiven Methoden und können so auch Normalvarianten ohne pathologischen Wert identifizieren.
  • wenden Sie mögliche Therapieoptionen, hormonell und nichthormonell, sicher an.

Kurzkasuistik

Eine 28-jährige Patientin stellt sich in der gynäkologischen Praxis vor. Sie verhütet aufgrund einer homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation mit einer Desogestrel-only-Pille. Diese nimmt sie seit 3 Jahren ein, seit 2 Jahren hatte sie darunter eine Amenorrhö. Nun ist vor 2 Tagen eine menstruationsstarke Blutung aufgetreten, was die Patientin sehr beunruhigt. Eine ausführliche Anamnese ergibt keine Einnahmefehler, die persönliche Anamnese ist ansonsten blande, und sie verneint die Einnahme von zusätzlichen Medikamenten. Seit 1 Jahr ist sie in einer festen Partnerschaft und verzichtet auf eine zusätzliche Kontrazeption mit Kondomen. Der Schwangerschaftstest fällt negativ aus. In der Spekulumuntersuchung zeigt sich eine makroskopisch unauffällige Portio; es folgt die Entnahme eines Chlamydienabstrichs. Transvaginalsonographisch findet sich der in Abb. 1 dargestellte Uterus. Die Ovarien zeigen sich beidseits unauffällig und ohne follikuläre Reifung. Wie weiter?

Einleitung

Hormonelle Kontrazeptiva, insbesondere die kombinierte Pille, haben in den letzten Jahrzehnten zwar an Popularität eingebüßt, gehören aber in Westeuropa neben den Kondomen nach wie vor zu den am häufigsten verwendeten Verhütungsmethoden [1].
Insbesondere für die rein gestagenhaltigen Kontrazeptiva bestehen nur wenige Kontraindikationen, sodass diese eine sichere Verhütung für fast alle Frauen, auch mit wesentlichen Komorbiditäten, ermöglichen. Gerade in dieser kontrazeptiven Gruppe sind Blutungsstörungen eine der häufigsten Nebenwirkungen. Die Gründe dafür sind nicht abschließend geklärt; bekannt ist, dass die Gestagene eine Dezidualisierung und Atrophisierung des Endometriums sowie eine Destabilisierung der endometrialen Gefäße bewirken [2].
Unerwartete und unregelmäßige Blutungen sind für die betroffenen Frauen störend, vielleicht peinlich und schmerzhaft, wenn diese mit Dysmenorrhö einhergehen oder im Sinne von Menometrorrhagien lange anhalten. Diedrich JT et al. zeigten 2015 in einer prospektiven Studie, dass der Hauptgrund für das Absetzen der Kontrazeption bei intrauterinen Systemen (IUS) in 19 %, bei Gestageninjektionen in 26 % und bei Gestagenimplantaten gar in 46 % der Fälle das veränderte Blutungsmuster war [3].
Es ist daher wichtig, dass Frauen und behandelnde ärztliche Versorgende in der Medizin die individuellen Bedürfnisse und Reaktionen auf hormonelle Kontrazeptiva sorgfältig berücksichtigen, um die optimale Verhütungsmethode zu finden.

Differenzialdiagnosen von Blutungsstörungen

Wenn sich eine Kontrazeptionsnutzerin mit Blutungsstörungen vorstellt, kann eine ausführliche Anamnese auf mögliche Ursachen hinweisen: Bestehen Einnahmefehler oder Hinweise auf eine gestörte Aufnahme v. a. der oralen Präparate wie Diarrhö oder Erbrechen? Bestehen Begleitsymptome, wegweisend für eine Ursache wie Bauchschmerzen oder Fieber? Strukturelle oder infektiöse Ursachen sollten bei wiederholten, persistierenden, starken oder atypischen Blutungen ausgeschlossen werden. Differenzialdiagnostisch kommen uterine oder zervikale Pathologien, wie Myome, Polypen und schlimmstenfalls Malignome, infrage. Bei IUS muss an eine Dislokation gedacht werden. Eine Diagnostik kann mittels einer gynäkologischen Spekulumuntersuchung und eines Ultraschalls erfolgen [4].
Auch eine Zervizitis, insbesondere durch Chlamydien, kann irreguläre Blutungen verursachen. Je nach sexuellem Risikoverhalten ist eine entsprechende Diagnostik zu empfehlen, insbesondere da Anwenderinnen einer LARC („long-acting reversible contraception“) wie IUS, Injektionen oder Implantat seltener Kondome nutzen [5].
Nicht zuletzt sollte auch eine Schwangerschaft, ob intra- oder extrauterin, als Blutungsursache ausgeschlossen werden. Gerade unter IUS können Extrauteringraviditäten vorkommen, auch wenn die Rate mit 0,02 (für Levonorgestrel) bis 0,08 (für Kupfer) pro 100 Frauenjahre niedrig ist [6].
Essenziell ist weiter eine genaue Medikamentenanamnese. Die meisten klinisch relevanten Medikamenteninteraktionen mit hormonellen Kontrazeptiva finden am Cytochrom-P450-System, insbesondere mittels Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4), statt. Psychostimulanzien, Antiepileptika, Tuberkulostatika, Antimykotika und Virostatika sowie Johanniskraut gehören zu den potentesten Induktoren von CYP3A4 und können so die Wirksamkeit und somit auch die Blutungsstabilität von hormonellen Kontrazeptiva reduzieren [7].
Sowohl bei Anwendungsfehlern als auch bei Medikamenteninteraktionen ist das Risiko für kontrazeptives Versagen erhöht, sodass hier eine zusätzliche Verhütung – bzw. bei langfristig notwendiger Einnahme der entsprechenden Medikation eine Umstellung der Kontrazeption – dringend empfohlen ist.
Merke
Der erste diagnostische Schritt bei Blutungsstörungen ist neben einem Schwangerschaftstest eine genaue Anamnese, v. a. bezüglich möglicher Anwendungsfehler und Medikamenteneinnahme; in diesen Fällen ist eine zusätzliche Kontrazeption nötig. Bei persistierender Blutungsproblematik sollten ein Chlamydienabstrich und eine Sonographie durchgeführt werden.

Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva

Der große Vorteil der kombinierten hormonellen Kontrazeptiva wie der kombinierten oralen Kontrazeption (KOK), des Rings oder des Pflasters ist durch die Nutzung von Ethinylestradiol (EE) die gute Zykluskontrolle. Dennoch sind Durchbruchblutungen außerhalb der Pillenpause häufig und kommen gerade bei Neubeginnerinnen in den ersten 3 Monaten in bis zu 30 % der Fälle vor, können jedoch jederzeit während der Anwendung auftreten [8]. Am blutungsstabilsten sind Pillen mit der Dosis 30 ug EE, während bei den niedrig dosierten Mikropillen, welche nur 15–20 ug EE enthalten, mehr Zwischenblutungen auftreten (bei 35 vs. 47 % aller Frauen im 1. Anwendungsjahr mindestens 1‑mal; [9]). Mehr Zwischenblutungen scheinen auch mit den neueren Pillen aufzutreten, welche die Östrogene Estradiolvalerat (EV), 17β-Estradiol (E2) oder Estetrol (E4) enthalten. Eine Übersichtsarbeit von 2022 zeigte Raten für Zwischenblutungen in den Anwendungszyklen 7 bis 12 von 12,1–15,4 % für EV/Dienogest, 15,4–18 % für E2/Nomegestrol, 12,8–15,8 % für E4/Drospirenon und 8–11 % für EE/Drospirenon. Da die verschiedenen Studien zu den Präparaten jedoch verschiedene Blutungsdefinitionen nutzten, ist ein Vergleich der Blutungsraten nicht abschließend möglich [10]. Die natürlichen Östrogene führen ebenso häufiger zum Ausbleiben der Abbruchblutung in der Pillenpause. Die Inzidenz einer fehlenden Abbruchblutung liegt im 12. Zyklus bei Anwendung von EV/Nomegestrol beispielsweise bei 31 %, verglichen mit 3–6 % bei EE-haltigen Pillen [8]. Auch die Gestagenkomponente der KOK kann das Blutungsmuster beeinflussen; Gestagenpillen der 3. Generation gelten als besonders blutungsstabil. Ebenso ist beim Vaginalring durch die sehr stabile Hormonabgabe mit einer guten Zyklusstabilität zu rechnen [11].
Die meisten Metrorrhagien unter kombinierten Kontrazeptiva sind zeitlich begrenzt, sodass ein abwartendes Vorgehen gut möglich ist. Mit der Anwendung im Langzyklus, also ohne monatliche Hormonpause, kann die Anzahl an geplanten Blutungstagen signifikant reduziert werden. Nach kontinuierlicher Anwendung über 6 Monate sind Amenorrhöraten von 57,6–81 % beschrieben. Aufgrund der ungeplanten Zwischenblutungen oder Spottings werden diverse Optionen zur Optimierung im Sinne einer Einnahmepause, z. B. nach 120 Tagen oder bei Auftreten ungeplanter Blutungen, diskutiert. Langzeitdaten zur Sicherheit der Einnahme von KHK im Langzyklus sind spärlich [12].
Merke
Nicht alle kombinierten hormonellen Kontrazeptiva sind assoziiert mit der gleichen Rate an Blutungsstörungen. Bei wiederholter Blutungsproblematik kann auf ein Präparat mit hoher Zyklusstabilität (z. B. anderes Östrogen, höhere EE-Dosierung oder Vaginalring) gewechselt werden.

Reine Gestagenpillen

Die Progestin-only-Pillen (POP) enthalten Desogestrel oder Drospirenon. Neben der Ovulationshemmung wirken sie kontrazeptiv über Veränderungen des zervikalen Mukus und des Endometriums [13].
Häufig und oft als therapeutischer Nutzen gewünscht, kann durch die kontinuierliche Einnahme der POP eine Amenorrhö eintreten; bei Nutzerinnen der Desogestrelpille liegt die Amenorrhörate nach 1 Jahr bei 20 %. Dem stehen die 15 % der Frauen gegenüber, bei denen auch nach 1‑jähriger Anwendung häufige oder verlängerte Blutungen auftreten, wobei die Rate an Blutungsstörungen im ersten Jahr kontinuierlich abnimmt. Bis zu 22,5 % der Anwenderinnen setzten die Desogestrelpille wegen störender Blutungen ab [14].
Die neuere Drospirenon-only-Pille enthält 4 Placebotabletten und folgt somit einem 24/4-Schema mit der Idee, dass durch die zyklische Hormoneinnahme ein wünschenswerteres Blutungsprofil geschaffen werden kann [15]. In einer randomisierten, kontrollierten Studie über 9 Zyklen zeigte sich, dass unter Drospirenon im Vergleich zu Desogestrel zwar lang andauernd nicht weniger Blutungstage auftreten, aber weniger unerwartete Blutungen, da viele Blutungstage in das erwartete Blutungsfenster von der Placebopause fallen. Zudem kam es unter Drospirenon zu weniger anhaltenden Menorrhagien. Die blutungsbedingte Abbruchrate war mit 3,3 % bzw. 6,6 % innerhalb von 9 Zyklen für Drospirenon bzw. auch für Desogestrel niedriger als in früheren Studienkollektiven zu Gestagenpillen [16]. Die bessere Vorhersagbarkeit der Blutungen könnte für die Nutzerin einen wesentlichen Vorteil bedeuten.
Merke
Unter den Gestagenpillen ist von Amenorrhö über leichtes Spotting bis zu anhaltenden Menorrhagien jedes Blutungsmuster möglich; die Blutungstage nehmen jedoch mit Dauer der Anwendung ab.

Implantat/Injektionen

Die Gestagenimplantate (mit Etonogestrel) basieren auf den gleichen kontrazeptiven Prinzipien wie die POP. Unter Gestagenimplantaten kommen sehr unterschiedliche Blutungsmuster vor; starke und lange Blutungen sind in den ersten 6 Monaten am häufigsten. In einer Studie zum Etonogestrelimplantat zeigte sich, dass 8 % der Frauen auch nach 6‑monatiger Anwendung häufige und 12 % verlängerte Blutungen beklagten. Dieses Blutungsmuster verbesserte sich mit längerer Anwendung nicht mehr wesentlich [17]. Die Entwicklung der ersten 6 Monate gilt daher als prädiktiv für den weiteren Verlauf [18]. Die Absetzrate für Implantate aufgrund von Blutungsstörungen wird mit 10 % nach 2 Jahren beschrieben [19]. Auch Amenorrhöen kommen während der Anwendung von Implantaten vor, nach 1 Jahr bei 24 % [17].
Depot-Medroxyprogesteronacetat (DMPA) als intramuskuläre oder subkutane Injektion enthält das weniger potente Gestagen MPA und muss daher anders dosiert werden. Die Amenorrhörate liegt nach 1 Jahr bei 46–55 % und steigt nach 2 Jahren auf etwa 70 %, während die Inzidenz von Blutungsstörungen mit jeder Anwendung sinkt: Nach 1 Jahr haben nur noch 15 % der Nutzerinnen häufige und 6 % verlängerte Blutungen. DMPA ist die Progestin-only-Methode mit dem besten Blutungsmuster und auch für Frauen mit Hypermenorrhö eine Option. [20, 21]. Es muss jedoch bedacht werden, dass die Knochendichte bei Anwendung von DMPA absinkt; dieser Effekt ist nach Absetzen von DMPA mindestens partiell reversibel [22].
Merke
Unter Depot-Medroxyprogesteronacetat steigt die Amenorrhörate mit jeder Applikation weiter, während sich das Blutungsmuster nach den ersten 6 Monaten mit Implantat nicht mehr wesentlich verändert. Die Amenorrhöraten sind unter DMPA langfristig von allen Kontrazeptiva am höchsten.

Intrauterine Systeme

IUS wirken über die lokale Reaktion auf das Endometrium mit Erhöhung von Prostaglandinproduktion und zytotoxischen Peptiden sowie spermizidem Effekt auf den Mukus. Levonorgestrel (LNG) inhibiert zusätzlich durch die Atrophisierung des Endometriums die Implantation. Es besteht nur eine geringe Inhibition von Ovulationen bei 25 bis maximal 50 % der Zyklen. Es kann daher bei den IUS zur Bildung von ovariellen Follikelzysten kommen, welche durch die endogene Östrogenproduktion Blutungen auslösen können [23]. Das Blutungsmuster ist nicht unwesentlich abhängig von der im IUS enthaltenen Hormondosis. Aktuell sind Präparate auf dem Markt, welche 52 mg, 19,5 mg respektive 13,5 mg LNG enthalten. Die Rate an Frauen, welche nach 1 Jahr maximal 2 Blutungsepisoden innerhalb von 3 Monaten haben, liegt bei 31, 26 respektive 20 %, während unregelmäßige Blutungen nach 1 Jahr bei 6, 17 respektive 23 % vorkamen. Starke und prolongierte Blutungen sind bei der 13,5-mg-IUS häufiger als bei den höher dosierten IUS. Die Blutungen nehmen mit längerer Anwendungsdauer weiter ab [24].
Aufgrund ihrer guten Blutungskontrolle sind 52-mg-LNG-IUS evidenzbasiert für die Therapie von Hypermenorrhöen zugelassen, mit Reduktion des Blutverlusts von 40–50 % [25]. Die Amenorrhörate nach 5‑jähriger Anwendung liegt bei etwa 60 % [26].
Das Kupfer-IUS benötigt eine gute Indikationsstellung, da eine Zunahme von Blutungsstärke und Blutungsdauer sowie azyklischem Spotting auftreten kann. Bei vorbestehender Hypermenorrhö sollte ein Kupfer-IUS gut überlegt werden. Nutzerinnen von Kupfer-IUS mit einer Hypermenorrhö vor Einlage haben dennoch keine erhöhten Absetzraten im Vergleich zu Frauen mit vorgängig normaler Blutungsstärke [27, 28]. Nach Ausschluss der üblichen strukturellen Ursachen kommt diesen veränderten Periodenblutungen unter Kupfer-IUS kein pathologischer Wert zu. Längerfristig kann es trotz Therapie zu einer Anämie kommen; bei entsprechender Anamnese sollten Blutbild und Eisenstatus bestimmt werden, und ein Wechsel der kontrazeptiven Methode kann evaluiert werden.
Merke
Hoch dosierte LNG-IUS gehen mit einer deutlichen Blutungsreduktion einher und sind u. a. Therapie der Wahl bei Hypermenorrhö, während ein Kupfer-IUS eine Hyper- und Dysmenorrhö verstärken kann.

Therapieoptionen bei Gestagenmethoden

Nicht jede dysfunktionelle Blutung bedarf einer Intervention; gerade bei Neubeginn einer kontrazeptiven Methode im Verlauf ist mit einer spontanen Besserung der Symptomatik zu rechnen. Hierüber sollte die Anwenderin vorab informiert werden.
Bei störenden oder anhaltenden Menometrorrhagien gibt es einige Therapieansätze, wobei die Datenlage dazu gering und heterogen ist, wie eine Cochrane-Analyse von 2013 ergab [29]. Dennoch zeigt die klinische Erfahrung eine Wirksamkeit mancher Optionen für die akute Blutungskontrolle.
Einige Patientinnen profitieren von einer exogenen Östrogenzufuhr zur Stabilisierung der endometrialen Funktion, v. a. bei mutmaßlich atrophieinduzierter Blutung. Mögliche Therapieschemata sind die Gabe von 2 mg Estradiol per os oder eines 50-μg-Estradiol-Patches transdermal während 7 bis 21 Tagen oder 1 Zyklus einer KOK. Kontraindikationen für Östrogene müssen vorgängig geprüft werden [13, 29].
Das Antigestagen Mifepriston zeigte in Studien eine signifikante Wirkung in der Blutungsreduktion, ist jedoch in der notwendigen niedrigeren Dosierung nicht erhältlich und für diese Off-label-Verwendung in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz nicht verfügbar.
Eine Dosiserhöhung oder zusätzliche Zugabe von Gestagenen wurde kaum untersucht, entspricht aber einem praktischen, unkomplizierten Therapieversuch (Desogestrel 0,15 mg täglich oder Intervallverkürzung der DMPA-Injektionen). Sollte ein zusätzliches Gestagen in Betracht gezogen werden, bietet sich das stark supprimierende Norethisteron (5 mg 2‑ bis 3‑mal täglich für 21 Tage) an [30]. Norethisteron als Monopräparat wird aktuell in der Schweiz, nicht aber in Deutschland oder Österreich vertrieben.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind eine populäre Therapieoption für Blutungsstörungen im spontanen Zyklus, da eine vermehrte Prostaglandinaktivität an der Blutung beteiligt sein kann. NSAR können auch bei hormonell induzierten dysfunktionellen Blutungen wirksam sein. Es besteht jedoch kein Konsens, welches Präparat in welcher Dosierung empfohlen werden soll; möglich ist beispielsweise Mefenaminsäure 500 mg 2‑mal täglich oder Ibuprofen 600–800 mg 2‑mal täglich [29, 31].
Wie allgemein bei Blutungsstörungen kann auch bei vaginalen Blutungen Tranexamsäure 500 mg 2‑mal täglich verabreicht werden. In mehreren kleinen Studien mit jedoch inkonsistenten Resultaten bezüglich der Wirksamkeit wurde die Gabe von Doxycyclin 2‑mal 100 mg täglich für 5 Tage versucht. Da Doxycyclin Matrixmetalloproteinasen inhibiert, ist ein Einfluss auf das Blutungsgeschehen durch diesen Mechanismus denkbar [32].
Der selektive Östrogenrezeptormodulator Tamoxifen und der Progesteronrezeptormodulator Ulipristalacetat (UPA) wurden mit unterschiedlichem Erfolg in nur kleinen Kollektiven getestet und erscheinen für den Off-label-Gebrauch im klinischen Alltag nicht praktikabel. Es gibt keine überzeugenden Daten, dass eine Vitaminsupplementation (z. B. Vitamin C oder Vitamin E) die Blutungstage reduzieren kann [29].
Oben genannte Therapieansätze zielen v. a. auf eine kurzfristige Therapie von akuten Menometrorrhagien ab, ohne eine langfristige Lösung für eine rezidivierende Blutungsproblematik zu bieten. Ist die Patientin anhaltend belastet, bleibt oft nur der Wechsel der kontrazeptiven Methode.
Merke
Es gibt keine gute Evidenz für die Therapie von störenden irregulären Blutungen unter Kontrazeptiva; im klinischen Alltag können sich aber einige hormonelle und nichthormonelle Therapieansätze bewähren.

Schlussfolgerung

Blutungsstörungen unter Kontrazeptiva, wie im Fallbeispiel zu Beginn des Artikels, sind häufig und haben nur selten eine nichthormonelle Ursache, wobei die Blutungsmuster bei den unterschiedlichen Verhütungsmethoden sehr variabel sein können. Bei seltener oder nicht störender dysfunktioneller Blutung ist keine Intervention notwendig. Eine sorgfältige Aufklärung vor Neubeginn der Kontrazeption ist essenziell für eine patientinnenfreundliche Betreuung. Die Nutzerin muss über die Wichtigkeit der weiteren korrekten Anwendung der Methode auch bei Blutungsstörungen informiert werden. Bei korrektem Einsatz ist trotz Durchbruchblutung von einer unveränderten kontrazeptiven Sicherheit auszugehen.

Fazit für die Praxis

  • Die wichtigsten Differenzialdiagnosen für Blutungsstörungen unter hormonellen Kontrazeptiva sind, neben strukturellen Ursachen und Chlamydieninfektionen, auch Einnahmefehler und Medikamenteninteraktionen. Die letzteren beiden sollten immer anamnestisch ausgeschlossen werden; bei persistierenden, starken oder wiederholten Zwischenblutungen ist eine gynäkologische Untersuchung indiziert.
  • Blutungsstörungen sind häufig, unter den rein gestagenhaltigen Methoden häufiger als unter kombinierten Kontrazeptiva und Kupfer-IUS (intrauterine Systeme). Die kontrazeptive Sicherheit ist bei korrekter Anwendung in diesem Fall gegeben. Eine Aufklärung der Frau vor Initiierung der Methode ist essenziell.
  • Von den rein gestagenhaltigen Verhütungsmethoden gilt das Implantat als am blutungsinstabilsten, während langfristig die Amenorrhörate unter den DMPA(Depot-Medroxyprogesteronacetat)-Injektionen am höchsten ist.
  • Bei akuten, belastenden Menometrorrhagien können therapeutisch Östrogene, zusätzliche Gestagene, nichtsteroidale Antirheumatika, Tranexamsäure oder Doxycyclin versucht werden. Andere Therapieansätze wie Tamoxifen, Ulipristalacetat oder Mifepriston im Off-label-Gebrauch sind für den klinischen Alltag weniger geeignet.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.

Autoren

A. Niggli: A. Finanzielle Interessen: A. Niggli gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: angestellte Oberärztin, Klinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Universitätsspital Zürich. G.S. Merki-Feld: A. Finanzielle Interessen: G. Merki gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Prof. an der Universität Zürich bis 1. April 2024.

Wissenschaftliche Leitung

Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.​springermedizin.​de/​cme.

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Literatur
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Blutungsstörungen unter hormonellen Kontrazeptiva
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Dr. med. Angela Niggli
Prof. Dr. med. Gabriele Susanne Merki-Feld
Publikationsdatum
14.10.2024