Ein Bauchaortenaneurysma-Screening von Männern über 65 Jahren hatte in einer aktuellen Registerstudie keinen wesentlichen Einfluss auf die krankheitsbezogene Mortalität. Schwedische Wissenschaftler fordern daher eine Neubewertung des Screening-Programmes.
Eine Ultraschalluntersuchung auf das Vorliegen eines Bauchaortenaneurysma (BAA) wird in Deutschland für Männer ab einem Alter von 65 Jahren empfohlen. Eine aktuelle Registerstudie stellt den Nutzen dieser Empfehlung nun in Zweifel. Entgegen der bisherigen Studienlage hatte ein in Schweden etabliertes bevölkerungsweites BAA-Screening die krankheitsbezogene Mortalität nur geringfügig senken können.
„Screening neu bewerten“
„Aufgrund der geringen Wirksamkeit und des wenig überzeugenden Nutzen-Risiko-Verhältnisses sollte der Nutzen eines BAA-Screenings neu bewertet werden“, fordern die Studienautoren um Dr. Minna Johansson. Die klinische Bedeutung einer solchen flächendeckenden Vorsorgeuntersuchung sei in der heutigen Zeit fragwürdig, fügen die an der Universität in Göteborg tätigen Wissenschaftler hinzu.
In Schweden wurde ab dem Jahr 2006 in den jeweiligen Regierungsbezirken nach und nach ein BAA-Screening-Programm für alle Männer in einem Alter über 65 Jahre eingeführt, bis im Jahr 2015 diese Vorsorgeuntersuchung flächendeckend in ganz Schweden etabliert war.
Diese zeitlich verzögerte Umsetzung machte es den Studienautoren möglich, die BAA-bedingte Sterblichkeit von Männern, die bereits an einem BAA-Screening teilgenommen haben, mit der von gleichaltrigen Männern zu vergleichen, die zur selben Zeit noch kein Screening-Untersuchung angeboten bekommen hatten.
Sterblichkeit ist rückläufig…
Die durch BAA bedingte Sterblichkeit ist in diesem Zeitraum generell deutlich zurückgegangen: So verstarben in den frühen 2000er im Mittel 36 von 100.000 Männern in einem Alter zwischen 65 und 74 Jahren an den Komplikationen eines abdominalen Aneurysmas, während es 2015 nur noch 10 Männer waren. Die Sterblichkeit nahm allerdings in ganz Schweden ab, unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Landesteil bereits ein BAA-Screening angeboten wurde oder nicht.
Eine adjustierte Analyse ergab, dass das BAA-Screening zu einer 24%igen Reduktion der Sterblichkeit beigetragen hat; allerdings war dieses Ergebnis nicht signifikant (OR: 0,76; 95%-KI: 0,38–1,51). Das Risiko für eine BAA-Ruptur wurde um 44% gesenkt.
Demnach müssten sich 10.000 Männer einer solchen Ultraschalluntersuchung unterziehen, um innerhalb der folgenden sechs Jahre zwei BAA-bedingte Todesfälle zu verhindern.
…aber das lag nicht am Screening
Somit seien für die Reduktion der BAA-bedingten Sterblichkeit zum größten Teil andere Faktoren verantwortlich gewesen und nicht die Einführung des Screening-Programmes, resümieren Johansson und Kollegen. Die schwedischen Wissenschaftler vermuten, dass vor allem die rückläufige Zahl von Rauchern dazu beigetragen hat; diese ist von 1970 bis 2010 um 44% zurückgegangen.
Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht überzeugend
Letztlich sei der Nutzen eines solchen flächendeckenden BAA-Screenings nur marginal. Auf der anderen Seite birgt dies die Gefahr für Überdiagnose und Überbehandlung. Bei 49 von 10.000 gescreenten Männern wäre dieser Analyse zufolge fälschlicherweise die Diagnose eines BAA gestellt worden; 19 Männer hätten aufgrund dessen eine unnötige chirurgische oder endovaskuläre Korrektur der Aorta erhalten.
Das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines BAA-Screening sei zur heutigen Zeit wenig überzeugend, argumentieren die Studienautoren.
In anderen Studie Nutzen deutlich evidenter
In einer 2016 veröffentlichen Studie, die sich ebenfalls mit dem schwedischen BAA-Screening-Programm befasste, kommen die Autoren allerdings zu einem anderen Schluss. Ihrer Berechnung zufolge müssten nur 667 Männer gescreent werden, um innerhalb der nächsten zehn Jahre einen vorzeitigen Todesfall aufgrund eines BAA zu verhindern.
„Mit einer Reparaturrate von bis zu 40% und einer NNT von 1,5 werden mindestens ein Viertel aller Patienten mit einem durch ein Screening diagnostizierten Bauchaortenaneurysmas als Konsequenz länger leben“, hoben Dr. Anders Wanhainen und Kollegen damals die Vorteile des Screening-Programmes hervor. Ein flächendeckendes Screening sei einfach, mit wenigen Kosten und kosteneffizient zu etablieren.
Auch in vier älteren randomisierten Studien hatte sich ein klarer Nutzen des Screenings gezeigt, allerdings waren die darin berichteten BAA-Prävalenzen sehr unterschiedlich ausgefallen (4,0 bis 7,6%).
„Überdiagnose und Übertherapie halb so schlimm“
In einem begleitenden Editorial steht Prof. Stefan Acosta dem BAA-Screening deutlich weniger kritisch gegenüber. Seiner Ansicht nach sind die potenziellen Überdiagnosen und Übertherapien womöglich nicht so dramatisch, wie man denken würde. Selbst wenn das Wissen um das Vorhandensein eines kleinen Bauchaortenaneurysmata für die Betroffenen psychische Folgen haben könne, eröffne dieses auch die Möglichkeit für frühe Präventionsmaßnahmen; z. B die Gabe von Statinen, einer Antiplättchentherapie und Blutdrucksenkern bei Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko.
Darüber hinaus argumentiert der Gefäßchirurg, dass im Zuge eines solchen Screenings auch andere Aneurysmata entdeckt werden, z. B. in der Arteria poplitea, und Komplikationen dadurch womöglich vermieden werden können.
Zudem sei die 30-Tage-Mortalität nach einer BAA-Korrektur mit 0,9% sehr gering ist, hauptsächlich deshalb, weil viele Eingriffe mittlerweile minimalinvasiv erfolgen.