Skip to main content
ANZEIGE

16.05.2023 | Online-Artikel

Antidepressiva: Mein Patient spricht nicht an – was jetzt?

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Im ambulanten Bereich werden nicht wirksame Therapien zu häufig zu lange fortgeführt, so die Autorenschaft der S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ [1]. Welche Strategien können Sie anwenden, wenn eine Patientin oder ein Patient auf das verordnete Antidepressivum nicht anspricht? Dieses Vorgehen empfiehlt die Leitlinie. 

1. Schritt: Behebbare Ursachen evaluieren  

Gemäß der S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ sollte nach vier Wochen, bei älteren Menschen nach sechs Wochen, das Ansprechen auf das verordnete Antidepressivum geprüft werden. Dies umfasst neben der klinischen Symptomatik auch Teilhabeaspekte und Lebensqualität. Bevor bei Nichtansprechen die Therapiestrategie geändert wird, soll evaluiert werden, ob mögliche behebbare Gründe Ursache dafür sein können (Tabelle 1) [1]. 

Tab. 1: Behebbare Ursachen für Nichtansprechen (modifiziert nach [1])

2. Schritt: Therapien kombinieren oder wechseln 

Wurde keine behebbare Ursache festgestellt bzw. führen die eingeleiteten Maßnahmen nach wie vor nicht zum Ziel, kann die Antidepressiva-Therapie mit verschiedenen medikamentösen oder nicht medikamentösen Verfahren kombiniert oder augmentiert werden. Eine andere Strategie kann sein, das Antidepressivum einmalig zu wechseln. Insgesamt wird die Evidenzqualität für dieses Vorgehen von der Leitliniengruppe als moderat eingeschätzt [1].  

Für die Praxis: Richtig beraten 

Lesen Sie hier, ob eine Therapieergänzung mit Vitamin D bei Depressionen sinnvoll ist!

Folgende Strategien stehen Ihnen zur Verfügung [1]: 

  • Kombination mit Psychotherapie, insbesondere wenn offensichtlich psychosoziale Faktoren zugrunde liegen. Lehnt der oder die Betroffene eine weitere medikamentöse Behandlung ab, kommt auch der Wechsel auf eine alleinige Psychotherapie in Frage. 
  • Augmentation mit Antipsychotika in verhältnismäßig niedrigen Dosierungen [Quetiapin (zugelassen), Aripiprazol, Olanzapin oder Risperidon (off-label)]. 
  • Augmentation mit Lithium unter Beachtung des Wechsel- und Nebenwirkungspotenzials von Lithium. In der Regel zeigt sich in der Praxis schnell, ob Betroffene darauf ansprechen. Wenn ja, wird eine Erhaltungstherapie für sechs Monate empfohlen. 
  • Kombination mit einem 2. Antidepressivum: Eine Kombination mit SSRI, SNRI oder trizyklischen Antidepressiva mit Mianserin, Mirtazapin oder Trazodon sollte angeboten werden. 
  • Einmaliger Wechsel auf ein Antidepressivum mit anderem Wirkmechanismus. Diese Switch-Strategie sollte den anderen Strategien aufgrund einer niedrigen Evidenzqualität nachrangig angeboten werden. 
  • Augmentation mit repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS): Die Evidenzqualität wird von der Autorenschaft als sehr niedrig eingestuft, gleichzeitig sind der schnelle Wirkeintritt und der größere zu erwartende Effekt mögliche Pluspunkte für die Behandlung, so dass die Leitliniengruppe insgesamt zu einer offenen Empfehlung kommt. 

3. Schritt: Maßnahmenpaket ggf. erweitern 

Besteht das Nichtansprechen trotz angepasster Therapiestrategie nach vier Wochen weiterhin, sollen die Ursachen erneut geprüft werden. Bei wiederholtem Nichtansprechen kommen die gleichen Strategien wie beim einmaligen Nichtansprechen infrage, ergänzt um einige weitere Optionen [1]: 

  • Medikamentöse Therapie absetzen (Drug Holiday) und eine nicht pharmakologische Behandlung anbieten. Es können, müssen aber nicht alle anderen Strategien ausgeschöpft worden sein, bevor die Therapie mit dem Antidepressivum beendet wird. 
  • Esketamin intranasal im (teil-)stationären Setting. Die Empfehlung dafür ist offen, da keine konsistent signifikanten Effekte gegenüber Placebo vorliegen. 
  • Neurostimulatorische Verfahren: Elektrokonvulsionstherapie (EKT) oder transkranielle Magnetstimulation (rTMS) bei therapieresistenten depressiven Episoden. Ein EKT wird v.a. im höheren Lebensalter oder bei psychotischer Symptomatik empfohlen. 

Der gesamte Behandlungsprozess kann additiv mit unterstützenden Angeboten (Bewegungs- und Sporttherapie, Wachtherapie, Lichttherapie, Peer Support), bei Funktions- und Teilhabeeinschränkungen mit psychosozialen Therapien (Ergotherapie, Soziotherapie) oder mit häuslicher psychiatrischer Krankenpflege begleitet werden [1]. 

  » Zum Impressum von Bayer Vital

Literatur

[1] Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Langfassung, Version 3.0, 2022, AWMF-Register-Nr. nvl-005. https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3 

Das könnte Sie auch interessieren

ANZEIGE

Johanniskraut-Extrakt bei Depressionen: Aus der Apotheke oder der Drogerie?

Johanniskraut-Präparate sind freiverkäuflich in der Drogerie erhältlich, rezeptfrei in der Apotheke (OTC) oder verschreibungspflichtig (Rx). Sie unterscheiden sich dadurch ganz wesentlich.

ANZEIGE

Depressionen bei Herzpatienten: Welche Antidepressiva sind geeignet?

Etwa 15 % der Patienten mit einer chronischen Herzerkrankung weisen auch eine depressive Symptomatik auf. Das Sterberisiko nach einem Myokardinfarkt ist bei Patienten mit Depressionen um das Vierfache erhöht. Das Dilemma: Viele Antidepressiva sind für Herzpatienten ungeeignet. Bei welchen Medikamenten ist Vorsicht geboten?

ANZEIGE

Depression behandeln. Natürlich.

Aktuelle Ergebnisse aus in-vitro- und in-vivo-Untersuchungen liefern detaillierte Erklärungen zum Wirkmechanismus von hochdosiertem Johanniskraut-Extrakt: Neu ist die Erkenntnis, dass der Johanniskraut-Extrakt bei chronischem Stress die deregulierte Stressantwort der überaktiven HPA-Achse sowie die Expression des Stressgens FKBP5 normalisieren kann. Mehr zum aktuellen Stand der Wissenschaft bei der Therapie von Depressionen erfahren Sie hier. 

Bayer Vital GmbH