Erschienen in:
24.09.2020 | Leitthema
Biomechanik der Sagittalebene des Kniegelenks
Bedeutung des tibialen „slope“ für die Kniechirurgie
verfasst von:
Prof. Dr. S. Hinterwimmer, PD Dr. M. Feucht
Erschienen in:
Arthroskopie
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Ausgabe 1/2021
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Zusammenfassung
Veröffentlichungen über die Bedeutung des „posterior tibial slope“, die Neigung des Tibiaplateaus nach dorsal, nehmen in den letzten Jahren stetig zu. Primär trat dieses Thema als „Nebeneffekt“ der valgisierenden hohen tibialen Osteotomie (HTO) in den Fokus, als erkannt wurde, dass die Eingriffe in der Frontalebene mit Veränderungen in der Sagittalen einhergehen. Die Neigung des Tibiaplateaus kann im seitlichen Röntgen und in sagittalen MRT-Schichten gemessen werden. Es besteht jedoch bislang keine Einigkeit darüber, welche Messtechnik anzuwenden ist, und wann ein Neigungswinkel als steil bzw. zu steil bewertet werden muss. Gemäß der Darstellung im seitlichen Röntgen wurde in ersten Studien an den Knochenkonturen des medialen und lateralen Plateaus gezeigt: Ein steiler tibialer Slope führt zu vermehrter anteriorer tibialer Translation (ATT); diese Zusammenhänge gibt es sowohl im kreuzbandinsuffizienten als auch im kreuzbandintakten Knie. Selbstverständlich ist nicht der Knochen die eigentliche oder einzige formgebende Struktur: Die Gelenkoberfläche wird vom Knorpel und von den Menisken gebildet. Folglich wird in immer mehr Studien auch der sog. weichteilige Slope bestimmt. Bei Patienten mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbands (VKB) zeigt sich nicht nur der knöcherne, sondern auch der weichteilige mediale und laterale Slope signifikant steiler als bei den gesunden Vergleichspersonen. Die v. a. durch den steilen lateralen Slope beim „Knee-in-and-toe-out“-Mechanismus vermittelte ATT zeichnet sich wahrscheinlich für mehr als 50 % aller VKB-Rupturen verantwortlich. Oft ist dieser Mechanismus mit einer abrupten intensiven Quadrizepsaktivierung und reduzierter „Hamstring“-Koaktivierung kombiniert. Die Rolle der Hamstrings in Abhängigkeit vom tibialen Slope wird jedoch noch kontrovers diskutiert.